Drei-Säulen-System (Schweiz)Das Drei-Säulen-System in der Schweiz ist die auf drei Säulen beruhende Altersvorsorge (siehe dort für die Situation in Deutschland). Sie besteht aus der obligatorischen sowie der freiwilligen privaten Vorsorge, welche 1972 in der Bundesverfassung (BV) nach einer Abstimmung festgeschrieben wurde. Die Vorlage trägt wesentlich die Handschrift des damaligen Bundesrats Hans-Peter Tschudi und trat per 1. Januar 1985 in Kraft. Gegenübergestellt worden war ihr bei der Abstimmung von 1972 eine 1969 lancierte Volksinitiative der Partei der Arbeit, die ein einheitliches Rentenkassensystem vorsah, jedoch stimmte diesem Vorstoss nur 15,6 % des Stimmvolks zu.[1] Die erste SäuleGrundlagen der ExistenzsicherungDie erste Säule deckt die Existenzsicherung der gesamten Bevölkerung in folgenden Bereichen:
Die erste Säule finanziert sich mit Ausnahme der Ergänzungsleistungen nach dem Umlageverfahren: Die eingenommenen Beiträge werden sofort zur Finanzierung der Renten verwendet. Die Beiträge werden aufgeteilt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und betragen je 5,3 %[2] Über ein Viertel der AHV-Renten werden von der öffentlichen Hand getragen. Die Finanzierung der AHV speiste sich 2020 aus folgenden Bereichen:[3]
Genau so wie die 1. Säule ist in der Schweiz auch der Abschluss einer Krankenversicherung verbindlich, da darin die ganze Bevölkerung obligatorisch für Heilungskosten infolge Unfall oder Krankheit versichert sein muss. Als Ausnahme ist für die Berufstätigen bei Unfall der Arbeitgeber, also die Firma, zuständig, wohingegen bei nicht Berufstätigen die Heilungskosten bei Unfall über die obligatorische Unfallversicherung resp. die Krankenpflegeversicherung gedeckt sind. Bei Lohnausfall wegen Invalidität tritt die Invalidenversicherung (IV) in Aktion. Die zweite SäuleDie zweite Säule stellt die «berufliche Vorsorge» dar, in welcher grundsätzlich alle berufstätigen Personen versichert sind. Im engeren Sinne wird aber unter «beruflicher Vorsorge» die berufliche Vorsorge nach dem BVG (Gesetz über die berufliche Vorsorge) als Teilbereich der zweiten Säule verstanden (siehe unter BVG). Die Leistungen der zweiten Säule ergänzen im Alter, bei Invalidität und beim Tod des Versorgers die Leistungen der AHV/IV. Ziel der zweiten Säule ist es, in Ergänzung zur ersten Säule, die Lebenshaltungskosten zu sichern. Berufliche Vorsorge nach dem Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG)Der als berufliche Vorsorge nach dem BVG bezeichnete Teil der zweiten Säule ergänzt die erste Säule in den Bereichen Altersvorsorge und Folgen von krankheitsbedingter Invalidität und Tod. Er wird durch Pensionskassen, Versicherungen und autonome Sammelstiftungen angeboten. In der Umgangssprache wird deshalb die «berufliche Vorsorge» auch Pensionskasse genannt. Bei der beruflichen Vorsorge herrscht zum Teil Wettbewerb. Der Arbeitgeber kann aus verschiedenen Anbietern selbst auswählen. Grössere Unternehmen sowie die Verwaltung haben in der Regel eine eigene Pensionskasse. Jeder Arbeitnehmer eines Unternehmens mit einem jährlichen Gesamteinkommen von mehr als 22'050 CHF (Stand: 2023)[5] ist obligatorisch in der Pensionskasse des Arbeitgebers versichert. Selbständigerwerbende und Arbeitnehmer, die dem Obligatorium nicht unterstellt sind, können sich freiwillig versichern. Die Bemessungsgrundlage ist der koordinierte Jahreslohn, das bedeutet der AHV-Lohn abzüglich des Koordinationsabzuges von 25'725 CHF (Stand: 2023).[5] Von diesem koordinierten Jahreslohn wird gestaffelt nach Altersjahren die Altersgutschrift prozentual vom versicherten Lohn berechnet. Für die Sparstaffel gilt:
UnfallversicherungDie obligatorische Unfallversicherung trägt die Hauptlast der Konsequenzen bei Unfall (Lohnausfall kurz- und langfristig, Heilungskosten, Hinterlassenenleistungen). Sie wird durch Leistungen der ersten Säule (Invalidenversicherung) ergänzt. Viele Branchen (u. a. Baubranche) müssen die Unfallversicherung bei der halbstaatlichen Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt SUVA abschliessen. Bei anderen Branchen können die Arbeitgeber zwischen verschiedenen Versicherungsgesellschaften auswählen. Zwischen den verschiedenen Anbietern gibt es keine Leistungsunterschiede, da die Leistungen gesetzlich definiert sind. Die Prämien waren bis Ende 2006 nach Branche geregelt (Gemeinschaftsstatistik, darauf basierende Empfehlung des Versicherungsverbandes mit staatlichem Segen), Prämienspielraum bestand nur im Rahmen des in der Prämie eingerechneten Verwaltungskostensatzes, welcher bei grossen Verträgen regelmässig um mehrere Prozentpunkte gesenkt wurde. Seit 2007 darf der Versicherungsverband keine Empfehlungen mehr abgeben, und es steht jeder Versicherungsgesellschaft frei, sich auf eigene Statistiken zu stützen und eigene Tarife anzuwenden. Nicht berufstätige Personen und Kinder müssen sich für Heilungskosten als Folge von Unfall obligatorisch bei der Krankenkasse versichern lassen. KrankentaggeldversicherungBei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zahlt die durch die Arbeitgeber freiwillig abzuschliessende Krankentagegeldversicherung den Lohnersatz, meistens während zwei Jahren, bis Leistungen aus der Invalidenversicherung (erste Säule) und der Pensionskasse (der «beruflichen Vorsorge», zweite Säule) einsetzen. FreizügigkeitGemäss dem Bundesgesetz über die obligatorische, berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) hat eine versicherte Person beim Austritt aus dem BVG-Obligatorium Anspruch auf die gesamte Austritts- bzw. Freizügigkeitsleistung. Ein Austritt kann u. a. durch folgende Situationen begründet sein: Auswanderung, Aus- oder Weiterbildung, Selbständigkeit, Mutterschaftspause, Arbeitslosigkeit oder Scheidung. In gewissen Fällen kann die Freizügigkeitsleistung bar ausbezahlt werden. Dazu zählen Auswanderung in ein Nicht-EU-Land[6] oder Geringfügigkeit (wenn die Austrittsleistung kleiner ist als der Jahresbeitrag der versicherten Person). Ist keine Auszahlung möglich oder erwünscht, wird die Freizügigkeitsleistung auf ein Freizügigkeitskonto einer Freizügigkeitseinrichtung überwiesen. Vorbezug Freizügigkeitsguthaben SelbständigkeitEin Vorbezug der Pensionskasse und Säule 3a ist möglich bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Für den Vorbezug muss man von der SVA als selbständigerwerbend erachtet werden. Dies ist nur möglich mit einem Einzelunternehmen und nicht mit einer Kapitalgesellschaft, da man sonst Angestellter dieser wäre. Der Vorbezug wird steuerlich privilegiert mit dem Satz der Kapitalbezugssteuersatz versteuert.[7] Die dritte SäuleDie dritte Säule ist eine Selbstvorsorge; mit ihr sollen individuell Vorsorgelücken aus der ersten und zweiten Säule reduziert oder geschlossen werden. Der Anreiz zu diesem privaten Sparen erfolgt durch die Steuerbefreiung der Säule 3a: Die Einzahlungen in die dritte Säule(a) können im Rahmen der gesetzlich festgelegten Maximalbeiträge vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden und reduzieren so unmittelbar das zu versteuernde Einkommen. Daneben ist auch der Kapitalzuwachs (Zinsen beim Vorsorgekonto oder die Wertsteigerung bei Wertschriftenlösungen oder Versicherungspolicen) steuerfrei. Aufgrund der steuerlichen Privilegierung gibt es gesetzlich limitierte Bezugsmöglichkeiten. Es gibt Banklösungen und Versicherungslösungen. Bei beiden Lösungen wird Geld für die Altersvorsorge gespart (Kapitaldeckungsverfahren). Im Gegensatz zur Versicherungslösung werden das Invaliditäts- und das Todesrisiko bei der Banklösung nicht abgedeckt. Bei der dritten Säule wird zwischen zwei Arten der Vorsorge unterschieden: Der gebundenen (Säule 3a), welche steuerlich privilegiert wird, und freien Vorsorge (Säule 3b), welche sich kaum vom ganz normalen Sparen unterscheidet und welche in keiner Form an die Pensionierung gebunden ist. Säule 3a: Gebundene VorsorgeDie gebundene Vorsorge (Säule 3a) ist eine Vorsorgeform,[8] deren rechtliche Details in der Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV3) geregelt werden.[9] Das in der Säule 3a gesparte Kapital ist für die Finanzierung des Alters vorgesehen und ist somit zweckgebunden. Der Gesetzgeber sieht jedoch Ausnahmen vor, um das Geld für definierte Zwecke vorzeitig zu beziehen. Die gesetzliche Verordnung BVV 3 lässt nur zwei Vorsorgeformen zu:
Gebundene Vorsorge durch BankstiftungenInnerhalb der Säule 3a bieten Banken inzwischen drei Möglichkeiten an.
