Die Deutsche Tibet-Expedition 1938/39 führte nach Zentraltibet. Sie wurde von dem deutschen Zoologen Ernst Schäfer geleitet und von der SS-Organisation Ahnenerbe sowie von Heinrich Himmler gefördert. Zu den Zielen der Expedition gehörte die Suche nach kälteresistenten Getreidearten und einer robusten Pferderasse für die deutsche Kriegswirtschaft sowie nach Indizien für die Hypothese, in der Abgeschiedenheit des Himalaya hätten sich Reste ur-arischer Populationen erhalten.
Im April 1938 brachen Schäfer und vier Begleiter von Genua aus in den Himalaya auf. Anfang 1939 erreichten sie als erste Deutsche die „verbotene Stadt“ Lhasa, wo sie sich für zwei Monate aufhielten und erste diplomatische Kontakte zwischen dem Deutschen Reich und Tibet knüpften. Im weiteren Expeditionsverlauf mit sechs Monaten Aufenthalt in Sikkim[1] dokumentierten sie die Tier- und Pflanzenwelt des Himalaya und sammelten Materialien und Daten über die tibetische Bevölkerung. Der vom SS-Rasse- und Siedlungshauptamt für die Expedition abgestellte AnthropologeBruno Begervermaß die Schädel von Angehörigen verschiedener Völker in Tibet für seine rassekundlichen Forschungen und hoffte, auf diese Weise Hinweise auf die Ursprünge der „arischen Rasse“ zu finden.
Nach seiner Rückkehr im August 1939 veröffentlichte Schäfer eine Reihe von Beiträgen mit zumeist landeskundlichem Schwerpunkt. Im Mittelpunkt der naturwissenschaftlichen Berichterstattung über die Expedition stand die vermeintliche Entdeckung des jedoch schon bekannten, so genannten „Schapi“ (Hemitragus jemlahicus), während die anthropometrischen Untersuchungen in den Hintergrund traten.
Das umfangreiche Filmmaterial der Expedition[3] wurde für den 1943 uraufgeführten Film Geheimnis Tibet verwendet, der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als „jugendwert sowie staatspolitisch, kulturell und künstlerisch wertvoll“[4] eingestuft wurde. Die Expedition wurde dabei als Paradebeispiel nationalsozialistischer Wissenschaftsarbeit dargestellt. Beim Publikum fand der Film begeisterte Aufnahme und trug damit „zur bewußten Politisierung der deutschen Bevölkerung durch die Illustration deutschen Kampfgeistes in der ästhetischen und eindrucksvollen Bergwelt des höchsten Gebirges der Welt“ (Mierau)[5] bei.
Eine aus Metall des Chinga-Meteoriten angefertigte Statue wurde 2012 in den populären Medien den mitgebrachten historischen Artefakten zugeordnet. Ob diese Statue tatsächlich von Ernst Schäfer, der bei seiner Expedition alles sorgfältig dokumentierte, nach Deutschland gebracht wurde, bleibt allerdings zweifelhaft. „Es gibt eine sehr genau geführte Liste mit Datum, Ort und Wert der gekauften Objekte“ erklärte die Historikerin Isrun Engelhardt, die sich intensiv mit der Schäfer-Expedition beschäftigt hat. In dieser Liste sind einige Statuen aufgeführt, aber keine der Beschreibungen passt zu der oben erwähnten Buddhastatue. Zudem sind die Form von Hose und Schuhwerk, der einzelne Ohrring und auch der Bart des Mannes untypisch. Experten vermuten eine Entstehung zwischen 1910 und 1970.[6][7]
Literatur
Peter Mierau: Nationalsozialistische Expeditionspolitik. Deutsche Asien-Expeditionen 1933–1945. Utz, München 2006, ISBN 3-8316-0409-6, (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 1), (Zugleich: München, Univ., Diss., 2003), (Leseprobe, Utzverlag, pdf (div. Kapitel); Karsten Jedlitschka: Rezension. In: H-Soz-u-Kult vom 14. Dezember 2006).
Wolfgang Kaufmann: Das Dritte Reich und Tibet. Die Heimat des „östlichen Hakenkreuzes“ im Blickfeld der Nationalsozialisten. 2., korrigierte und ergänzte Auflage. Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2010, ISBN 978-3-933022-58-5 (mit ausführlicher Schilderung der Expedition und der Vorgänge davor und danach)
Peter Meier-Hüsing: Nazis in Tibet – Das Rätsel um die SS-Expedition Ernst Schäfer, Theiss 2017, ISBN 978-3806234381
↑Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. 4. Auflage. Oldenbourg, München 2006, ISBN 978-3-486-57950-5. S. 214
↑Filmübersicht des Filmarchivs im Bundesarchiv, Magazinnummer 10212, Eingangsnummer BMI 1033, hier zitiert nach Mierau, Nationalsozialistische Expeditionspolitik, S. 433.
↑Mierau, Nationalsozialistische Expeditionspolitik, S. 523.