Der Echte Galgant (Alpinia officinarum), auch Galgantwurzel, Kleiner Galgant, Galgant oder Siam-Galgant genannt, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae) gehört. Er wird als Gewürz- und Heilpflanze verwendet und ist eine von vier ingwerartigen Pflanzen, die als Galgant (lateinisch galganum) bezeichnet werden.
Er ist auf der Insel Hainan heimisch und wird dort sowie in Thailand und ganz Südostasien angebaut.
Beschreibung
Der Echte Galgant ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 1,50 Meter erreicht. Es werden schlank-zylindrische, horizontal auswachsende Rhizome als Überdauerungsorgane gebildet. Die ganzrandigen Laubblätter sind ungestielt; sie werden 20 bis 30 cm lang und 1 bis 2,5 cm breit.
Es werden traubigeBlütenstände mit kleinen Hochblättern gebildet. Die zwittrigen Blüten sind weiß mit rötlichen Linien. Die verwachsenen Kelchblätter sind etwa 1,5 cm lang. Die zu einer Röhre verwachsenen Kronblätter sind 8 bis 10 cm lang. Der Fruchtknoten ist behaart. Es wird eine rundliche, rote Kapselfrucht gebildet mit etwa 1 cm Durchmesser.
Sie blüht von April bis September und fruchtet von Mai bis November.
Das bis zu einem Meter lange Rhizom wird als Speisegewürz verwendet. Es riecht würzig und schmeckt bitter aromatisch sowie schwach brennend, erinnert etwas an Ingwer. Galgant ist Bestandteil von Gewürzmischungen (zum Beispiel Curry oder Leberwurstgewürz) und wird auch bei der Herstellung von Kräuterlikören und Limonaden (z. B. Cola[2]) geschätzt. Der gemahlene, als Gewürz verwendete Wurzelstock wird auch als Laospulver bezeichnet.[3]
Neben fungiziden Wirkungen konnten tumorwachstumhemmende Effekte des Galgant nachgewiesen werden, und er vermag im Zusammenspiel mit zytostatischen Mitteln zytotoxische Eigenschaften von Chemotherapien zu unterdrücken.[6]
Der Echte Galgant (lateinisch früher auch als Galanga bezeichnet[7]) wird heutzutage selten als Heilpflanze verwendet.[5] Im Mittelalter galt der im humoralpathologischen Sinne „trockene“ und „heiße“[8] Galgant bezüglich seiner Heilanzeigen als Arzneimittel austauschbar mit den Blütenknospen und Blättern vom Gewürznelkenbaum.[9] Neben dem Echten Galgant wurde als „Galgant“ auch die chinesische Art Alpinia chinensis verwendet.[10][11]
Geschichte
China
Im chinesischen Arzneibuch „Sammlung von Rezepten berühmter Ärzte“ (Míngyī biélù) des Taoisten, Mathematikers, Alchemisten und Arztes Táo hóng jĭng (452–536) wurde die Arznei-Wirkung der Wurzel des Echten Galgants (膏良姜 gāoliángjiāng) erstmals beschrieben. Wegen ihres scharfen Geschmacks und wegen ihrer starken Wärmewirkung wurde sie zur Behandlung von „kühlen“ Magen-Darm-Erkrankungen verwendet.[13] Die aktuell gültigen chinesischen Arzneibücher empfehlen die Droge zur Behandlung folgender Erkrankungen: Kühle-Schmerz im Bauch, Magen-Kälte und Erbrechen, Aufstoßen und Sodbrennen.[14][15]
Arabien und Europa
Dioskurides, Plinius und Galenos kannten den Echten Galgant nicht. Von arabischen Kaufleuten wurde er vermutlich schon im frühen Mittelalter über Indien nach Westen gebracht.[16]
Im 10. Jahrhundert verfasste der Arzt und Medizinhistoriker Ibn Ğulğul (Ibn Dschuldschul) in Córdoba eine Arbeit mit dem Titel Maqāla fī Ḏikr al-adwiya allatī lam yaḏkuruhā Diyūsqūrīdas fī kitābihī („Ergänzungen zu Dioskurides Materia medica …“). Darin nannte er den Galgant „Hūlanğān“:
„Hūlanğān. Eine indische Droge, warm und feucht. Sie steigert die Potenz, ist dem kalten Magen bekömmlich, von angenehmem Geruch, kräftigt den Magen, die kalte Leber und die inneren Organe.“
Von späteren arabischen und europäischen Autoren wurden diese Angaben übernommen und ergänzt.
