Bezeichnungssystem für Luftfahrzeuge der britischen Streitkräfte

Das Bezeichnungssystem für Luftfahrzeuge der britischen Streitkräfte wurde im Jahre 1918 eingeführt. Seitdem werden für Einsatzflugzeuge, im Gegensatz z. B. zum US-amerikanischen System, ausschließlich Namen und keine alphanumerischen Bezeichnungen vergeben. In dem im Prinzip bis heute fast unverändert bestehenden System wurden lediglich 1927 und 1932 erwähnenswerte Änderungen eingeführt.

Vor 1918

1884 wurde ein erstes System für die Ballons der seit 1878 bestehenden Air Battalions eingeführt. Darin wurde festgelegt, dass die Namen kleiner Ballons mit dem Buchstaben „F“, die von mittleren mit „S“ und große Ballons mit einem „T“ beginnen sollten. Bekannt geworden sind die entsprechenden Bezeichnungen Fly, Spy und Swallow. Aber anscheinend wurde kein Ballon als groß genug für die „T“-Klasse befunden.

Die 18 Luftschiffe der britischen Armee, die zwischen 1907 und 1913 gebaut wurden, erhielten Namen in Latein, Griechisch, Französisch und sogar in Deutsch. So trug z. B. das erste Armee-Luftschiff 1907 den kuriosen Namen „Nulli Secundus“.[1] 1914 löste die Armee ihre Luftschiffabteilung auf und übergab die noch vorhandenen „Beta“, „Gamma“, „Delta“ und „Eta“ an die Marine. Diese bezeichnete ihre Starr-Luftschiffe mit „R“ (für rigid airship) und einer nachfolgenden Zahl, die aber nicht durchgehend vergeben wurde. So wurden das zweite und dritte Luftschiff mit „R9“ bzw. „R23“ bezeichnet. Die Serie endete mit der „R101“.

Die Balloneinheit der Armee entwickelte sich bis 1905 über unterschiedliche Namen und Orte schließlich zur in Farnborough beheimateten Royal Aircraft Factory (RAF). Der Superintendent der RAF führte schließlich 1911 ein System zur Bezeichnung von Luftfahrzeugen ein, das sich anfangs vor allem auf zeitgenössische französische Konstruktionen bezog. Die Präfixe der Bezeichnungen lauteten:

  • B.E.: (Blériot Experimental) für Flugzeuge mit Zugpropeller
  • F.E.: (Farman Experimental) für Flugzeuge mit Druckpropeller, ab 1913/14 für Fighter Experimental
  • S.E.: (Santos (Dumont) Experimental) für Flugzeuge mit Entenflügel-Auslegung (Canard), ab 1913/14 für Scout Experimental
  • R.E.: (Reconnaissance experimental) für zweisitzige Flugzeuge
  • T.E.: (Tatin Experimental)
  • B.S.: (Blériot Scout)
  • H.R.E.:(Hydroplane Reconnaissance Experimental)
  • C.E.: (Coastal Experimental)
  • A.E.: (Armed Experimental)
  • N.E.: (Night-flying Experimental)

Bis 1918 gab es außerdem einzelne Versuche mit alphanumerischen Systemen, die sich aber nicht durchsetzen konnten. Die Armee, d. h. das Royal Flying Corps verwendete ein alphanumerisches System nach dem z. B. der Bristol Fighter 1916 als F.2A bzw. F.2B bezeichnet wurde. Inoffiziell aber auch Biff oder Brisfit genannt.

Der Gebrauch solcher „Spitznamen“ wurde innerhalb der fliegenden Einheiten immer beliebter. Von diesen inoffiziellen Namen wurden besonders die Pup, die Camel und die 1 ½ Strutter bekannt. Zu den heute fast vergessenen Namen gehören z. B. Quirk, Ninak, Tinsyde, Big Ack und Harry Tate.

1917 wurde das System grundlegend überarbeitet und ähnelte nach der Festlegung von zugewiesenen Namen für einzelne Spezifikationsklassen schon sehr dem 1918-System. Diese Klassen waren im Einzelnen:

A1a
Einsitzige Jagdflugzeuge (Zugewiesene Namen: Armadillo, Bantam, Nighthawk, Osprey, Siskin, Snail, Vampire, Wagtail)
A1c
Einsitzige Nachtjäger (Bobolink)
A2a
Zweisitzige Jagdflugzeuge (Avro 530, Bulldog, Hippo)
A2b
Leichte Bomber (D.H. 10, später: Amiens, Rhino)
A2d
Anfangstrainer (Baboon)
A3b
Schwere Bomber (Vimy)

Diese Namen wurden auch 1918 nach der Übergabe der Flugzeuge an die neugegründete Royal Air Force beibehalten.

