BarockviolineDie Barockvioline (auch gelegentlich Violine in alter Mensur oder Kurzhalsgeige genannt) entspricht der gängigsten Bauweise und der Klangästhetik, die in den ersten beiden Jahrhunderten nach dem ersten Auftreten der Violine üblich waren (etwa 1580–1800). Das Instrument wird seit Ende der 1950er Jahre wieder verstärkt in Abgrenzung zur modernen Violine verwendet (siehe Historische Aufführungspraxis). Der Begriff Barockvioline ist eher neueren Datums und eigentlich kunsthistorisch nicht korrekt, weil die Violine einige Jahrzehnte vor dem Beginn der Barockzeit in ihrer grundlegenden äußeren Form und Funktion entstanden ist. Die heute vorhandenen sogenannten Barockviolinen lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Unterschiede zur modernen ViolineDie Unterschiede der Barockvioline zur modernen Violine und Bratsche, aber auch zu anderen Instrumenten der Violinfamilie sind:
KlangDer Klang der Barockgeige war im Gegensatz zur modernen Violine weniger genormt. Es bestanden zum Teil erhebliche regionale Unterschiede in der Lautstärke. Der französische Schriftsteller François Raguenet berichtete, dass die Violinen in Italien bedingt durch dickere Saiten doppelt so laut klängen wie in Frankreich.[2] Georg Philipp Telemann berichtet in seiner Biografie von Musik in Wirtshäusern, bei der eine hochgestimmte Violine „ein halbes dutzend andre überschreien konnte“.[3] Der amerikanische Musikwissenschaftler David D. Boyden äußert in seinem Standardwerk zur Geschichte des Violinspiels von 1971 die Meinung, man könne Ton und Klangqualität der alten Violinen nicht in Worten beschreiben, spekuliert aber, dass der Ton kleiner, weniger brillant, süßer und weniger metallisch gewesen sei.[4] Eduard Melkus beschreibt 1973 den Klang der Barockvioline als „weich“, „transparent“ und „silbrig“, der tragende und majestätische Klang der modernen Violine fehle jedoch.[5] Nikolaus Harnoncourt charakterisiert den Ton der Barockvioline gegenüber dem modernen Instrument als „leise, aber von süßer Schärfe“.[6] Haltung und SpieltechnikIm Gegensatz zum modernen Instrument wird die Barockvioline zumeist ohne Schulterstütze und Kinnhalter gespielt. Das Instrument wird direkt auf das Schlüsselbein oder die Schulter gelegt. In selteneren Fällen wird es, wie bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts üblich und auf alten Abbildungen ersichtlich, oberhalb der Brust gehalten. Diese Haltungen erfordern eine grundlegend veränderte Technik der linken Hand beim Lagenwechsel. Die andersartige Bauweise, die Darmsaiten, der historisch korrekte Bogen und die historische Spielweise führen zu einem sehr charakteristischen Klang, der stark von dem der modernen Violine abweicht. Sowohl die Beherrschung dieses Klangs als auch die entsprechende historische Aufführungspraxis und Spielhaltung erfordern eine darauf angepasste Spieltechnik, die heute an den meisten Musikhochschulen und in Meisterkursen gelehrt wird. Zu den möglichen unterschiedlichen Bogenhaltungen schrieb Georg Muffat im Jahre 1698:
Historische Quellen für die SpielpraxisEine der wichtigsten Grundlagen für die originale Spielweise sind Notenhandschriften des 17. und 18. Jahrhunderts sowie historische Unterrichtswerke. Aus dem deutschsprachigen Raum sind zu erwähnen Leopold Mozarts „Versuch einer gründlichen Violinschule“ (1756). An junge Anfänger gerichtet, ist das 1695 in Augsburg entstandene Lehrwerk Daniel Mercks (1650–1713) „Compendium musicae instrumentalis Celicae: kurtzer Begriff welcher Gestalten die Instrumental-Music auf der Violin, Pratschen, Viola da Gamba und Bass gründlich und leicht zu erlernen seye“. Bezüglich der Besaitung schreibt Michael Praetorius 1619 in seinem Syntagma musicum II S. 48, Abschnitt „VIOLN DE BRACIO“:
Der „Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen“ von Johann Joachim Quantz ist zwar in erster Linie für die Querflöte gedacht, enthält aber auch zahlreiche Hinweise zum barocken Spielstil der Streichinstrumente. In Mailand erschien 1645 Il scolaro per imparar a suonare di violino von Gasparo Zanetti, 1791 in Rom Francesco Galeazzis Elementi teoretico-pratici di musica con un saggio l'arte suonare il violino analizzata, ed a dimonstrabilis principi ridotta. John Lentons The Gentleman's Diversion, or the Violin explained erschien 1698 in London, 1751 schließlich Francesco Geminianis L'Arte del Violino, das einen wichtigen Einfluss auf die damalige Violintechnik hatte. In Frankreich erscheint 1636 Marin Mersennes Werk Harmonie Universelle, um 1738 in Paris dann Michel Correttes L'École d'Orphée, in der er wichtige Anweisungen zur zeitgenössischen Interpretation des italienischen und französischen Stils gibt. Das Werk L'Art de se perfectionner sur le violon ist als Fortsetzung anzusehen. Um 1740 erscheint Guillaume-Pierre Duponts (1718–1778) Principes de violon par demandes et par reponce („Fragen und Antworten zu den Prinzipien der Violine“). Giuseppe Tartini veröffentlichte 1771 in Paris Traité des agréments de la musique. Mehr und mehr „moderne“ Violinisten benutzen je nach Repertoire neben der modernen Violine die Barockvioline, z. B. Christian Tetzlaff, Thomas Zehetmair oder Maxim Wengerow. Letzterer spielt immer wieder Mozarts Violinkonzerte oder das Beethovenkonzert auf der Barockvioline. Andere namhafte Solisten entdecken die historische Aufführungspraxis und setzen die Spieltechnik der Barockviolinisten auf herkömmlichen Instrumenten ein, wie Viktoria Mullova mit dem Mailänder Barockensemble Il Giardino Armonico. Siehe auchLiteratur
WeblinksEinzelnachweise
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