Bilophila wadsworthia
Bilophila wadsworthia ist eine Spezies (Art) Gram-negativer, obligat anaerober Galle-resistenter Bakterien, die eine Katalase, aber kein Saccharolysin (auch Proteinase yscD genannt)[1] besitzen, also Katalase-positiv und asaccharolytisch sind. Ungefähr drei Viertel der Stämme von B. wadsworthia sind Urease-positiv. B. wadsworthia wird mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht, ist aber aufgrund von häufigen Fehlidentifizierungen nur wenig bekannt. Die beiden charakteristischen Merkmale von B. wadsworthia sind die Nutzung der Aminosulfonsäure[A. 1] Taurin für die Produktion von Schwefelwasserstoff und die schnelle Katalasereaktion. Diese Bakterien sind empfindlich gegenüber den β-Laktam-Antibiotika Imipenem, Cefoxitin und Ticarcillin (ein Carboxypenicillin). Die List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) ordnet die Gattung Bilophila dem Phylum Pseudomonadota (Proteobakterien) zu, das National Center for Biotechnology Information (NCBI) und die Genome Taxonomy Database (GTDB) aber dem Phylum Thermodesulfobacteriota (mit Synonym Desulfobacterota). BeschreibungPhänotyp und MorphologieB. wadsworthia ist eine Spezies Gram-negativer, Katalase-positiver und überwiegend auch Urease-positiver Bakterien.[2][A. 2] Die Zellen von B. wadsworthia sind etwa 0,7 μm breit und 1,0-10,0 μm lang, und die Zellen sind pleomorph mit unregelmäßigen Zellwänden.[3][4] Da B. wadsworthia in Standardmedien für Anaerobier nur langsam wächst, wird es oft mit anderen Anaerobiern verwechselt oder überhaupt nicht erkannt.[2] Das beste Erkennungsmerkmal für dieses Bakterium ist eine transparente Kolonie mit einem schwarzen Zentrum in Galle-Aesculin-Agar (englisch bile esculin agar, BBE-Agar); die schwarze Färbung des Zentrums kommt dabei von Eisen(II)-sulfid, das durch den vom Bakterium produzierten Schwefelwasserstoff entsteht.[2][4] Ein weiteres charakteristisches Merkmal von B. wadsworthia ist die positive Katalase-Reaktion mit einem 15%igen Wasserstoffperoxid-Reagenz. Diese Katalase-Reaktion verläuft sich von anderen Katalase-positiven Arten explosiv mit Blasenbildung und sehr schnell.[5] Die genaueste Methode zur Unterscheidung dieses Bakteriums von anderen ähnlichen Arten ist die Gas-Flüssigkeits-Chromatographie (englisch gas liquid chromatography, GLC): GLC-Ergebnisse zeigen viele Essigsäure-und wenig Bernsteinsäure-Peaks. B. wadsworthia ist unbeweglich (nicht motil) und bildet auch keine Sporen, es hat unregelmäßige Zellwände und keine Geißeln.[3] Zwei Faktoren, die sein Wachstum stimulieren, sind Galle und Pyruvat (20 % Galle und 1 % Pyruvat).[4] StoffwechselEiner der wichtigsten Prozesse, die in B. wadsworthia ablaufen, ist die Produktion von Schwefelwasserstoff, dem Produkt, das für den charakteristischen schwarzen Punkt der Kolonien dieses Bakteriums verantwortlich ist.[6] B. wadsworthia ist in der Lage, Schwefelwasserstoff über seinen Taurin-Desulfonierungsweg mithilfe der Isethionat-Sulfit-Lyase (IslA) zu produzieren.