Im 19. Jahrhundert war die Wurzel des Echten Galgants Bestandteil der Tinctura aromatica – der Aromatischen Tinktur. Diese wurde zur Gruppe der „Reizenden Arzneimittel (Erethistica)“ gerechnet[19]:
„Nimm: Zimmtcassie zwei Unzen [ca. 58 Gramm], kleine Kardamomen, Gewürznelken, Galgantwurzel, Ingwerwurzel von jedem eine halbe Unze [ca. 14,5 Gramm]. Pulvere sie gröblich, und gieße darauf rektifizierten Weingeist zwei Pfund. Mazeriere acht Tage in einem verschlossenen häufig zu schüttelnden Gefäße, dann presse aus und filtriere. Sie sei von rothbrauner Farbe.“
– Karl Friedrich Mohr: Commentar zur Preussischen Pharmakopoe (6. Auflage). Vieweg und Sohn, Braunschweig 1854, Band II, S. 373[20][21]
↑ abcdef David Hoffmann: Natürlich gesund – Kräutermedizin. Über 200 Kräuter und Heilpflanzen und ihre Wirkung auf die Gesundheit. Hrsg.: Element Books. 1. Auflage. Element Books, Shaftesbury, England, Vereinigtes Königreich 1996, Teil Drei: Das Pflanzenverzeichnis, S.58 (256 S., englisch: The Complete Illustrated Holistic Herbal. Shaftesbury, England 1996. Übersetzt von Mosaik Verlag).
↑Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 142.
↑Gundolf Keil: Randnotizen zum „Stockholmer Arzneibuch“. In: Studia neophilologica. Band 44, Nr. 2, 1972, S. 238–262, hier: S. 250.
↑Konrad Goehl: Beobachtungen und Ergänzungen zum „Circa instans“. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 69–77, hier: S. 71.
↑Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882; Neudruck in 2 Bänden, Amsterdam 1967, S. 22.
↑Vgl. auch Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 128 (zur „galgen wurtz“ bzw. galganwurz, von mittelhochdeutsch galgan).
↑Übersetzung des Textes durch Franz Unterkircher. Tacuinum sanitatis ... Graz 2004, S. 72: Galgant: Komplexion: warm im 3., trocken im 2. Grad. Vorzuziehen: großgewachsen. Nutzen: gut für die Hüftader, macht guten Mundgeruch, vermehrt die geschlechtliche Potenz. Schaden: schadet dem Herzen. Verhütung des Schadens: mit öligen Gerichten. Was er erzeugt: scharfe Säfte. Zuträglich für Menschen mit kalter und feuchter Komplexion, für Greise, im Winter, in allen Gegenden.
↑Zitiert nach Bencao Gangmu, Buch 14 (Kommentierter Reprint, VR China 1975, Band II, S. 862).
↑Zitiert und übersetzt nach: Pharmakopoe der VR China 1985. Band I, S. 252.
↑George Arthur Stuart. Chinese Materia Medica. Vegetable Kingdom. Shanghai 1911, S. 31 (Digitalisat)
↑Nach: Albert Dietrich. Die Ergänzung Ibn Ğulğul’s zur Materia medica des Dioskurides. Arabischer Text nebst kommentierter deutscher Übersetzung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, S. 32: Hūlanğān (von Dietrich als Alpinia officinarum gedeutet).
