Anstoss und Vorbild für das erste schweizerische Cabaret war das im Januar 1933 in München gegründete Kabarett Die Pfeffermühle. Das von Klaus und Erika Mann, Therese Giehse und Magnus Henning gegründete politische Kabarett musste vor den Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen, wo es als Exilkabarett den Spielbetrieb im September 1933 im Hotel Hirschen in Zürich wieder aufnahm.
Das Cornichon wurde während des Krieges von den Schweizer Zensurbehörden und dem Deutschen Generalkonsulat überwacht. Die diplomatischen Vertretungen der Achsenmächte intervenierten bis Ende 1944 regelmässig in Bern und Zürich. Daraufhin mussten einzelne Nummern aus dem Programm genommen oder umgeschrieben werden. Trotzdem gelang es in Mundart und kabarettistischer Verkleidung deutliche Stellungnahmen zu den brennenden Themen auf die Bühne zu bringen, welche die Besucher bewegten und in ihrem Widerstandswillen stärkten.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Spannungen des Kalten Krieges begannen, fiel das Ensemble auseinander. Während ein Teil der Mitglieder mit der politischen Linken sympathisierte, gründeten die Gegner dieses Kurses 1949 das Cabaret Fédéral.
Konzept
«Im Kern schweizerisch, volkstümlich, politisch, allen guten Geistern der Freiheit und Menschlichkeit verschrieben sollten die Programme sein, das stand fest», schrieb Walter Lesch 1933. Das Cabaret Cornichon war in erster Linie ein Unterhaltungscabaret, kämpfte aber innenpolitisch im Sinn der Geistigen Landesverteidigung und aussenpolitisch gegen Faschismus und Nationalsozialismus. Es warnte vor Gleichgültigkeit und Anpassungserscheinungen in der Schweiz und mobilisierte durch satirische Attacken und Blossstellung der totalitären Bedrohung nachhaltig die inneren Abwehrkräfte. Das Cornichon war nicht pfefferscharf, dafür essigsauer wie die Gewürzgurke (in der Schweiz: Cornichon) und manchmal ätzend. Die Texte wurden oft zu Gassenhauern.
Programme
1934: Programm ohne Titel, Grand Hotel Gloria Viktoria[1]
1935: Noch sind die Tage der Rosen, Gardus!Hupa-Haua[2][3][4]
1936: Erotik in der Schweiz, Äxgüsi, Schwarzi Händsche
1944: Freut euch des Lebens,Wie einst im Mai,O lala!
1945: Alles aus Liebe,Fraternisieren erlaubt
1946: Mir händ putzt!, Amtlich bewilligt,Vo Babylon uf Wäggis zue
1947: Wenn du glaubst, der Mond geht unter…,Zwüsched Whisky und Wodka
1948: Arche Noah,Es liit i dr Luft
1949: .. und zweitens als man denkt,Grimmige Märchen,Von der Wiege bis zur Bahre,Nur für Erwachsene
1950: O du liebi Zyt,Hebedi hebedi
1951: Sicher isch sicher
„Doch was ich leide, leiden ja nicht minder - Fast alle Schweizer Männer, Frauen Kinder. - Das ganze Volk hat einen Zungenschlag, - Das tritt besonders heute klar zu Tag. - Man rüstet nämlich südlich und im Norden - Ganz besoffen auf zu neuem Morden; - Bei uns in Genf jedoch, da bellt kein Hund: - Wir sind ja so – neutral im Völkerbund. - Ist es denn so schwer zu sagen - Worte, die die Welt versteht? - Ach, bis wir es endlich wagen, - Ist es wieder mal zu spät. - ..Z’schpaat!“
– Kleine Schweizerklage. Text: Lesch, Darsteller: Gretler, 1935
Bis 1937 wurde alternierend mit der Pfeffermühle auf der Bühne im Hotel Hirschen gespielt, ab und zu im Zürcher Corso Theater und von Anfang an auf Tournee in der Schweiz, in Basel zum Beispiel im Restaurant Gambrinus, 1937 an der Weltausstellung in Paris.
Rezension
„Die Vorstellungen des Cabaret Cornichon während den schwierigen dreissiger Jahre und des Zweiten Weltkrieges blieben für den engagierten zeitgenössischen Schweizer unvergessen. (…) Es wird einem wieder bewusst, wie sehr das Cabaret den Widerstandswillen von Tausenden von Besuchern gegen die totalitäre Bedrohung gestärkt hat, und dass seine Wirkung eine nachhaltige war, die weit über den jeweils glanzvollen Abend hinausging.“
Peter Michael Keller: Cabaret Cornichon. Geschichte einer nationalen Bühne. Chronos-Verlag, Zürich 2011, ISBN 978-3-0340-1066-5.
Frank Gerber: Es dürfte hier eingeschritten werden müssen …. Das Cornichon und die Zensur 1939–1945. In: Andreas Andreas (Hg.): Theater der Nähe. 2002.
Stephan Hammer: Wärst du doch zu Haus geblieben!. Otto Heinrich Weissert, das Cornichon und der Kampf ums Bleiberecht. In: Bundesamt für Flüchtlinge (Hg.): Prominente Flüchtlinge im Schweizer Exil. 2003.