Bewertungen von Körpern sind in der Körpertheorie, einem Gebiet der Algebra, von Bedeutung. Nicht-archimedische p-adische Bewertungen werden für die Konstruktion der p-adischen Zahlen verwendet und sind damit grundlegend für die p-adische Geometrie. In älteren Zugängen zur algebraischen Geometrie wurden auch Bewertungen von Funktionenkörpern verwendet.
Bewertungen
Eine Bewertung eines Körpers
ist eine Funktion
in einen angeordneten Körper
mit den Eigenschaften[1][2][3]
und ![{\displaystyle \varphi (x)=0\iff x=0}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/e5f5a304889b4caeb1ebe6fbd9528082aef3becf)
![{\displaystyle \varphi (xy)=\varphi (x)\varphi (y)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/12a01cd413bae6c388f2f2f6b0947640d0c4f901)
![{\displaystyle \varphi (x+y)\leq \varphi (x)+\varphi (y)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9dd59f45ba8d9f8295518be43023f73b86e802eb)
Ein Beispiel einer Bewertung ist die Betragsfunktion
auf den reellen oder komplexen Zahlen mit der Signatur
.
Eine Bewertung
heißt nicht-archimedisch, wenn
für
. Eine Bewertung ist genau dann nicht-archimedisch, wenn sie die verschärfte Dreiecksungleichung erfüllt.
In der Zahlentheorie werden heute aber meist die weiter unten definierten nicht-archimedischen Exponentialbewertungen gemeint, wenn von „Bewertungen“ die Rede ist.
Allgemeine Bewertungen (Exponenentialbewertungen)
Definition
Ist
eine totalgeordnete abelsche Gruppe und
ein (kommutativer) Körper, so ist eine Abbildung
![{\displaystyle v\colon K\to G\cup \{\infty \}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8715ee08f8e2404f53092931305994ccf56ed387)
eine nicht-archimedische Bewertung, wenn die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:
![{\displaystyle v(ab)=v(a)+v(b)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/bc0146408cb71591e419dfb56b338ed5a166ecbb)
![{\displaystyle v(a)=\infty \iff a=0}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1a44324c7d9a0026b50f2d81d13599aaef275db7)
![{\displaystyle v(a+b)\geq \min\{v(a),v(b)\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/78618a0631bbe51fa084fd695716f82c384e773d)
für alle
.
heißt dann auch ein bewerteter Körper mit Wertegruppe
.
Zwei Bewertungen
und
heißen äquivalent, wenn
gilt. Äquivalenzklassen von Bewertungen werden auch als Stellen eines gegebenen Körpers bezeichnet.
Bewertungen und Bewertungsringe
Ein Integritätsbereich
heißt Bewertungsring, wenn er die folgende Eigenschaft hat:
- Für jedes Element
des Quotientenkörpers von
gilt
oder
.
Ist
ein Bewertungsring mit Quotientenkörper
, so kann man eine Bewertung auf
mit Wertegruppe
definieren:
![{\displaystyle v\colon K\to G\cup \{\infty \},\quad v(x)=\left\{{\begin{matrix}\infty &x=0\\{}[x]&x\in K^{\times };\end{matrix}}\right.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/fe90feb9c73794b4919566031052d2fb2e30c83e)
dabei bezeichnet
das Bild von
in
; die Ordnung auf
ist definiert durch
für ![{\displaystyle x,y\in K^{\times }.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/dd1ee64f1e8cf6c31253a0b2f9733c9a2e4f072c)
Ist umgekehrt
ein bewerteter Körper mit Bewertung
, so ist
![{\displaystyle \{x\in K\mid v(x)\geq 0\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1c8c28ac54326ad900f554b95c5a53adb1362e1b)
ein Bewertungsring, der dann auch der Bewertungsring zur Bewertung
genannt wird. Die Gruppe
ist kanonisch isomorph zur Wertegruppe von
.
Für einen Körper
gibt es also eine bijektive Beziehung zwischen Isomorphieklassen von Bewertungen auf
und Bewertungsringen, die in
enthalten sind.
Diskrete Bewertungen
Definition
Es sei
ein Körper. Dann heißt eine surjektive Funktion
![{\displaystyle v\colon K\to \mathbb {Z} \cup \{\infty \}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1c7e4c0c4f4df889c3a02076ec5af29fe95319ac)
eine diskrete Bewertung, Exponentialbewertung oder nicht-archimedische Bewertung, wenn die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:
![{\displaystyle v(ab)=v(a)+v(b)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/bc0146408cb71591e419dfb56b338ed5a166ecbb)
![{\displaystyle v(a)=\infty \iff a=0}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1a44324c7d9a0026b50f2d81d13599aaef275db7)
![{\displaystyle v(a+b)\geq \min\{v(a),v(b)\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/78618a0631bbe51fa084fd695716f82c384e773d)
für alle
.
zusammen mit
heißt diskret bewerteter Körper.
Beispiele
- die
-Bewertung auf den rationalen Zahlen für eine Primzahl ![{\displaystyle p}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/81eac1e205430d1f40810df36a0edffdc367af36)
- die Nullstellen- bzw. Polordnung meromorpher Funktionen in einem festen Punkt
Diskrete Bewertungen und diskrete Bewertungsringe
Die Teilmenge
![{\displaystyle A:=\left\{x\in K\mid v(x)\geq 0\right\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/878d0098fe5c9278623490f49acbcd3adb4ea57f)
bildet einen Unterring von
, den Bewertungsring von
. Er ist ein diskreter Bewertungsring mit einem maximalen Ideal
, welches Hauptideal ist.
