Chas W. FreemanCharles „Chas“ W. Freeman Jr. (* 2. März 1943 in Washington, D.C.) ist ein US-amerikanischer Diplomat. Als Karrierediplomat organisierte Freeman u. a. die Reise des US-Präsidenten Richard Nixon nach China im Jahr 1972, durch die die diplomatischen Beziehungen beider Länder begründet wurde, und amtierte als Botschafter der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien (1990–1992). Leben und TätigkeitFrühe JahreFreeman war ein Sohn des Unternehmers Charles Wellman Freeman und seiner Ehefrau Carla Elizabeth, geb. Park. Die Mutter starb als er erst neun Jahre alt war. Den Großteil seiner Kindheit verbrachte Freeman in Nassau auf den Bahamas, wo er die St. Andrew's School besuchte. 1956 wurde er zu seiner weiteren Erziehung in das Internat Milton Academy in Massachusetts gegeben. Ab 1960 studierte Freeman an der Yale University, die er 1963 mit einem vorzeitigen Abschluss mit dem Prädikat magna cum laude verließ. Anschließend begann er juristische Studien an der Harvard Law School. Diese brach er 1965, im zweiten Studienjahr, ab, um stattdessen in den Auswärtigen Dienst der Vereinigten Staaten einzutreten. Seine juristischen Abschluss an der Harvard-Universität holt er neun Jahre später nach. Karriere im Auswärtigen Dienst der Vereinigten Staaten (1965–1992)Nach dem Eintritt in den amerikanischen Auswärtigen Dienst (United States Foreign Service) wurde Freeman zunächst als Hilfskraft in Indien und Taiwan verwendet. Seinem Beruf entsprechend ist er poliglott, so dass er Chinesisch, Französisch, Spanisch und Arabisch fließend spricht und zudem Grundlagenkenntnisse in weiteren Sprachen besitzt. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurde Freeman in das US-Außenministerium, das State Department, versetzt, in dem er der Abteilung für China („China desk“) zugeteilt wurde. Als die Regierung von Richard Nixon sich 1972 entschloss, diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufzunehmen – offizielle Beziehungen zwischen beiden Ländern hatten seit der Gründung der Volksrepublik 1949 nicht bestanden –, und mit der chinesischen Staatsführung vereinbarte, dass der US-Präsident Nixon als symbolischen Akt zur sichtbaren offiziellen Initiierung dieser Beziehungen eine Reise nach China unternehmen würde, wurde Freeman als leitender Beamter der Chinaabteilung des State Department mit der organisatorischen Vorbereitung dieser Reise betraut. An der Reise selbst nahm Freeman als Hauptübersetzer der amerikanischen Delegation teil. Es fiel ihm dabei zu, als Übersetzer zwischen Nixon und dem chinesischen Staatschef Mao Zedong sowie führenden chinesischen Persönlichkeiten wie Zhou Enlai zu fungieren. In späteren Jahren wurde Freeman stellvertretender Direktor (Deputy Director) der Abteilung des State Department für die Republik China, d. h. Taiwan. Zu dieser Zeit wurde Freeman vom State Department beurlaubt, um seine juristischen Studien an der Harvard University zum Abschluss zu bringen. Die zu dieser Zeit von ihm unternommene Forschungsarbeit wird weithin als die intellektuelle Grundlage für den im April 1979 nach Vorarbeiten des State Department vom Kongress erlassenen Taiwan Relations Act, der die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Taiwan im Gefolge der Anerkennung der Volksrepublik China (bis 1972 war Taiwan von den USA offiziell als chinesischer Staat betrachtet worden) neu regelte. In den 1980er Jahren wurde Freeman als Geschäftsführer und stellvertretender Missionsleiter bei der amerikanischen Botschaft in Peking und an der amerikanischen Botschaft in Bangkok verwendet. 1986 wurde Freeman zum stellvertretenden Unterstaatssekretär für Afrikaangelegenheiten (Deputy Assistant Secretary of State for African Affairs). In dieser Stellung war er an den Verhandlungen über den Abzug kubanischer Truppen aus Angola und die Unabhängigkeit von Namibia beteiligt. Im November 1989 wurde Freeman von Präsident George Bush zum Botschafter der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien ernannt, wo er auf Walter L. Cutler folgte. In dieser Stellung fiel ihm die Pflege der diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Königreich im Vorfeld und während des Golfkrieges von 1991, den die USA u. a. aus Sorge um die Sicherheit von Saudi-Arabien als einem ihrer Schlüsselverbündeten in der Region führten, zu. Im August 1992 schied Freeman aus dem diplomatischen Dienst aus. Für die Leistungen, die er während seiner knapp 