Chaetoceros sp.C. didymus im Meeres-Erlebnismuseum Nausicaá – Centre National de la Mer in Boulogne-sur-Mer von den Biologen des Aquariums identifiziertVIII. C. didymus(Ehr.) Gleve IX. C. peruvianusBr. var. currensCleve X. C. secundusGleve XI. Chaetoceros sp. XII. C. protuberansLaud.
Chaetoceros ist wahrscheinlich die größte GattungmarinerplanktonischerDiatomeen (Kieselalgen) mit etwa 400 beschriebenen Arten (Spezies), wobei allerdings viele dieser Beschreibungen inzwischen nicht mehr gültig sind.
Es ist oft sehr schwierig, zwischen verschiedenen Chaetoceros-Arten zu unterscheiden.[1][2]
Es wurden mehrere Versuche unternommen, diese große Gattung in Untergattungen zu strukturieren.[3][4] Diese Arbeit ist aber noch im Gange, wie die unterschiedlichen Systematiken der einschlägigen Datenbanken zeigen, etwa
AlgaeBase,[5]ITIS,[6]WoRMS[7] oder
NCBI.[8]
Chaetoceros ist in erster Linie eine marine Gattung, aber es gibt auch Berichte über Arten in den Binnengewässern der Vereinigten Staaten.[9]
Lange Zeit hatte sich die Forschung hauptsächlich auf boreale Gebiete konzentriert.
Die Gattung ist kosmopolitisch, so dass viele tropische Arten früher noch unbekannt blieben.
Seit etwa fünf bis zehn Jahren hat die Forschung begonnen, dieses Defizit zu beheben, beispielsweise durch die Arbeiten von Li und Kollegen (2017),[10] Chen und Kollegen (2018),[11] sowie Xu und Kollegen (2018/19).[3][4]
Die Gattung Chaetoceros wurde erstmals 1844 von Ehrenberg beschrieben.[5]Chaetoceros ist die Typusgattung ihrer Familie Chaetocerotaceae.
Über diese rezenten Vertreter hinaus sind eine Reihe fossiler Belege bekannt, insbesondere aus dem Quartär.
Offenbar existiert die Gattung aber bereits seit mindestens 48,6 Millionen Jahren.[12]
Die Einzelzellen der Chaetoceros-Kieselalgen sind bipolar zentrisch aufgebaut,[5][9] was sie als Kieselalgen der Gruppe „Centrales“ klassifiziert.
Meist (Stand 4. August 2021) werden (wie beispielsweise bei WoRMS[7]) diese als veraltete Bezeichnung der Coscinodiscophyceae aufgefasst, mit der Gattung Chaetoceros, ihrer Familie Chaetocerotaceae und ihrer Ordnung Chaetocerotales (alias Chaetocerotanae) darin.
Andere Quellen (wie AlgaeBase[5]) stellen diese Ordnung aber in ein eigenes Taxon Chaetocerotophycidae, abgetrennt von den Coscinodiscophyceae.
Die Form der Einzelzellen ist zylindrisch mit einer ovalen oder kreisförmigen Basis.[5]
Als Kieselalgen ist ihre Morphologie gekennzeichnet durch einen Cingulum (englischgirdle‚Gürtel‘[13]) und zwei Valven (en. valves‚Schalen‘,[14] siehe Kieselalgen §Morphologie), genannt Epitheka und Hypotheka.
Das Cingulum ist mehr oder weniger stark entwickelt.[5]
Es gibt Ecken oder Spitzen (Apices, sing. Apex), von denen unterschiedlich dicke Fortsätze ausgehen, die Setae („Stacheln“ oder „Borsten“) genannt werden.[9][5]
Sie besitzen eine aus Kieselsäure bestehende Zellwand (Frustel, englischfrustule),[10] von der aus lange, dünne Fortsätze (sog. Setae, „Stacheln“ oder „Borsten“) sich nach außen erstrecken.[9]
Es gibt zwar einzellige, nicht koloniebildende („solitäre“) Arten, beispielsweise in der Monterey Bay,[2]
bei den meisten Arten verbinden die Setae die Zellen miteinander und bilden so eine Zellkolonie.[9]
Diese Zellkolonien haben die Form von Ketten, die gewunden, gerade oder gekrümmt sind.[2]
Bei diesen koloniebildenden Arten unterscheidet man zwischen den terminalen Setae, die aus der jeweils letzten Schale der kettenförmigen Kolonie austreten, und den interkalaren Setae, d. h. den Setae der inneren Schalen, die sich kreuzen und/oder an einem bestimmten Punkt miteinander verschmelzen.