↑Manfred Ullmann. Die Medizin im Islam. In: Handbuch der Orientalistik. 1. Abt., Erg. Bd. VI, 1. Abschn. E. J. Brill, Leiden 1970, S. 229, 268
↑Theodor Husemann. Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. Springer, Berlin. 2. Aufl. 1883, Band II, S. 517 (Digitalisat)
↑Karl Friedrich Mohr. Commentar zur Preussischen Pharmakopoe (6. Auflage). Vieweg und Sohn, Braunschweig 1854, Band II, S. 373 (Digitalisat)
↑Theodor Husemann (1833-1901). Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. 2. Auflage. Band 2. Springer, Berlin 1883, S. 565 (Digitalisat)
↑ Ibn Ğulğul, 10. Jahrhundert Maqāla fī Dikr al-adwiya allatī lam yad kurhā Diyūsqūrīdas fī kitābihī. – Ergänzung zur Materia medica des Dioskurides. Nach: Albert Dietrich. Die Ergänzung Ibn Ğulğul’s zur Materia medica des Dioskurides. Arabischer Text nebst kommentierter deutscher Übersetzung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, S. 32: Hūlanğān (von Dietrich als Alpinia officinarum gedeutet)
↑Abu Muhammad ibn al-Baitar. Kitāb al-jāmiʿ li-mufradāt al-adwiya wa al-aghdhiya. Übersetzung. Joseph Sontheimer unter dem Titel Große Zusammenstellung über die Kräfte der bekannten einfachen Heil- und Nahrungsmittel. Hallberger, Stuttgart Band I 1840, S. 399 (Digitalisat)
↑Deutscher Macer. 13. Jahrhundert Kritische Textedition (Schnell / Crossgrove 2003) mit der Leithandschrift Berlin, Ms.germ.quart. 1245.Tübingen 2003, S. 376. Cpg 226, Elsaß 1459–1469, Blatt 204v: ( .lxxviij. Galanga heißt galgan der ist heiß vnd fuchter natur / flegmaticis ist der galgan gut genuczt ( Er vertribt den wint by dem menschen ( Er hilfft dem magen wol daüwen vnd gÿt dem magen mund guten geruch(Digitalisat)
↑Innsbrucker (Prüller) Kräuterbuch. (12. Jahrhundert) Friedrich Wilhelm. Denkmäler deutscher Prosa. München 1960, Band I, S. 44–45; Band II, S. 112. Galgan. Bayerische Staatsbibliothek Clm 536, Blatt 86v: Galgan(Digitalisat).
↑Hildegard von Bingen. 12. Jahrhundert Physica, Buch I, Kapitel 13. Edition. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Migne, Paris 1855. Sp. 1134 (Digitalisat). Übersetzung Portmann 1991, S. 50–51: Der Galgant ist ganz warm und hat keine Kälte in sich und ist heilkräftig. Ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, pulverisiere Galgant und trinke dieses Pulver in Quellwasser, und er wird das hitzige Fieber löschen. Und wer im Rücken oder in der Seite wegen üblen Säften Schmerzen hat, der siede Galgant in Wein und trinke ihn oft warm, und der Schmerz wird aufhören. Und wer Herzweh hat und wer im Herz schwach ist, der esse bald genügend Galgant, und es wird ihm besser gehen.
↑Galgant-Gewürz-Traktat 13. Jahrhundert Handschrift in alemannischer Sprache: Cpg 620, Rezeptsammlung – Nordbayern um 1450, Blatt 75r: Galganum(Digitalisat).
↑Garcia da Orta. Aromatum et Simplicium aliquot medicamentorum apud Indos nascentium historia. Christoph Plantini, Antwerpen 1567, Kapitel 40 (S. 176–177): Galanga(Digitalisat)
↑Nicolas Lémery. Dictionnaire universel des drogues simples. Laurent d’Houry, Paris, 1699, S. 316–317: Galanga(Digitalisat); Übersetzung : Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition [...] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, [...]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721, Sp. 477–478 (Digitalisat)
↑Albrecht von Haller (Herausgeber). Onomatologia medica completa oder Medicinisches Lexicon das alle Benennungen und Kunstwörter welche der Arzneywissenschaft und Apoteckerkunst eigen sind deutlich und vollständig erkläret [...]. Gaumische Handlung, Ulm / Frankfurt am Main / Leipzig 1755, Sp. 685–687: Galanga major. Galanga minor.(Digitalisat)
↑William Cullen. Lectures on the materia medica.Lowndes, London 1772, S. 274: (Digitalisat). Deutsch. Johann Dietrich Philipp Christian Ebeling (1759–1795). Weygand, Leipzig 1781, S. 295: (Digitalisat)
↑August Friedrich Hecker’s practische Arzneimittellehre. Revidiert und mit neuesten Entdeckungen bereichert von einem practischen Arzte. Camesius, Wien, Band II (1815), S. 34–35: Radix Galangae, Galgantwurzel(Digitalisat)
↑Philipp Lorenz Geiger: Handbuch der Pharmacie zum Gebrauche bei Vorlesungen & zum Selbstunterrichte für Ärzte, Apotheker & Droguisten. Wolters, Stuttgart, 2. Band, 1. Hälfte 1830, S. 316–317: Galgant-Alpinie(Digitalisat)
↑Wolfgang Schneider: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Sachwörterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik, Chemie, Mineralogie, Pharmakologie, Zoologie. Govi-Verlag, Frankfurt a. M. Band 5/1 (1974), S. 74–76: Alpinia(Digitalisat)