Bernd DeweBernd Dewe (* 27. November 1949 in Herford; † 14. Januar 2017) war ein deutscher Soziologe, Berufs- und Bildungsforscher und Hochschullehrer an der Universität Halle-Wittenberg. LebenBernd Dewe studierte Soziologie, Philosophie, Sozialökonomie und Erziehungswissenschaft an den Universitäten Bielefeld, FU Berlin und Osnabrück. Als Stipendiat der Max-Planck-Gesellschaft arbeitete Bernd Dewe 1979–1981 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin im Rahmen eines Forschungsprojektes zu problemorientierten Bildungsprozessen in Großorganisationen. Anschließend war Dewe an der Universität Osnabrück von 1981 bis 1986 als wissenschaftlicher Angestellter im Fachbereich Sozialwissenschaften tätig, wo er 1982 mit einer Dissertation über Wissensstrukturen zum Doktor der Staats- und Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) promovierte. Von 1986 bis 1989 wechselte Dewe als Hochschulassistent an die Erziehungswissenschaftliche Hochschule Rheinland-Pfalz (Seminar für außerschulische Bildung und Berufspädagogik), wo er sein Konzept der Professionsforschung entwickelte. Dewe habilitierte 1987 mit einer Schrift über gesellschaftliche Kommunikationsstrukturen und war in Folge Privatdozent für Bildungs-Berufssoziologie an der Universität Osnabrück. Im Jahre 1991 wurde Bernd Dewe auf eine Professur (C3) für Außerschulische Bildung im Fachbereich Erziehungswissenschaften an die Universität Koblenz-Landau berufen. Er vertrat mehrfach Professorenstellen u. a. an den Universitäten Bielefeld, Augsburg, Berlin, Osnabrück etc. und folgte 1992 dem Ruf auf eine Professur (C4) für betriebliche und arbeitsmarktbezogene Weiterbildung an die Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Neben seiner Tätigkeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg war Bernd Dewe seit 1988 Dozent für Allgemeine Erziehungswissenschaft im „Weiterbildenden Studiengang Betriebspädagogik“ in Rheinland-Pfalz. Des Weiteren war er seit Ende der 1990er Jahre Lehrbeauftragter an der Donau-Universität Krems und an der Universität Linz (2003) und Gastprofessor an der Fachhochschule St. Pölten in Österreich. ForschungVor dem Hintergrund intensiver Forschung zum Verhältnis von bildendem, beratendem und therapeutischem Handeln in Arbeitsfeldern der Sozialarbeit, Erwachsenenbildung und Schule im Rahmen der neueren Wissensverwendungsforschung ist sowohl die mit Enno Schmitz herausgegebene Schriftenreihe „Untersuchungen zu Problemen beratenden und erwachsenenpädagogischen Handelns“ an der FU Berlin zu sehen, als auch mehrere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Drittmittelprojekte zur Analyse der Nutzung sozialwissenschaftlichen Wissens in Beratungszusammenhängen, zur Bedeutung wissenschaftlicher Expertise im Professionshandeln sowie zu Stellenwert und Funktion der Sozialwissenschaften bei der Reform der Lehrerausbildung. Bernd Dewe befasste sich seit Mitte der 1970er Jahre mit wissenschaftlichen und methodischen Problemstellungen, die einerseits Möglichkeiten der Verknüpfung von Strukturtheorie und Interaktionstheorie betreffen und andererseits den Zusammenhang zwischen verschiedenen sozialen Wissensformen (Erfahrungswissen, Routinewissen, Expertenwissen u. a.) in Ausbildung und Berufspraxis von Erwachsenenbildnern und Sozialpädagogen thematisieren. Neben der Bildungsforschung im Bereich der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung war Bernd Deve in der Professionsforschung tätig und beschäftigte sich mit Fragen der Wissenschaftstheorie. Seit 2009 war er wissenschaftlicher Leiter des von ihm 2008 gegründeten multidisziplinären und interuniversitären Graduiertenkollegs „Wandlungsprozesse in Industrie- und Dienstleistungsberufen und Anforderungen an moderne mediale Lernwelten in Großunternehmen / Großorganisationen“ mit den beteiligten Hochschulen Halle-Wittenberg, Dresden, Chemnitz, Bielefeld, Calw und der Hochschule St. Pölten in Österreich. In diesem Zusammenhang gab Bernd Dewe eine wissenschaftliche Schriftenreihe im Kovac-Verlag, Hamburg heraus. Dewes Konzept der Reflexiven ProfessionalitätEin Kernanliegen der reflexiven Professionalität ist es, den Blick auf die Wechselbeziehungen unterschiedlicher Wissens- und Handlungsformen im Bereich professionalisierter Praxis sowie auf die Struktur des professionellen Handelns zu richten. Professionalität ist der gemeinsame Bezugspunkt der Wissensformen Handlungswissen und Wissenschaftswissen. Sie drückt sich durch spezifisches Handeln aus und wird durch Erfassen der Unterschiede (Kontrastierung) und des Verbindenden (Relationierung) beider Wissensformen gebildet. Ein solches Professionswissen stützt sich auf zwei Wissenskomponenten – auf ein reflexives Wissenschaftsverständnis und auf eine situative/sozialkontextbezogene Angemessenheit. Professionen bilden nach Dewe eine Institutionalisierungsform der Relationierung von Theorie und Praxis, in der wissenschaftliche Wissensbestände praktisch-kommunikativ in den Prozess der alltäglichen Organisation des Handelns und der Lösung hier auftretender Probleme fallbezogen kontextualisiert werden. Professionswissen ist Bestandteil des praktischen Handlungswissens im Sinne einer spezifischen Kompetenz, die auch als Können bezeichnet werden kann. Daher kann Wissenschaftswissen professionelles Wissen und Können nicht ersetzen. Es stellt lediglich Vorkenntnisse zur Verfügung, auf die der Professionelle zwar angewiesen ist, die für sich genommen jedoch keine gelingende Handlungspraxis garantieren würden. Professionswissen wird durch Routinisierungen und Habitualisierungen der praktischen Tätigkeiten erworben. Damit bildet die bestehende Praxis den Ausgangspunkt für das entscheidende Praxiswissen. Bernd Dewe bezieht sich ausdrücklich auf die individuelle Lebenspraxis der Klienten. Dabei bezieht er jedoch auch gesellschaftliche Verursachungszusammenhänge in die professionelle Intervention mit ein, indem er den Fallbegriff rekonstruktivistisch erweitert. Falldarstellung, -geschichte, -bericht und -rekonstruktion sind also nicht auf die jeweilige Person (eines Klienten) in ihrer individuellen Existenz, also nicht auf den Einzelfall als solchen bezogen, sondern orientieren sich an den sozialen Kontexten und Konstellationen, unter denen Menschen leben, und nehmen in dieser Perspektive Familien, sonstige Primärgruppen und Organisationen wie Schulen, Betriebe, Kliniken etc. in den Blick. Die Publikationen von Bernd Dewe zur reflexiven Professionalität gehen diesen Aspekten detailliert nach und erstrecken sich über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren. Dewe starb im Alter von 67 Jahren.[1] Ehrungen und AuszeichnungenIm September 2014 wurde Dewe mit einem Festakt in seiner Geburtsstadt Herford für sein Lebenswerk geehrt, unter anderem mit Laudationes von Peter J. Weber und Peter Pantuček.[2] Vorsitz, Mitgliedschaften, Mitherausgeberschaften
Schriften (Auswahl der Monographien und Editionen)
Untersuchungen zur Reflexiven Professionalität:
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
|
Portal di Ensiklopedia Dunia