Bei einigen Arten (C. compressus, C. diversus, C. messanensis) finden sich spezialisierte interkalare Setae, die sich in Größe und Form von den anderen Setae derselben Kolonie unterscheiden.[5]
Die Größe einer Einzelzelle kann von weniger als 10 µm bis 50 µm reichen.[2]
Einige Arten bilden Ruheformen (englischresting spores) und/oder Auxosporen.[2]
Die Zellen enthalten einen, zwei oder mehr Chloroplasten.
Die Chloroplasten scheinen in der Gürtelansicht (Cingulumansicht, en. girdle view‚Ansicht auf den Gürtel‘[15]) viereckig und in der Valvenansicht (en. valve view‚Ansicht auf die Schalen‘[16]) elliptisch oder kreisförmig zu sein.[5]
Eine Öffnung (en. aperture‚Apertur‘: in der Medizin und Morphologie eine Öffnung),
die in Größe und Form variiert und von den Schalenflächen und dem proximalen Teil der Setae begrenzt wird,
trennt die Zellen innerhalb der Kette einer Kolonie.[5]
Die Schalenoberfläche weist im Allgemeinen radiale Rippen auf, die von einem zentralen hyalinen (durchsichtigen) Ring (Annulus[17]) ausgehen.
Eine Rimoportula,[18] sofern vorhanden hat in der Regel eine kurze äußere Röhre.
Die Setae haben eine variable Struktur oder Ornamentierung, die oft aus Reihen von Stacheln oder Poren unterschiedlicher Größe besteht.[5][3]
Etymologie
Der Gattungsname Chaetoceros kommt aus dem Altgriechischen und setzt sich zusammen aus altgriechischχαίτηchaítē, deutsch ‚wallendes Haar, Mähne, Borste, Kamm‘, lateinischseta und altgriechischκέραςkéras, deutsch ‚Horn‘[19]
Der Name wurde ursprünglich als feminin angedacht (Ehrenberg 1844), dann als Neutrum und schließlich als maskulin (Van Landingham 1968).
Wie alle Gattungen mit dem Suffix „-ceros“ wird auch diese hier wie in der AlgaeBase als maskulin behandelt.
In Übereinstimmung mit dem Kodex werden Gattungen mit dem Suffix „-ceras“ jedoch als Neutrum behandelt. (M. D. Guiry, 9. September 2012)[5]
Vorkommen
Die verschiedenen Arten von Chaetoceros sind häufig dominante Bestandteile der Phytoplankton-Gemeinschaft mit kosmopolitischer (weltweiter) Verbreitung in allen Weltmeeren.[2] Die Bandbreite ihres Vorkommens beträgt:[20]
Ungefähre Bandbreite des Vorkommens von Chaetoceros-Arten[20]
Wegen der hohen Wachstumsraten und der hohen Lipidkonzentrationen wurde die Nutzbarkeit von Chaetoceros-Arten bzw. -Stämmen als Biokraftstoff-Produzent in Forschungsarbeiten geprüft.[9][21]
Studien deuten darauf hin, dass Chaetoceros-Kolonien eine wichtige Nahrungsquelle in der Wassersäule und ein wichtiger Kohlenstofflieferant für die benthische Umwelt sind.
