Common GroundCommon Ground und Grounding ist eine Annahme, die einigen Diskursmodellen der Sprachwissenschaft und Kommunikationstheorie unterliegt und die im Wesentlichen von Herbert H. Clark und Edward F. Schaefer (1989) geprägt wurde. Auch in der Sprachphilosophie spielt der Common Ground, besonders nach dem Modell von Robert Stalnaker, eine wichtige Rolle.[1] Es ist die Annahme über einen abstrakten gemeinsamen „Wissensraum“, der zwischen Kommunikationspartnern besteht. Grundannahmen
TheorieAnnahmen / PresuppositionsDie grundlegende Idee hinter Clarks und Schaefers Diskursmodell Contributing to Discourse[2][3] ist Common Ground. Zu jedem Zeitpunkt eines Diskurses macht jeder Diskursteilnehmer Annahmen (sogenannte presuppositions) über das Wissen, das die anderen Diskursteilnehmer und auch er selbst über das Diskursthema haben. Common Ground beschreibt das gemeinsame Wissen – also die gemeinsame Wissensbasis aller Diskursteilnehmer – und wird vom Sprecher als Hintergrundinformation vorausgesetzt. Jeder Diskursteilnehmer macht seine eigenen Annahmen über das Wissen, das er als gemeinsam voraussetzt, wobei seinen Annahmen auch die Annahme angehört, dass die anderen dieselben Annahmen über den Common Ground machen. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass alle Gesprächsteilnehmer permanent Vermutungen über das Hintergrundwissen aller Beteiligten anstellen. UpdateMit Voranschreiten des Diskurses können vorher gemachte Annahmen entweder bestätigt oder zerstört werden, was bedeutet, dass der Common Ground aktualisiert wird (Update). Dabei wächst der Common Ground beständig, da selbst zerstörte Annahmen nun Teil des gemeinsamen Wissens sind. Annahmen bestätigenUm Annahmen bestätigen zu können, müssen sich die Diskursteilnehmer gegenseitig mitteilen, dass sie eine Äußerung richtig verstanden haben und dass es keine Missverständnisse gibt. Dies kann geschehen über verschieden stark ausgeprägte Formen von Akzeptanz (acceptance) der gemachten Äußerung, was sich in Hinweisen zum Verstehen der gegenwärtigen Aussage äußert. Annahmen zerstörenStellt sich heraus, dass es Verständigungsprobleme gibt, weil unterschiedliche Annahmen über den Common Ground gemacht wurden, so werden diese Missverständnisse ausgeräumt und das neue Wissen, inklusive des Wissens über das Missverständnis, im Common Ground gespeichert. Beispiele
A macht einige Annahmen über den Common Ground, z. B., dass B weiß, von welcher Aufgabe A spricht, dass B die Lösung für die Aufgabe kennt und auch, dass B bereit ist, die Lösung der Aufgabe an A weiterzugeben usw.
Diese Aussage beinhaltet unter anderem die Annahmen, dass A davon ausgeht, dass eigentlich jeder weiß, wer Johnny Depp ist, aber auch, dass A nicht geglaubt habe, dass sein Vater wisse, wer Johnny Depp ist. AnwendungDie Idee des Groundings findet in vielen Diskursmodellen in unterschiedlichen Bereichen Anwendung, z. B. in der Kommunikationswissenschaft,[4] Kognitionswissenschaft,[5] Linguistik[6] und Informatik[7][8][9]. Auch wenn die Theorie selbst häufig Kritik ausgesetzt ist, wird sie in ihrem Grundgedanken oft übernommen oder zumindest miteinbezogen und gegebenenfalls ausgebaut. KritikDie Idee des Common Ground als eine Art mentale Repräsentation ist ein übliches Missverständnis. Wenn Common Ground so betrachtet wird, kann er nicht empirisch untersucht oder mit einem Maß gemessen werden. Da es sich um eine mentale Abstraktion handeln würde, die für niemand anderen zugänglich oder einsehbar ist, wird die Verwendbarkeit dieser Theorie für die Forschung oft in Frage gestellt.[10] Häufig wird Common Ground in der Forschung deshalb anders verstanden: Der Begriff dient in diesem Kontext als physikalische Metapher, die das Reden über mögliche Referenten vereinfacht. Z. B. ist es einfacher über die Person zu reden, die zur Zeit in der Stelle für Herren steht, als über die zur Zeit durch „er“ verweisbare Person. Die verweiste Person steht nicht visuell auf einer Stelle für Herren und sie ist auch nicht mental auf dieser Stelle. „Etwas vor uns auf den Boden zu stellen oder zu sehen“ wäre einfach eine metaphorische Weise, wie man das Reden über Referenzen vereinfachen kann. Das heißt nicht, dass jeder wissen muss, was der andere weiß (Endlosschleifen im Spiegelsaal), und das heißt auch nicht, dass jeder eine mentale Repräsentation dieses metaphorischen Bodens bauen muss, um die Sprache zu verstehen. In Erwiderung auf die Kritik, die einem Missverständnis der Metapher entsprang, wird in einigen neueren Modellen versucht, die Perspektive der einzelnen Kommunikationspartner zu berücksichtigen, die aufgrund der doppelten Kontingenz nicht wirklich wissen können, was der jeweils andere gerade weiß.[11] Ein weiterer Kritikpunkt kommt aus den Reihen der Linguistik und der Kognitionswissenschaften: Sie machen Clark den Vorwurf, dass ein kognitiver Prozess, der permanent den Common Ground eines Diskursteilnehmers „berechnen“ muss, vom Gehirn nicht zu leisten sei, da es sich um einen rekursiven Prozess immer höherer Ordnung handle.[12] Konkret wird hierbei bemängelt, es gebe keinen Punkt, an dem eine Gedankenkette wie „A vermutet, dass B weiß, dass X; und A vermutet auch, dass B denkt, dass A glaubt, B wisse X; usw.“ zum Stoppen kommt, ohne dass sich endliche Grenzwerte ausbilden. Stattdessen wendet die Kritik ein, der kognitive Prozess ufere zwangsläufig aus, ähnlich wie die möglichen Züge bei einem Schachspiel. In späteren Werken[13] erkannte Clark diesen Kritikpunkt an, verteidigte seine Theorie aber mit dem Standpunkt, dass das Wissen der Diskursteilnehmer über Common Ground selbst ausreiche, um erfolgreiche Konversation zu machen. Er nimmt demnach selbst Abstand von der Vorstellung, dass die getroffenen Annahmen tatsächlich mental repräsentiert werden (im Sinne einer theoretisch unendlichen Gedankenkette „A weiß, dass B weiß, dass A weiß, das B weiß, …“). Gleichzeitig hält er aber weiterhin an der Idee fest, der Common Ground bilde eine Vorstellung über die Wissensbasis, die die Diskursteilnehmer unbewusst als gegeben voraussetzen. Siehe auchWikiversity: Kurs:CSCL/Common Ground – Kursmaterialien
Einzelnachweise
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