Ist umgekehrt
ein diskreter Bewertungsring, so ist durch
![{\displaystyle v(x)=\sup \left\{k\in \mathbb {Z} \mid x\in {\mathfrak {m}}^{k}\right\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ce62eace03258baebdcd54e12c399ebd04c863b8)
eine diskrete Bewertung auf dem Quotientenkörper von
definiert.
Diskrete Bewertungsringe und diskret bewertete Körper entsprechen einander.
p-Bewertung
Es sei
eine Primzahl.
Die
-Bewertung (auch: die
-adische Bewertung oder der
-Exponent)
einer natürlichen oder ganzen Zahl
ist die größte Zahl
, so dass
noch durch
teilbar ist. Die
-Bewertung gibt an, wie oft eine Primzahl
in der Primfaktorzerlegung einer natürlichen oder ganzen Zahl vorkommt.
Ist
![{\displaystyle n=p_{1}^{a_{1}}p_{2}^{a_{2}}...p_{k}^{a_{k}},}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8c2965c9019d2d247794d2a2bba2d822c533e3a6)
so ist
![{\displaystyle v_{p_{1}}(n)=a_{1},\quad v_{p_{2}}(n)=a_{2},\quad \ldots ,\quad v_{p_{k}}(n)=a_{k}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6838ca0dbe5fc9e10a8ea9b870a44ffd884fc058)
Tritt eine Primzahl
nicht in der Primfaktorzerlegung von
auf, dann ist
.
Man setzt
, weil jede Potenz jeder Primzahl die 0 teilt.
Die
-Bewertung einer ganzen Zahl ist die ihres Betrags.
Die
-Bewertung einer rationalen Zahl ist die Differenz der
-Bewertungen des Zählers und des Nenners: Für eine rationale Zahl
mit
ist also
![{\displaystyle v_{p}(r)=v_{p}(m)-v_{p}(n).}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9df00076975dc55355ea3b415252cb6a3699bd84)
Geht p nur im Nenner des (vollständig gekürzten) Bruchs
auf, ist
also eine negative Zahl.
Die
-Bewertung rationaler Zahlen spielt eine wichtige Rolle bei einer Konstruktionsart der p-adischen Zahlen: die Funktion
![{\displaystyle r\mapsto p^{-v_{p}(r)}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5c5b9f1e7e7eb736234b5adad2613a97f6058180)
bildet auf den rationalen Zahlen einen nichtarchimedischen Betrag.
p-ganze und S-ganze Zahlen
Eine
-ganze Zahl (auch "
-adisch ganze Zahl" oder "für
ganze Zahl") ist eine rationale Zahl, die nichtnegative
-Bewertung hat, d. h. bei der in einer vollständig gekürzten Bruchdarstellung der Nenner nicht durch
teilbar ist. Rationale Zahlen, die nicht
-ganz sind, werden manchmal auch "
-gebrochen" genannt.
Die Menge aller
-ganzen Zahlen ist ein Unterring von
, der
geschrieben wird.
ist ein diskreter Bewertungsring, insbesondere gibt es bis auf Assoziierte genau ein irreduzibles Element, nämlich
.
Ist allgemeiner
eine Menge von Primzahlen, so ist eine
-ganze Zahl eine rationale Zahl, die
-ganz für jedes
ist (!), d. h. bei der in einer vollständig gekürzten Bruchdarstellung der Nenner nur durch Primzahlen aus
teilbar ist. Die Menge der
-ganzen Zahlen bildet einen Unterring
von
.
- Beispiele
- Für
ist
.
- Für eine Primzahl
und
ist
, der diskrete Bewertungsring der
-ganzen Zahlen.
- Für
ist
der Ring der abbrechenden (durch eine endliche Ziffernfolge darstellbaren) Dezimalbrüche.
Verallgemeinerungen
Der Begriff einer Norm kann allgemeiner gefasst werden, indem statt Vektorräumen über dem Körper
der reellen oder komplexen Zahlen beliebige Vektorräume über bewerteten Körpern
, also Körpern mit einem Absolutbetrag
, zugelassen werden.[4] Eine weitere Verallgemeinerung besteht darin, dass der Vektorraum durch einen
-(Links)-Modul
über einem unitären Ring mit Betrag
ersetzt wird. Eine Funktion
heißt dann Norm auf dem Modul
, wenn für alle
und alle Skalare
die drei Normeigenschaften Definitheit, absolute Homogenität und Subadditivität erfüllt sind. Wenn im Grundring
der Betrag durch einen Pseudobetrag ersetzt wird und im Modul
die Homogenität zur Subhomogenität abgeschwächt wird, erhält man eine Pseudonorm.
Literatur
- B. L. van der Waerden: Algebra II, Springer-Verlag (1967), ISBN 3-540-03869-8, Achtzehntes Kapitel: "Bewertete Körper", S. 200–234.
- J. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie, Springer-Verlag (2006), ISBN 3-5403-7547-3, Kapitel II: "Bewertungstheorie", S. 103–191.
- Serge Lang: Algebra, Springer (2005), ISBN 0-387-95385-X, Absolute Values, S. 465–499.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Waerden, op. cit., S. 200
- ↑ Neukirch, op. cit., S. 121
- ↑ Heinz-Dieter Ebbinghaus et al.: Zahlen. 2. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 1988, Kapitel 4. S. 65
- ↑ Falko Lorenz: Einführung in die Algebra II. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, 1997, S. 69.