Im Nordwasser, das sich in der nördlichen Baffin Bay befindet, trägt Chaetoceros Berichten zufolge etwa 91 % der gesamten Phytoplanktonmasse bei und ist damit ein wichtiger Primärproduzent in diesem Gebiet und trägt auch zur Sauerstoffproduktion im Nordwasser bei.[22]
Insgesamt trägt Phytoplankton zu über der Hälfte der Sauerstoffproduktion der Erde bei.[23]
Algenblüten
Es wurde berichtet, dass durch Chaetoceros-Arten hervorgerufene Algenblüten Konzentrationen von 30.100 Zellen/ml erreichen und mehrere Monate überdauern können.[22]
Die Blüten können deshalb so lange überdauern, weil die Individuen auch bei niedrigen Nährstoffwerten überleben können.
Wenn sie in großen Mengen vorkommen, können Arten mit größeren, dickeren Stacheln die Kiemen tierischer Organismen beschädigen.
Im Grunde hilft diese defensive Eigenschaft diesen Kieselalgen, Räubern zu entkommen, was aber wiederum den „Erfolg“ der Blüte weiter fördern kann.[24]
Fossiler Beleg
Über die rezenten Vertreter hinaus sind fossilen Belege bekannt, unter anderem:
Ruheformen (englischresting spores) von Chaetoceros werden sogar in Sedimenten aus der Kreidezeit erfolgreich als Proxy eingesetzt.[30][31]
Arten (Auswahl)
LM-Aufnahme von C. elegansLiet al. Stamm YL7. (A): Kettenkolonie mit Divergenz (Auseinanderstreben) der Setae an beiden Enden. (B): Einzelne (solitäre) Zelle. (C): Kette, die große Öffnungen und Chloroplasten zeigt. (D): Ende der Kette. Die Pfeile zeigen auf Einschnürungen zwischen Mantel und Gürtel, die Pfeilspitzen auf die V-förmige Ausstülpung in der Mitte der Endschale. Balken: 50 µm in (A, B); 20 µm in (C, D).[10][32]
Anbei eine Auswahl der Arten in der Gattung Chaetoceros (Stand 3. August 2021) nach
AlgaeBase,[5]ITIS,[6]OBIS,[20]WoRMS,[7]NCBI[8] und
Nordic Microalgae;[33]
die Einteilung in Untergattungen folgt im Wesentlichen ITIS,[34][35] ggf. Yamazi (1958)[36] und Xu et al, (2018, 2019) und Hernández-Becerril (1999).[37]
C. laevisporusLiet al., Aufnahmen mit LM (A, B, C), REM (D, E) und TEM (F). (A): Teil einer Kette mit Einschnürungen (Pfeile) zwischen Mantel und Gürtel und V-förmiger Ausstülpung (Pfeilspitze) in der Mitte der Endklappe; Stamm N7. (B): Sich teilende Kette mit Divergenz der Setae; Stamm DY1. (C): Struktur der terminalen Setae; Stamm DY1. (D): Kette in Gürtelansicht[15] mit Zellen und Öffnungen; Stamm N7. (E): Endschale mit Rimoportula[18] ohne äußeren Fortsatz (Pfeilspitze); Stamm N7. (F): Klappenansichten[14] von Interkalar- (oben) und Endschale (unten); Stamm N7. Balken 20 µm in (A, C, D), 100 µm in (B), 5 µm in (E, F).[10][40]
C. mannaiiLiet al. Stamm N1, Aufnahmen mit dem LM (A, B), REM (C, E) und TEM (D, F). (A): Gerade Kette mit divergenten Setae und Einschnürungen zwischen Mantel und Gürtel (Pfeile). (B): Ovale Schalenfläche. (C, D): Interkalarer Raum. In (D) sind dort ohrenartige Strukturen an den Seta-Basen zu sehen (Pfeilspitzen) der Setae in stark verkieselter Zellwand (Frustule). (E, F): Endschalen, mit ohrenartigen Strukturen an den Setabasen (Pfeilspitzen in E) und deutlicher Einschnürung oberhalb des Rings (Pfeilspitzen in F). Balken 20 μm in (A), 5 µm in (B-F).[10][42]
Chaetoceros mannaiiYang Li, A. Boonprakob, Ø. Moestrup & N. Lundholm, 2017(AN)[10][42][43]
Chaetoceros pendulusKarsten 1905(AOW)[45] versus Chaetoceros pendulusIkari(I) – die bei ITSI angegebene Quelle referenziert C. pendulusKarsten 1905, nicht Ikari
LM-Aufnahmen von C. decipiensCleve. (A, C, E, F): Kettenkolonien des Referenzstammes MIC5366 (A) und der Stämme P10E5 (C), P14B3B (E) und D12 (F). (B, D): Detailaufnahmen von Ketten: die Pfeile zeigen auf Einschnürungen zwischen den Mantel- und Gürtelbändern, die Pfeilspitzen zeigen die teilweise verschmolzenen Geschwistersetae; MIC5366 in (B) und P10E5 in (D). (G): Kette von D10, auf der Endschale befindet sich ein V-förmiger Vorsprung (Pfeilspitze). Balken: 50 µm in (A, C), 20 µm in (B, D, E, F), 10 µm in (G).[10][54]
Phytoplankton - wie diese Kolonie von C. socialisLauder - fluoresziert auf natürliche Weise, indem es überschüssiges Licht wieder abgibt, wenn dieses nicht durch Photosynthese verbrauchen werden kann.