1918-System

Es wurde eine Liste der Hersteller zusammengestellt, in der jedem Unternehmen ein alliterativer Buchstabe (bzw. zwei) zugewiesen wurde. Da gleichzeitig noch die in den Tabellen dokumentierten Einschränkungen bei der Namensvergabe zu beachten waren, führte dieses System zu einiger Kritik. Der endgültige Erlass wurde deshalb noch einmal überarbeitet und als Air Publication 547 im Januar 1919 veröffentlicht.

Landflugzeuge – Jagdflugzeuge
Spezifikationen A1a, A1c, A2a, A2d, A4a
Bereiche Zoologie, Botanik und terrestrische Mineralien
Größe der Maschine Namensbereich: Beispiel
Einsitzer Insekten, Vögel
und Reptilien
Hawker Woodcock
Zweisitzer Säugetiere Hawker Hart (Hart (engl.): Hirsch)
Dreisitzer Blumen
Viersitzer Sträucher
Fünfsitzer Bäume
mehr als 5 Sitze Metalle und Felsen
Landflugzeuge – Bomber
Spezifikationen A2b, A3b
Geografie (Binnengebiet)
Größe der Maschine Namensbereich: Beispiel
Einsitzer Italienische Städte
Zweisitzer Britische Städte
Dreisitzer Französische Städte Vickers Vimy
Besatz. mehr als 3
unter 5 t
Städte in Kolonien
und Besitzungen
Handley Page Hyderabad
5 bis 10 t Städte in Asien
10 bis 15 t Städte in Afrika

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Gepanzerte Flugzeuge
Eigennamen (männlich)
Größe der Maschine Namensbereich: Beispiel
Unter 2 t Griechische Mythologie
2 bis 5 t Römische Mythologie
5 bis 10 t Östliche und
ägyptische Mythologie
10 bis 20 t Nordeuropäische Mythologie

Da die für einsitzige Jäger notwendigen vorgesehenen Vogelnamen, die gleichzeitig mit dem bzw. den vorgeschriebenen Buchstaben beginnen sehr selten sind, wurde oft auf exotische Arten zurückgegriffen. So entstanden z. B. die Boulton and Paul Bobolink (ein nordamerikanischer Singvogel), die Vickers Vireo (eine südamerikanische Finkenart) und die Armstrong-Whitworth Ara. Die Alliterationsvorschrift hatte offiziell bis 1921 Bestand, aber auch noch später wurde von den Herstellern auf freiwilliger Basis versucht entsprechend geeignete Namen zu finden.

1927-System

Bereits Mitte der 1920er Jahre erkannte man, dass der Vorrat an verwendbaren Namen im bisherigen System schnell zur Neige ging. In einem ersten Überarbeitungsschritt wurden Modelle, die sich erst im Zeichenbrett- oder Prototypenstadium befanden, ab 1927 nicht mehr mit einem Namen versehen. Es wurde in diesen Fällen nur noch die 1920 eingeführten Bezeichnungen der Ausschreibungsanforderung (Air Ministry Specifications) des britischen Luftfahrtministeriums verwendet (z. B.

Das 1927-System
Nummer Flugzeugverwendung Klassenkennung Beispiel
1 Jagdflugzeug (landgestützt) F Hawker Fury
2 Jagdflugzeug
der Royal Navy)
N Hawker Nimrod
3 einmotorige Bomber P
4 mehrmotorige Bomber B Bristol Bagshot
5 Torpedobomber M
6 Armee Unterstützung A Hawker Audax
7 Beobachter und Aufklärung (FAA) S
8 Küstenaufklärung R Short Rangoon
9 Truppentransporter C Handley Page Clive
10 Schulflugzeuge T Avro Tutor
11 Mehrzweckflugzeuge G Fairey Gordon
12 Aufklärungsjagdflugzeuge
der Royal Navy
O Hawker Osprey

Das System von 1927 war ausgesprochen unbeliebt bei den Herstellern, diese plädierten für eine Rückkehr zum alten System. Oft setzten sich die Hersteller gegenüber dem Luftfahrtministerium durch und verwendeten auch weiterhin noch Bezeichnungen entsprechend den Festlegungen aus dem Jahre 1918.

1932-System

Daraufhin wurde 1932 ein stark überarbeitetes Bezeichnungssystem vorgeschrieben, das teilweise die alten Regeln wieder übernahm.