30-jährigen Laufbahn erbrachte, wurde er mit einer Reihe staatlicher Auszeichnungen bedacht: Er erhielt den Distinguished Public Service Award (zweimal), den Presidential meritorious Service Award (dreimal), den Distinguished Honor Award (zweimal), die CIA Medaillon, den Defense Meritorious Service Award, und den Superior Honor Award. Weitere Laufbahn (1993–2024)In der 1993 antretenden Regierung von Bill Clinton wurde Freeman zum Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten (Assistant Secretary of Defense) mit Zuständigkeit für Internationale Sicherheitsfragen (International Security Affairs) ernannt. Diese Stellung behielt er bis 1994. Sein Nachfolger wurde Joseph Nye. 1994 wechselte Freeman mit dem Rang eines „Distinguished Fellow“ an das United States Institute of Peace. 1995 ging er in die Privatwirtschaft: Er wurde Vorsitzender des Vorstands der Firma Projects International, einem Unternehmen, das sich der Vermittlung von internationalen Geschäftsabschlüssen widmet. Daneben gehörte er den Vorständen bzw. Aufsichtsräten und Beiräten diverser Firmen und Organisationen an. Unter anderem saß er von 2004 bis 2008 im Internationalen Beirat der China National Offshore Oil Corporation, einem Staatskonzern, der sich mit der Erschließung von Ölreserven in den Gewässern vor den Küsten Chinas befasst. 1997 übernahm Freeman in der Nachfolge von George McGovern das Amt des Präsidenten des Middle East Policy Council (MEPC), das sich der Aufgabe widmet, die Beziehungen der USA zu den arabischen Ländern zu pflegen bzw. das Verständnis für und die Umsetzung von amerikanischen Interessen im arabischen Raum zu fördern. Seit den 1990er Jahren hat Freeman zwei Büchern über das Diplomatenhandwerk und Außenpolitik verfasst: Arts of Power. Statecraft and Diplomacy, das 1997 erschien und The Diplomat's Dictionary. Außerdem hatte er den Eintrag „Diplomacy“ für die Encyclopædia Britannica redaktionell betreut. In späteren Jahren hat er drei Werke über die amerikanische Außenpolitik im Mittleren Osten bzw. in China veröffentlicht: America's Misadventures in the Middle East (2010) und America's Continuing Misadventure in the Middle East (2016) befassen sich mit der amerikanischen Invasion des Iraks im Jahr 2003 und den destabilisierungen Weiterungen, die sich aus dieser für die gesamte Region nach Freemans Ansicht ergaben. Interesting Times. China, America, and the Shifting Balance of Prestige (2013) liefert demgegenüber eine Analyse der sino-amerikanischen Beziehungen von 1969 bis 2012, verbunden mit den persönlichen Voraussagen des Autors über die zukünftigen Entwicklungen auf diesem Gebiet. Kontroverse um Freemanns Nominierung als Vorsitzender des Nationalen Rates für Nachrichtendienstliche FragenNach der Bildung der Regierung Obama im Januar 2009 wurde Freeman am 26. Februar 2009 von Dennis C. Blair, dem Director of National Intelligence in der neuen Regierung, für das Amt des Vorsitzenden des National Intelligence Council, dem Nationalen Rat der Vereinigten Staaten für Nachrichtendienstliche Fragen, nominiert. Blair bezeichnete Freeman für das Amt als besonders geeignet aufgrund seines vielschichtigen Vorlebens in den Arbeitsgebieten Verteidigung, Diplomatie und Nachrichtenwesen. Die Nominierung rief scharfe Widerstände bei einer Anzahl von Gruppen hervor, die im politischen Leben der amerikanischen Hauptstadt über starken Einfluss verfügen: So kritisierte die Lobbyorganisation American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) Freeman aufgrund seiner angeblich ausnehmend engen Beziehungen zum saudi-arabischen Außenministerium und seiner distanzierten Einstellung zum Staat Israel. Die Zionist Organization of America rief sogar ausdrücklich dazu auf, die Nominierung von Freeman zu widerrufen.[1] Die sieben Vertreter der Republikanischen Partei im Senatsausschuss für Nachrichtendienstliche Fragen (Senate Select Committee on Intelligence) verfassten einen gemeinsamen Brief, in dem sie Bedenken wegen Freemans angeblichem Mangel an Erfahrung für den Posten, für den er ins Auge gefasst wurde, sowie Zweifel an seiner Objektivität geltend machten[2], während der demokratische Kongressabgeordnete Steve Israel auf die angeblich „voreingenommenen öffentlichen Äußerungen“ (prejudicial public statements) von Freeman über den Staat Israel verwies.[3] 87 chinesische Dissidenten richteten eine gemeinsame Erklärung an den US-Präsidenten Obama, in der sie diesen aufforderte, die Ernennung noch einmal zu überdenken.