Es gibt eine Reihe von Viren, die Chaetoceros-Arten parasitieren oder zumindest mit solchen assoziiert sind.
Vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) offiziell bestätigte Virusspezies (Stand Juni 2021), Master Species List (MSL) #36, zusammen mit ihren Referenzstämmen nach NCBI (Stand 3. August 2021):
Nordic Microalgae: Chaetoceros Ehrenb., auf: Nordic Microalgae and aquatic protozoa, Swedish Meteorological and Hydrological Institute (SMHI) – mit vielen Bildern
M. D. Guiry in Guiry, M. D. & Guiry, G. M. AlgaeBase: Chaetoceros Ehrenberg, 1844. World-wide electronic publication, National University of Ireland, Galway. Zugriffsdatum 3. August 2021
C. H. von Quillfeldt: Identification of Some Easily Confused Common Diatom Species in Arctic Spring Blooms, in: Botanica Marina, Band 44, Nr. 4, S. 375–389, de Gruyter 2001, Epub 1. Juni 2005, doi:10.1515/BOT.2001.048
↑ abRimoportula, auf: diatoms.org. Zitat: „Eine Rimoportula ist ein röhrenförmiger Fortsatz im Gehäuse einiger Diatomeen. Auf der Innenseite des Gehäuses hat die Rimoportula-Öffnung die Form eines Lippenpaares. Auf der Außenseite des Ventils kann die Rimoportula-Öffnung eine einfache, runde Öffnung an der Schalenoberfläche sein, oder sie kann eine Röhre sein, die sich aus dem Schalengehäuse heraus erstreckt. Die Pluralform ist Rimoportulae.“
↑
K. M. McGinnis, T. A. Dempster, M. R. Sommerfeld: Characterization of the growth and lipid content of the diatom Chaetoceros muelleri. In: Journal of Applied Phycology. 9. Jahrgang, Nr.1, 1997, S.19–24, doi:10.1023/A:1007972214462.
↑ ab
B. C Booth, P Larouche, S Bélanger, B Klein, D Amiel, Z.-P Mei: Dynamics of Chaetoceros socialis blooms in the North Water. In: Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography. 49. Jahrgang, Nr.22–23, 2002, S.5003–5025, doi:10.1016/S0967-0645(02)00175-3, bibcode:2002DSRII..49.5003B.
↑David Krayesky, Maria Esther Meave del Castillo, Maria Eugenia Zamudio, James N. Norris, Suzanne Fredericq: Diatoms (Bacillariophyta) of the Gulf of Mexico, in: D. F. Felder, D. K. Camp (Hrsg.): Gulf of Mexico: Origin, Waters, and Biota, Band 1: Biodiversity, S. 155–186, College Station: Texas A&M University Press, Januar 2009
↑ abcdefghi
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↑ abcd
Andrew S. Lang, Marli Vlok, Curtis A. Suttle: Proposal 2018.002F.A.v2.Marnaviridae_4gen (docx, xlsx), Assigning 4 new and 2 unassigned genera to the family Marnaviridae. Vom ICTV bestätigter Vorschlag vom Juni 2018