Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten![]() Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten ist der Titel einer Studie, in welcher der Psychoanalytiker Sigmund Freud 1905 die Funktionsweise und Bedeutung des Witzes untersuchte. Freud präsentiert frühere Untersuchungen, um dann an konkreten Beispielen spezifische Merkmale des Witzes mit seiner Theorie der Psychodynamik zu verbinden. Die Studie gilt als Schlüsselwerk der Psychoanalyse und Witzforschung. InhaltFreud fasst in einem Aufsatz von 1927 die zentrale Aussage seiner Witz-Analyse wie folgt zusammen:
Freud sah im Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn (der »ökonomische Gesichtspunkt«). Der Lustgewinn beruhe auf einer kurzzeitigen Lockerung von Verdrängungen. Durch die Solidarisierung mit Gleichgesinnten wirke der Witz gegen Autoritäten, gegen den Sinn oder auch gegen Andersdenkende. Die Gültigkeit von Freuds Argumentation hängt stark von seinem Modell der Psyche ab. AufbauEinleitungIn der Einleitung referiert Freud die Ansätze, die zu einer psychologischen oder philosophischen Analyse des Witzes schon bestehen, insbesondere Arbeiten von Jean Paul und Theodor Lipps. Diese Ansätze seien jedoch verstreute Glieder, bilanziert Freud, die er zu einem »organisch Ganzen zusammengefügt sehen möchte«.[2] Dabei werde er sich aber auf dieselben Beispiele beziehen, mit denen auch seine Vorgänger gearbeitet haben. Analytischer Teil: Technik und Tendenz des WitzesIn diesem Kapitel untersucht Freud die Technik des Witzes und die Tendenzen des Witzes. Dabei verzichtet er auf psychoanalytische Begrifflichkeit, er »inszeniert seinen Text als Erkenntnisprozess, in den er die Lesenden hineinlockt«.[3] Zentrale technische Aspekte sind die Verdichtung (etwa im Zusammenzug von Wörtern, wenn »familiär« und »Millionär« zu »famillionär« zusammengezogen wird), die Verwendung von identischem (Wort-)Material und dem Doppelsinn bei Wortspielen.[4] Die »Witzarbeit«, so Freud, bediene sich in einer »Abweichung vom normalen Denken, der Verschiebung und des Widersinns«.[5] Diese Techniken entsprechen den von Freud beschriebenen Mechanismen der Traumarbeit: Auch im Traum nimmt die Psyche Verschiebungen vor, indem etwa ein Wunsch durch sein Gegenteil repräsentiert wird. In einem weiteren Abschnitt untersucht Freud, worauf sich der Witz richtet. Er unterscheidet als Haupttendenzen die Lust und die Aggression. Die Rolle des Witzes in Bezug auf diese Absichten beschreibt Freud wie folgt:
– Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Leipzig und Wien, Franz Deuticke, 1905, S. 83. Das konkrete Hindernis könnte eine Hemmung sein, sexuelle oder aggressive Triebe auszuleben. Der Witz baut diese Hemmung kurzzeitig ab und wirkt deshalb lustvoll beziehungsweise lustig. Welcher Anteil seiner Kraft der Witz aus seiner Tendenz respektive seiner Technik bezieht, ist für Freud unklar.[6] Synthetischer TeilHier untersucht Freud den Lustmechanismus und die Psychogenese des Witzes sowie die Motive des Witzes und den Witz als sozialen Vorgang. Freud führt aus, dass der Witz seinen Lustgewinn daraus beziehe, dass eine Hemmung nicht mehr aufrechterhalten werden müsse. Daraus leitet Freud eine Erklärung dafür ab, weshalb die erzählende Person über den eigenen Witz nicht lachen kann: Sie muss für die Witzarbeit die psychische Energie aufwenden, die durch den Wegfall der Hemmung gewonnen wird.[7] Dabei ist auch entscheidend, dass der Witz eine Ablenkung der Aufmerksamkeit erfordert: Ein Witz, bei dem die Pointe durch eine korrekte Aufmerksamkeitssteuerung erahnbar ist, kann keine Wirkung entfalten. Theoretischer TeilIm abschließenden Kapitel zeigt Freud die Beziehung des Witzes zum Traum und zum Unbewussten auf. Dabei geht Freud von folgender Annahme aus:
– Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Leipzig und Wien, Franz Deuticke, 1905, S. 141. Das Individuum kann zum psychischen Zustand des Kindes zurückkehren, in dem die Zwänge der Realität geringer waren. Ein Beleg dafür ist für Freud die Tatsache, dass Kinder keine Witzarbeit leisten. Abschließend analysiert Freud die Komik und den Humor allgemeiner. Er schließt mit einer Zusammenfassung seiner Studie:
– Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Leipzig und Wien, Franz Deuticke, 1905, S. 204f. Argumentative StrukturDie Gliederung des Buches entspricht nicht der argumentativen Logik, wie Carl Pietcker herausgearbeitet hat.[8] Freud betrachtet den Witz unter folgenden Aspekten:
Empirische ÜberprüfungIn einem Aufsatz von 1971[9] hat George W. Kelling aus der Arbeit von Freud vier Thesen abgeleitet, die er empirisch überprüft hat. Dabei ließ er Cartoons von Probandinnen und Probanden bewerten.[10]
Mit Ausnahme der vierten Hypothese sprachen die Daten für die Gültigkeit dieser Behauptungen. So scheint es möglich, aus Freuds Theorie Voraussagen abzuleiten, welche sich belegen lassen. Damit ist Freuds Theorie nicht bestätigt, insbesondere die Annahmen in Bezug auf den psychischen Apparat lassen sich nicht empirisch belegen.[11] Es dürfte jedoch naheliegend sein, die erste These in Freuds Argumentation damit zu begründen, dass »der zunächst zu leistende Verdrängungsaufwand der größte«[10] sei. Annie HallIn seinem Film Der Stadtneurotiker (OT: Annie Hall) von 1977 bezieht sich Woody Allen mehrmals auf Freuds Schrift. Die Hauptfigur erzählt unter explizitem Verweis auf Freud mehrere Witze im Film; auch die Psychoanalyse selbst, die in den USA in den 1970er-Jahren äußerst populär war, wird im Film erwähnt und ironisch kommentiert. Weblinks
Einzelnachweise
Primärtext
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