[6] Das Bakterium wandelt Taurin in Schwefelwasserstoff um, „veratmet“ gewissermaßen das Taurin[6] Die Produktion von Schwefelwasserstoff durch das menschliche Darm-Mikrobiom („Darmflora“) in geringem Maß hat einige Vorteile, wie z. B. den Schutz des Herzens,[A. 3] die übermäßige Schwefelwasserstoffproduktion trägt aber auch zur Pathologie von Krankheiten bei; beispielsweise wird sie mit dem Reizdarmsyndrom (RDS, spanisch irritable bowel disease, IBD) Verbindung gebracht, da sie die Schleimschicht des Darmepithels schädigt. Sie steht sogar in Verbindung zu Darmkrebs (englisch colorectal cancer).[6] Darüber hinaus kann Schwefelwasserstoff bei der Behandlung mit Antibiotika das Wachstum opportunistischer Bakterien fördern, was zu Antibiotikaresistenz führen kann.[6] Künftige Forschung zur Kontrolle der Schwefelwasserstoffproduktion könnte helfen, den Beitrag von B. wadsworthia zu diesen Krankheiten zu untersuchen. KultivierungDie folgenden beiden Kultivierungsmöglichkeiten wurden beschrieben:
VorkommenB. wadsworthia wird vor allem im unteren Verdauungstrakt (Gastrointestinaltrakt) nachgewiesen.[2] Die Spezies gilt von ihrer Natur her als krankmachend (virulent), da sie häufig bei Patienten mit (insbes. perforierter oder gangränöser) Appendizitis („Blinddarmentzündung“, „Blinddarmdurchbruch“ etc.) und in Blutkulturen von Patienten mit Leberabszessen gefunden wird. Es ist das dritthäufigste anaerobe Bakterium, das bei Patienten mit Appendizitis gefunden wird.[2][4][5] Man findet sie aber auch in Stuhlproben gesunder Patienten.[2][4] Außer beim Menschen wurde diese Bakterienart auch bei Hunden mit Parodontalerkrankungen gefunden. In seltenen Fällen kann es in Speichel- und Vaginalproben gefunden werden.[2][4] Andere Umstände, unter denen B. wadsworthia nachgewiesen oder isoliert wurde, sind:
EntdeckungB. wadsworthia wurde erstmals 1988 von Ellen Jo Baron identifiziert,[9] damals Leiterin des Forschungslabors für klinische anaerobe Bakteriologie am V.A. Wadsworth Medical Center (dem heutigen West Los Angeles VA Medical Center[10], V.A. oder VA = Veterans Administration); von ihr stammen auch die gültige Erstbeschreibung und der Name. Das Bakterium wurde in Proben von Patienten mit gangränöser und perforierter Appendizitis („Blinddarmdurchbruch“); es wurde schon damals aber auch in gesunden Stuhlproben gefunden.[2] GenomDs Genom des Referenzstamms WAL 7959 (alias ATCC 49260) von B. wadsworthia hat einen G+C-Gehalt von 39-40 mol%.[4] SystematikDie Gattung Bilophila gehört nach übereinstimmender Ansicht zur Familie Desulfovibrionaceae der Ordnung Desulfovibrionales, die ihrerseits gemäß der (autoritativen) List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) Mitglied der Klasse Deltaproteobacteria im Phylum Pseudomonadota (früher genannt Proteobakterien) ist.[11][A. 4] Die Gattung Bilophila ist – abgesehen von der 2021 vorgeschlagenen Kandidatenspezies B. faecipullorum monophyletisch in der Typusart B. wadsworthia. Ihre Systematik ist gemäß
mit Stand 16. Dezember 2023 wie folgt:
EtymologieDer Gattungsname Bilophila wurde aufgrund der gallenliebenden Natur der Typusspezies B. wadsworthia und ihrer optimaler Kultivierung auf BBE-Agar (englisch bile esculin agar) verliehen.[5] lateinisch bilis, englisch bile, deutsch ‚Galle‘; altgriechisch φίλος philos, deutsch ‚liebend‘, Bilophila ist die feminine Form von ‚gallenliebend‘ (‚die Gallenliebende‘).[11]
WeblinksAnmerkungen
Einzelnachweise
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