Bellum omnium contra omnesMit dem lateinischen Ausdruck bellum omnium contra omnes – „Krieg aller gegen alle“ oder „Kampf aller gegen alle“ – beschrieb der englische Philosoph Thomas Hobbes in seinem lateinischsprachigen Werk De Cive (1642) einen angenommenen Naturzustand der Menschheit. In seiner staatstheoretischen Schrift Leviathan (1651) in englischer Sprache arbeitete er diesen Gedanken weiter aus. Sprachgebrauch bei HobbesDe CiveIn seiner lateinischen Schrift De Cive (Über den Bürger) von 1642 spricht Hobbes erstmals vom bellum omnium contra omnes, und zwar wörtlich in der Praefatio (Vorrede), Sektion 14:
Dies sei der Zustand vor der Entstehung menschlicher Gesellschaftsformen gewesen. In Kapitel 1, Sektion 12, taucht der Begriff leicht abgewandelt auf, als bellum omnium in omnes:
LeviathanHobbes’ Leviathan erschien 1651 in englischer Sprache. Im ersten Teil verwendet Hobbes die Formulierungen warre of every one against every one (Kapitel 14) und a warre […] of every man against every man (Kapitel 13 und 14) sowie a perpetuall warre of every man against his neighbour (Kapitel 24). Die zentrale Passage in Kapitel 13 lautet:
ErläuterungMit der Theorie vom „Krieg aller gegen alle“ postulierte Hobbes, dass der Mensch im Naturzustand nicht friedlich mit seinem Mitmenschen zusammenleben würde. Jeder muss, so die im Leviathan vorausgehenden Überlegungen, letztlich sein eigenes Leben absolut setzen – verliert er es, so verliert er alles, was er besitzt. In der Folge könne sich niemand von irgendjemandem eine Beschneidung seiner Rechte und eine Zurückstufung gefallen lassen, mit der er womöglich in letzter Konsequenz eher als ein anderer dem Wohl der Gemeinschaft geopfert würde. Jedem bleibt im Zustand vor dem Zusammenleben mithin nur die Möglichkeit, sich diesem Zusammenleben zum eigenen Schutz zu verweigern und einen Kampf gegen die anderen zu führen, die ihm nur eine reduzierte, seinen Wert relativierende Stellung in einem Gemeinwesen anbieten können (homo homini lupus). Aus der Tatsache, dass wir jedoch nur in Gruppen überleben können, folgt an dieser Stelle ein Nächstes, was den Aufbau dieser Gruppen betrifft: Das menschliche Zusammenleben kann nur friedlich gedeihen, wenn eine absolute Macht gesetzt wird, eine Macht, die allen die Ansprüche auf den Existenzkampf beschneidet und im Notfall den Einzelnen, etwa einen Straftäter, all seiner Rechte berauben kann. Hobbes setzte hier die weiteren Überlegungen an, dass unter allen Formen absoluter Machtausübung die Monarchie, die Machtausübung durch einen Einzelnen, die sicherste ist: Der Regent ist wie jedes Individuum auf seine persönliche Sicherheit bedacht und verteidigt mit seiner Person die absolute Machtausübung, die ihm eingeräumt wird, unter Einsatz dessen, was ihm persönlich am kostbarsten ist: seines Lebens. Die Herrschaft eines einzelnen Regenten geschieht so gesehen mit einer Entschlossenheit und Einheit, die kein Gremium aus mehreren Individuen mehr aufbieten kann. Alle weitere Macht im Gemeinwesen – das schließt Macht der Religionen ein – müsse darauf verpflichtet werden, die absolute Macht des Regenten zum Schutz aller voreinander zu stärken. Historischer HintergrundIm Januar 1649 wurde Karl I. von England im englischen Bürgerkrieg enthauptet. Thomas Hobbes nahm als Anhänger der Krone die Ereignisse aus dem französischen Exil wahr. Sein Leviathan erschien aus dem Ausland lanciert auf dem englischen Markt und als Affront gegen alle agierenden Parteien: Hobbes forderte die Rückkehr zur Monarchie, und zwar zu einer entschieden absoluteren, als sie zuvor bestand. Ohne einen starken König geschah in England, so seine Darlegung, was von Natur aus geschehen musste: Der Bürgerkrieg, der Krieg aller gegen alle, brach aus, was für Hobbes nur dadurch zu lösen war, dass der exilierte Thronnachfolger zurückkehre und eine vollständig souveräne weltliche Macht etabliert werde – in England durch strikte Unterordnung der Religion in allen Fragen des bürgerlichen Zusammenlebens unter die Staatsräson, die den Krieg aller gegen alle zu verhindern habe. Der Leviathan provozierte Vertreter der Religion – da sie das Menschenbild mit Hobbes teilten, wenn sie dem Menschen eine nur mit Gewalt zu bändigende böse Natur zutrauten. Die Konsequenz war jedoch für Hobbes die Entmachtung der Kirche und des religiösen „Dissents“ in allen Fragen weltlicher Regierung. Hobbes spielte den Affront offen aus, wenn er darauf bestand, dass der Krieg aller gegen alle nicht einmal mit dem Sündenfall zu tun haben sollte, sondern allein aus der natürlichen Verteidigung des Lebens resultiere, die mit dem Bewusstsein der eigenen Existenz beginne. Es genüge eine allein als Materieansammlung gedachte Welt, um den gegenwärtigen Zustand zu erklären – sollte die Religion im Menschenbild darüber hinaus aber mit ihm übereinstimmen, so würde sie seine Thesen nur unterstreichen. WirkungDas Theorem vom „Krieg aller gegen alle“ wurde in der Staatsrechtsdiskussion einflussreich, da es eine Legitimation dafür anbot, weltliche Macht unabhängig von religiösen Fundierungen zu konzipieren und die Rolle der Religion im Staat unterzuordnen. Kompromissformeln wurden mit den staatsrechtlichen Visionen Pufendorfs und der weniger prominenten Philosophen gesucht, die auf Hobbes, den des Atheismus verdächtigen Philosophen, reagierten. Durch die Glorious Revolution 1688, in der ein weiteres Mal ein englischer König abgesetzt wurde, wurde Hobbes’ Postulat erschüttert, da die Ereignisse nicht in einen erneuten Bürgerkrieg führten. Stattdessen erwies sich eine Kontrolle weltlicher Macht als organisierbar. John Locke reagierte auf diese Entwicklungen mit dem staatstheoretischen Modell, das er in den Two Treatises of Government (Zwei Abhandlungen über die Regierung) 1689 veröffentlichte. Denkbar war im neuen Modell, dass Menschen im Naturzustand einen weit komplexeren Gesellschaftsvertrag als den von Hobbes skizzierten aushandeln und sich zum gemeinsamen größtmöglichen Wohlstand zusammenschließen. Die kritischere Debatte des Menschenbildes, das Hobbes mit dem „Krieg aller gegen alle“ postuliert hatte, setzte mit Shaftesbury in den 1690er Jahren ein, der den Menschen im Naturzustand als altruistisches, für seine Mitmenschen zur Selbstaufopferung bereites Lebewesen konstruierte und der postulierte, der gegenwärtig zu beobachtende Egoismus sei primär das Ergebnis einer Staatsform und religiöser Vorstellungen, die an diesen Egoismus so lange und mit einem solchen Aufgebot an Belohnungen und Strafen appellierten, bis er sich zur individuellen Grundhaltung entwickelte. Literatur
Weblinks
|
Portal di Ensiklopedia Dunia