Dieter Seebach, Sohn des Altphilologen Kurt E. Seebach und seiner Frau Erika (geb. Weisert) ist am 31. Oktober 1937 in Karlsruhe geboren. Nach kriegsbedingt wechselnden Grundschulbesuchen in Karlsruhe, Annweiler (Pfalz) und Bad Dürrheim (Schwarzwald) wurde Seebach 1947 Schüler am humanistischen Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe, wo er 1956 das Abitur ablegte. Schon während der Schulzeit war er von Chemie begeistert und richtete in der ehemaligen Waschküche des Elternhauses ein Labor ein. Folgerichtig studierte Seebach Chemie an der Technischen Hochschule Karlsruhe (heute KIT) und wurde dort 1964 mit einer Arbeit über Peroxide des 2,5-Dihydrofurans bei Rudolf Criegee promoviert.[1] Im Anschluss verbrachte er zwei Jahre an der Harvard University als Postdoktorand beim späteren Nobelpreisträger Elias James Corey und als Lecturer. 1967 kehrte er nach Karlsruhe zurück und habilitierte sich dort 1969 mit einer Arbeit über Schwefel- und Selen-stabilisierte Carbanionen und Carbene. 1971 wurde er an die Justus-Liebig-Universität in Gießen berufen; 1977 wechselte er auf eine Professur für Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (Nachfolge von Vladimir Prelog). 2003 wurde er emeritiert. Seebach war mit Ingeborg R. Seebach (geb. Reichling) verheiratet, ist seit 2006 Witwer und hat drei Kinder (Jörg, Petra und Lutz) sowie acht Enkel.
Seine Arbeit konzentriert sich auf die Entwicklung von neuen Synthesemethoden, die Herstellung und Strukturuntersuchung von β-Peptiden;[2] die Synthese von Oligomeren in (R)-3-Hydroxybuttersäure und die zugehörigen Biopolymere (PHB) ebenso wie ihre Anwendungsmöglichkeiten;[3][4] die Synthese von enantiomerenreinen Dendrimeren und die Verwendung von chiralen Titanaten in der organischen Synthese. Bekannt ist er auch durch seine Entwicklung des Konzepts der Umpolung, so realisiert bei der Corey-Seebach-Reaktion.[5]
Aus Weinsäure synthetisierte Seebach erstmals TADDOLe, die in der modernen enantioselektiven Synthese als vielseitige chirale Hilfsstoffe, Übergangsmetall-Liganden und Brønsted-Säuren eingesetzt werden[6] und heute kommerziell verfügbar sind. Die TADDOLe sind auch als Seebach-Hilfsstoffe bekannt. Das Prinzip der «Selbstregeneration von Stereozentren» (Beispiel Fráter-Seebach-Alkylierung[7][8])[9] ist auch nach ihm benannt. Die «Erfindung der β-Peptide»[10][11] geht ebenfalls auf Seebachs Forschungen zurück.
Neben der Entwicklung von Synthesemethoden stehen zugehörige mechanistische Arbeiten: z. B. die Re/Si-Nomenklatur und Topizitätsregeln für die Vereinigung trigonaler Zentren, die Struktur und Reaktivität von Li-Verbindungen,[12] oder die Mechanismen der organokatalytischen Reaktionen mit Prolin, dem Hayashi-Jorgensen- und dem MacMillan-Katalysator.
Seebach veröffentlichte eine in der experimentellen Organischen Chemie herausragende Anzahl von 821 wissenschaftliche Arbeiten. Mit einem h-Index von 114 (Stand 2021) zählt er zu den herausragendsten synthetischen Organikern unserer Zeit.