Das 1932-System
Flugzeugverwendung Zugeordnete Namen Beispiel
Jagdflugzeuge Bezeichnungen, die für Geschwindigkeit, Aktivität oder Aggressivität stehen Supermarine Spitfire
Bomber
(a) Tagbomber Tiere mit Ausnahme von Katzen (Felidae) Hawker Hind
(b) Armee-Unterstützung Namen der Klassik Hawker Hector
(c) Nachtbomber Binnenstädte des Brit. Empires (BE) oder mit der RAF verbundenen Städten Avro Manchester
(d) Allgemeine Verwendung Historische britische Namen Slingsby Hengist
(e) Transporter Städte und Häfen des BE Avro York
Flugboote Küstenstädte und Häfen des BE Short Singapore
Fleet Air Arm
(a) Jagdflugzeuge Mythologische Namen Westland Wyvern
(b) Aufklärungsjäger Namen von Seevögeln Fairey Gannet
(c) Torpedobomber Namen von Meeren, Seen und Mündungsgebieten
(in der Praxis anscheinend nicht angewendet)
Namensgebung wie bei (d)
Fairey Spearfish
(d) Spotter-Aufklärung Namen von Seetieren Blackburn Shark
Schulflugzeuge Namen die mit Unterweisung und Bildungsstätten verbunden sind Airspeed Oxford

Im Jahre 1949 gab es in diesem System einige kleine Änderungen,

  • das British Empire wurde durch das Commonwealth ersetzt, was sich aber nur im Ausschluss von Südafrika bemerkbar machte. Südafrikanische Namen wurden bis dahin nur in zwei Fällen verwendet: Short Springbok (1923) und die Hawker Duiker (1922), beides waren Hirschnamen,
  • Hubschrauber sollten nach Bäumen benannt werden, was aber nur bei der Bristol Sycamore auch tatsächlich umgesetzt wurde. Bereits im System von 1918 gab es eine Kategorie für Bäume.

Varianten- und Nutzungskennung

Zwischen den beiden Weltkriegen wurde eine Variantenkennung in Form römischer Ziffern hinter dem Namen eingeführt. Davor stand üblicherweise Mark oder Mk. (dt.: Variante). Neue Variantennummern wurden bei einer erheblichen Änderung des Ausgangsentwurfes vergeben, Buchstaben zeigten kleinere Änderungen an (Beispiel: Bristol Bulldog Mk.IIA).

Um eine Veränderung des ursprünglichen Verwendungszwecks im Namen zu berücksichtigen, wurde 1942 ein Präfix für die Nutzung eingeführt. So entstand z. B. aus der Boulton Paul Defiant Mk.I der Nachtjäger Defiant NF Mk.II von dem wiederum einige als Zielschleppflugzeuge Defiant TT Mk.II umgebaut wurden. Marineausführungen von eigentlich landgestützten Typen erhielten in vielen Fällen das Präfix Sea von dem Namen (Beispiel: Aus der Spitfire Mk.V wurde die Seafire Mk.I abgeleitet).

Seit 1948 werden statt der römischen Zahlen arabische verwendet.[2] Im Laufe der Zeit bürgerte es sich auch ein, den Mark oder Mk. Zusatz wegzulassen.