[4] In der Presse wurde weithin angenommen, dass die Senatoren und Kongressabgeordneten, die sich gegen die Ernennung Freemans aussprachen, zu ihrer Haltung durch die israelische Lobby in Washington veranlasst worden waren.[5][6] Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, soll Berichten zufolge auf den neuen Präsidenten Obama eingedrungen sein, auf eine Ernennung Freemans zu verzichten, wobei sie ihre Haltung mit Äußerungen Freemans über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 gerechtfertigt haben soll. Angeblich soll Pelosi die betreffenden Äußerungen des Diplomaten als eine Rechtfertigung des Vorgangs gewertet haben. Freeman reagierte auf die entsprechenden Berichte, indem er öffentlich feststellte, dass es sich bei den fraglichen Äußerungen von ihm nicht um seine eigene Meinung gehandelt habe, sondern darum darzustellen, wie die chinesische Führung das Ereignis, nach seiner Einschätzung als langjähriger Beobachter der politischen Verhältnisse in China, betrachtet hätte.[7] Am 10. März 2009 erklärte Freeman, dass er bitte, von der Inaussichtnahme seiner Person für den Posten des Vorsitzenden des Rates für Nachrichtenfragen Abstand zu nehmen. Er begründete dies damait, dass selbst wenn es gelingen sollte, seine Nominierung gegen die opponierenden Kräfte durchzusetzen, die Angriffe auf seine Person derart schwer seien, dass seine Befähigung das Amt angemessen zu versehen im Ergebnis bereits irreparabel torpediert worden sei. In späteren Statements präzisierte er, dass er ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Gremiums für unmöglich gehalten habe, wenn sein Vorsitzender unablässig leidenschaftlichen Angriffen von Aparatschiks ausgesetzt wäre, deren Loyalitäten den Zielen einer bestimmten „politischen Fraktion in einem fremden Land“ (the views of a political faction in a foreign country) gehören würden, wobei er das letztere als Israel identifizierte. In einer öffentlichen Erklärung wertete er die Intervention der Israellobby gegen seine Nominierung als Anzeichen, das die Befähigung der US-Regierung unabhängige Entscheidungen zu treffen durch die Macht der in Washington operierenden Lobbygruppen massiv gefährdet sei:
In einem Interview mit Robert Dreyfus über die Affäre in dem Magazin The Nation führte Freeman aus, dass er es rückblickend bereue, nicht die „rechtsgerichtete Likud-Partei und ihre fanatischen Unterstützer [in unserem Land]“, die man auch die „[Avigdor] Lieberman Lobby [damaliger israelischer Premier]“ nennen könnte, als die Urheber der Angriffe auf seine Person identifiziert zu haben. Zugleich wiederholte er seine Warnung, dass die Affäre emblematisch dafür stehe, wie durch Angriffe auf Personen wie ihn versucht werde, Kritiker des Staates Israel davon abzubringen hohe Regierungsposten zu übernehmen. Als positives Zeichen machte er geltend, dass er von einer Anzahl Amerikaner jüdischen Glaubens, die die Politik Israels ablehnen würden, nach der Verhinderung seiner Ernennung, lobende Zuschriften aufgrund seiner Haltung erhalten habe.[9] Öffentliche PositionierungenIn den 2000ern positionierte Freeman sich öffentlich gegen den Angriffskrieg der Vereinigten Staaten gegen den Irak. Er argumentierte, dass der Krieg die 2001 begonnene Intervention gegen den islamischen Terrorismus, die legitim gewesen sei, und von den meisten Moslems gutgeheißen worden sei, in den Augen der meisten Einwohner der islamischen Länder in einen allgemeinen Krieg des Westens gegen den Islam als Religion transformiert und so zu einem ungewinnbaren Unterfangen gemacht habe. 2004 gehörte er zu einer Gruppe von 27 pensionierten Diplomaten und Offizieren, die der amtierenden Regierung von George W. Bush in einer öffentlichen Erklärung vorwarfen, die Komplexitäten der gegenwärtigen Welt nicht zu verstehen und dass sie unfähig sei, den großen Verantwortungslasten, die sich aus der globalen Führungsstellung der Vereinigten Staaten ergeben würden, gerecht zu werden, woraus sich für die Diplomaten und Offiziere die Folgerung ergab, dass eine Wiederwahl von George W. Bush zum US-Präsidenten bei der in diesem Jahr anstehenden Wahl nicht wünschenswert sei.[10] Ehe und FamilieFreeman ist verheiratet mit Patricia Trenery Freeman. Aus der Ehe sind zwei Söhne, Charles III und Nathaniel, und eine Tochter, Carla, hervorgegangen. Schriften
Einzelnachweise
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