Gebundene Vorsorge durch VersicherungenSchweizer Versicherungen dürfen ebenfalls Vorsorgeprodukte für die Säule 3a anbieten. Dabei unterscheiden sich die Produkte in einem wesentlichen Punkt zum Angebot der Banken. Das Versicherungsprodukt hat stets einen Versicherungsschutz integriert.
Gesetzliche Voraussetzungen und LimitierungenGrundsätzlich kann jeder die Säule 3a nutzen, der in der Schweiz AHV/IV-pflichtig erwerbstätig ist. Zusätzlich steht sie Personen offen, die Taggelder der Arbeitslosenversicherung beziehen.
Die Maximalbeträge, die jährlich eingezahlt werden dürfen, sind geprägt von der steuerlichen Abzugsfähigkeit. Der jährliche Maximalbeitrag hängt davon ab, ob die steuerpflichtige Person einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) angehört oder nicht.
Bezug der VorsorgegelderAufgrund der steuerlichen Privilegierung gibt es gesetzlich limitierte Bezugsmöglichkeiten. Man unterscheidet zwischen vorzeitigem und ordentlichem Bezug. Verstirbt der Vorsorgenehmer vor seiner ordentlichen Pensionierung, tritt eine gesetzlich geregelte Auszahlungsreihenfolge in Kraft. Vorzeitiger BezugVorzeitiger Bezug bedeutet, dass das Kapital vor der eigentlichen Pensionierung entnommen wird. Folgende Ausnahmen rechtfertigen den Vorbezug der Säule 3a:
Tod des Vorsorgenehmers vor der ordentlichen PensionierungStirbt der Inhaber der gebundenen Säule 3a, so ist das Kapital nach einer gesetzlich vorgegebenen Regelung auszuzahlen. Massgebend ist hierfür die Verordnung BVV 3.
Ordentlicher Bezug (Pensionierung)Die gebundenen Vorsorgegelder dürfen frühestens fünf Jahre vor Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters ausgezahlt werden. Spätestens bei Erreichen des AHV-Rentenalters (64 bzw. 65 Jahre) werden sie jedoch fällig. Personen, welche ihre Erwerbstätigkeit weiterführen, können den Bezug der Säule 3a bis zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit während maximal 5 Jahren bis 69, resp. 70 Jahren aufschieben. Steuerliche Behandlung bei Bezug der VorsorgegelderKapitalauszahlungen der Säule 3a (egal ob bei vorzeitigen oder ordentlichen Bezug) werden gesondert besteuert. Auf Bundesebene unterliegen sie einer vollen Jahressteuer, die zu einem Fünftel der Tarife der ordentlichen Bundessteuer berechnet wird. Kantone und Gemeinden setzen unterschiedliche Steuertarife an. Sie werden jedoch getrennt vom übrigen Einkommen mit einem reduzierten Steuertarif behandelt. Das ausgezahlte Kapital geht in privates Vermögen über. Die Erträge der Guthaben unterliegen demnach der Verrechnungssteuer und müssen bei der Steuererklärung angegeben werden. Säule 3b: Freie VorsorgeZur Säule 3b gehören Vorsorgearten, die nicht an einen Vertrag mit bestimmter Laufzeit gebunden sind, d. h. die sich der Versicherungsnehmer praktisch jederzeit auszahlen lassen oder auflösen kann. Dazu gehören vor allem Banksparkonten. Die Beiträge an die Säule 3b sind nicht steuerlich begünstigt. Fondspolicen hingegen sind nach 10 Jahren steuerbegünstigt und haben eine bestimmte Laufzeit. Vorbezüge sind aber möglich. RuhegehaltRuhegehalt erhalten in der Schweiz nur einige wenige ehemalige Mitglieder besonderer Behörden, etwa ehemalige Mitglieder des Bundesrates oder mancher Kantonsregierungen. Beamte sind in der Schweiz dem allgemeinen System der Altersversorgung angeschlossen. Als Pension wird die Rente aus der beruflichen Vorsorge bezeichnet, manchmal wird der Begriff auch allgemein für jede beliebige Form einer Altersrente verwendet (Oberbegriff). Siehe auch
Literatur
Dokumentation
Weblinks
Einzelnachweise
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