Präfix Aufgabe Beispiel
A Fallschirmjägertransport
(Airborne (paratroop transport))
Handley Page Halifax A.VII
AOP Luftbeobachtung
(Airborne observation post)
Auster AOP.9
AEW Luftgestützte Frühwarnung
(Airborne early warning)
Sentry AEW.1
AH Army Helicopter Lynx AH.7
AL Verbindungsflugzeug
(Army liaison)
Islander AL.1
AS U-Boot-Jagd
(Anti-submarine)
Fairey Gannet AS.1
ASR Luft-See-Rettung
(Air-sea rescue)
Sea Otter ASR.II
ASaC Luftgestützte Überwachung
(Airborne Surveillance and Control)
Sea King ASaC.7
B Bomber Vulcan B.2
B(I) Bomber interdictor Canberra B(I).8
B(K) Bomber/Tanker Valiant B(K).1
B(PR) Bomber/Photo-Aufklärung (Reconnaissance) Valiant B(PR).1
C Transport Hercules C.4
CC Communications BAe 125 CC.3
COD Courier – spatter: Trägertransport (Carrier – On-board Delivery) Gannet COD.4
D Drohne Shelduck D.1
E Elektronische Kriegführung Canberra E.15
ECM Electronic Counter-Measures Avenger ECM.6
F Jäger (Fighter) Typhoon F.2
FA Fighter/Attack Sea Harrier FA.2
FAW Allwetterjäger (Fighter All-Weather) Javelin FAW.9
FB Jagdbomber (Fighter-Bomber) Sea Fury FB.11
FG Jäger/Erdkampf (Fighter/Ground attack) Phantom FG.1
FGA Jäger/Erdkampf (Fighter/Ground Attack) Typhoon FGA.4
FGR Jäger/Erdkampf/Aufklärung (Fighter/Ground attack/Reconnaissance) Phantom FGR.2
FR Jäger/Aufklärung (Fighter/Reconnaissance) Hunter FR.10
FRS Jäger/Aufklärung (Fighter/Reconnaissance/Strike) Sea Harrier FRS.1
GA Erdkampfflugzeug (Ground Attack) Hunter GA.11
GR Allgemeine Aufklärung (General Reconnaissance (ersetzt durch MR)) Lancaster GR.III
GR Erdkampf/Aufklärung (Ground attack/Reconnaissance) Harrier GR.9
HAR Helikopter, Luftrettung (Air Rescue) Sea King HAR.3
HAS Helikopter, U-Boot-Abwehr (Anti-Submarine) Sea King HAS.2
HC Helikopter, Fracht (Cargo) Chinook HC.2
HCC Helikopter, Communications Squirrel HCC.1
HF Höhenjäger (High-altitude fighter (nur Spitfire)) Spitfire HF.VII
HM Helikopter, See (maritime) Merlin HM.1
HMA Helikopter, See, Angriff (maritime attack) Lynx HMA.8
HR Helikopter, Rettung (Rescue) Dragonfly HR.5
HT Helikopter, Training Griffin HT.1
HU Helicopter, Mehrzweck (Utility) Sea King HU.4
K Tanker VC-10 K.4
KC Tanker / Fracht (Cargo) Tristar KC.1
L Tiefangriffsjäger (Low-altitude fighter (nur Seafire)) Seafire L.III
LF Tiefangriffsjäger (Low-altitude fighter (nur Spitfire)) Spitfire LF.XVI
Met Meteorological reconnaissance (ersetzt durch W) Hastings Met.1
MR See-Aufklärung (Maritime Reconnaissance) Nimrod MR.2
MRA See-Aufklärung und Angriff (Maritime Reconnaissance and Attack) Nimrod MRA.4
NF Nachtjäger (Night Fighter) Venom NF.2
PR Fotografische Aufklärung (Photographic Reconnaissance) Canberra PR.9
R Aufklärung (Reconnaissance) Sentinel R.1
RG Aufklärungsdrohne (Reconnaissance Guided) Protector RG.1
S Strike Buccaneer S.2
SR Strategische Aufklärung (Strategic Reconnaissance) Victor SR.2
T Training Hawk T.1
TF Torpedojäger (Torpedo Fighter) Beaufighter TF.X
TR Torpedo/Aufklärung (Torpedo / Reconnaissance) Sea Mosquito TR.33
TT Zielschlepper (Target Tug) Canberra TT.18
TX Schulsegelflugzeug (Training glider) Cadet TX.3
U Drohne (ersetzt durch D) Meteor U.3
W Wetterforschung (Weather research) Hercules W.2

Anmerkungen

Offiziell sollten keine Namen von RAF-Basen als Bezeichnung verwendet werden. Dies blieb jedoch relativ oft unbeachtet, wie z. B. die Handley Page Heyford (RAF Basis Upper Heyford), Short Sarafand (RAF Sarafand im britischen Protektorat Palästina), Handley Page Hendon, Fairey Hendon (RAF Hendon) und die Handley Page Hinaidi (RAF Hinaidi in der Nähe Bagdads) zeigen. Eine ungeklärte Ausnahme der beschriebenen Regeln stellt die Fairey III dar, für die nie ein Name vergeben wurde und die offensichtlich auch keinen Spitznamen trug.

Sir Charles Portal verfügte, dass keine Namen berühmter RAF-Offiziere verwendet werden durften. Benutzt wurden jedoch Namen von anderen berühmten Militär-Persönlichkeiten vergangener Zeit: Armstrong-Whitworth Albemarle (Lord und vorher General Monk), Avro Anson (Admiral Lord), Bristol Beaufort (Duke und auch Ort), Handley Page Clive (General Clive) und Fairey Gordon (General Gordon).

Siehe auch

Literatur

  • Gordon Wansbrough-White: What’s in a name? In: Aeroplane Monthly. 11/1994, S. 52–55.
  • Gordon Wansbrough-White: What’s in a name? In: Aeroplane Monthly. 12/1994, S. 48–52.
  • Owen Thetford: Aircraft of the Royal Air Force since 1918. 6. Auflage. Putnam & Co., London 1976, ISBN 0-370-10056-5.

Einzelnachweise

  1. Zur britischen Luftschiffentwicklung
  2. Owen Thetford: Aircraft of the Royal Air Force since 1918. S. 10.