Ausgewählte Arbeiten
Dissertation: 2.5 [Zwei fünf]-Dihydro-Furan-Peroxyde, Karlsruhe, Technische Hochschule für Natur- u. Geisteswissenschaften, 1964
Habilitation: Metallierte ortho-Trithioameisensäureester : Nachweis v. freien Bis(arylthio)-carbenen in Lösung Selen-stabilisierter Carbanionen, Karlsruhe, Technische Hochschule für Natur- u. Geisteswissenschaften, 1969
Organic Synthesis. Where now ?, Angewandte Chemie, Intern. Edition, Band 29, 1990, S. 1320–1367
Mit Andreas Brunner, Beat Bachmann, Torsten Hoffmann, Florian Kühnle, Urs Lengweiler: Biopolymers and -oligomers of (R)-3-Hydroxyalkanoic acids : contributions of synthetic organic chemists, Berlin : Ernst Schering Research Foundation, Lecture Nr. 28, 1995, S. 7–98
TADDOLs – from Enantioselective Catalysis to Dendritic Cross Linkers to Cholesteric Liquid Crystals, Chimia, Band 54, 2000, S. 60–62
Mit Albert K. Beck, Alexander Heckel: TADDOLe, ihre Derivate und Analoga – vielseitige chirale Hilfsstoffe, Angewandte Chemie, Internat. Edition, Band 40, 2001, S. 92–138
Forschung – eine Fahrt ins Blaue, Chimia, Band 54, 2000, S. 751–758
Literatur
Dieter Enders: Laudatio for Professor Dr. Dieter Seebach, in: Synthesis, Band 14, 2002 (Special issue dedicated to Dieter Seebach), Digitalisat der ersten Seite
Albert K. Beck: A life for organic synthesis: Dieter Seebach at 65, Chimia, Band 56, 2002, S. 576–583
David F. Hook: Celebrating Dieter Seebach’s Contributions to Science: A Bitter Sweet Occasion?, Frontiers in Chemistry: The Spring Meeting 2004 of the Swiss Chemical Society, March 26 2004, ETH Hönggerberg, Zürich, in: Chimia, Band 58, Heft 5, 2004, S. 321–324.
↑Dieter Seebach, Monica G. Fritz: Detection, synthesis, structure, and function of oligo(3-hydroxyalkanoates): Contributions by synthetic organic chemists, International Journal of Biological Macromolecules, 25 (1999), S. 217–236.
↑Hans-Martin Müller, Dieter Seebach: Poly(hydroxyfettsäureester), eine fünfte Klasse von physiologisch bedeutsamen organischen Biopolymeren?, Angewandte Chemie 105 (1993), S. 483–658.
↑Dieter Seebach: Methoden der Reaktivitätsumpolung, Angewandte Chemie 91 (1979), S. 259–278.
↑Dieter Seebach, Albert K. Beck, Alexander Heckel: TADDOLe, ihre Derivate und Analoga – vielseitige chirale Hilfsstoffe, Angewandte Chemie, 113 (2001), S. 96–142.
↑Dieter Seebach, Daniel Wasmuth: Herstellung von erythro‐2‐Hydroxybernsteinsäure‐Derivaten aus Äpfelsäureester. Vorläufige Mitteilung. In: Helvetica Chimica Acta. Band63, Nr.17, 1980, S.197–200, doi:10.1002/hlca.19800630118.
↑Bradford P. Mundy, Michael G. Ellerd, Frank G. Favaloro: Name reactions and reagents in organic synthesis. 2. Auflage. John Wiley & Sons, New Jersey 2005, ISBN 0-471-22854-0, S.252–253.
↑Dieter Seebach, Andrea R. Sting, Matthias Hoffmann: Die Selbstregeneration von Stereozentren (SRS) – Anwendungen, Grenzen und Preisgabe eines Syntheseprinzips, Angewandte Chemie 108 (1996), S. 2880–2921.
↑Hook, David F.: Celebrating Dieter Seebach's Contributions to Science: A Bitter Sweet Occasion? In: Chimia. 58. Jahrgang, Nr.2, 2004, S.321–324, doi:10.2533/000942904777677876.
↑Dieter Seebach and Jennifer L. Matthews: β-Peptides: a surprise at every turn. In: Chem. Commun.Nr.21, 1997, S.2015–2022, doi:10.1039/a704933a.
↑Dieter Seebach: Struktur und Reaktivität von Lithiumenolaten, vom Pinakolon zur selektiven C-Alkylierung von Peptiden – Schwierigkeiten und Möglichkeiten durch komplexe Strukturen, Angewandte Chemie, 100 (1988), S. 1685–1715.