Bahnstrecke Praha–Děčín
Die Bahnstrecke Praha–Děčín ist eine zweigleisige, elektrifizierte Hauptbahn („celostátní dráha“) in Tschechien, die ursprünglich als Teil der k.k. Nördlichen Staatsbahn erbaut und betrieben wurde. Sie verläuft von Prag entlang der Moldau und der Elbe bis in die nordböhmische Stadt Děčín (Tetschen). Die Strecke ist Teil des Paneuropäischen Verkehrskorridors IV und des TEN-Korridors Nr. 22 (Athen–Nürnberg/Dresden). GeschichteVorgeschichteFür die Anbindung an das sächsische Eisenbahnnetz wurden alle Vorschläge geprüft und es ergaben sich zwei Möglichkeiten: Die Strecke durch das Elbtal und die Strecke über Reichenberg durch die Oberlausitz. Die technische Kommission lehnte den zweiten Vorschlag ab, da die Steigungen mit bis zu 10 Promille für die damalige Technik zu steil waren, um die Eisenbahn auszubauen. Im Jahr 1842 schlossen Österreich und Sachsen einen Staatsvertrag über die Trasse im Elbtal und die Staatsgrenze bei Niedergrund. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1845.[2] Die wichtigsten Bauwerke waren der ca. 1,1 km lange Prager Viadukt und die großen Brücken über die Flüsse Eger und Bílina (dt. Biela). Die Revolution von 1848 verzögerte den Bau der Strecke.[3] Eröffnungsdaten:[3]
Im Betrieb der österreichisch-ungarischen StaatseisenbahngesellschaftDie österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesellschaft (StEG) wurde 1854 mit französischem Kapital gegründet. Sie übernahm im Januar 1855 vom österreichischen Staat sowohl die Konzessionen für die Nördliche und Südöstliche Staatsbahn als auch für weitere Staatsbahnlinien in Ungarn. Trotz des Widerstandes der KFNB strebte die StEG sowohl eine direkte Verbindung in die Hauptstadt Wien als auch beider Teilnetze untereinander an. Dieses Ziel war 1870 erreicht. Von nun an war die Strecke zwischen Prag und Bodenbach Teilstrecke einer durchgehenden Nord-Süd-Verbindung der StEG, die ab 1878 bis zur damaligen ungarisch-rumänischen Grenze bei Orșova reichte. Am 15. Oktober 1909 wurde die StEG verstaatlicht. Die Strecke Prag–Bodenbach gehörte fortan zum Netz der k.k. Staatsbahnen kkStB. In der Ersten RepublikNach dem für Österreich-Ungarn verlorenen Ersten Weltkrieg gelangte die Strecke ins Eigentum der neu gegründeten Tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD). Der Fahrplan von 1919 verzeichnete nur vier Reisezugpaare über die Gesamtstrecke, darunter ein Schnellzugpaar. Weitere vier Personenzüge bedienten den Vorortverkehr Prag–Kralupy. Die Reise im Schnellzug über die 130 Kilometer lange Strecke zwischen Prag und Bodenbach dauerte damals 3 Stunden und 5 Minuten, was einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 42 km/h entsprach.[4][5][6] Sudetenkrise und Zweiter WeltkriegAls im Herbst 1938 die Sudetenkrise ihren Höhepunkt erreichte, kam ab 24. September 1938 sämtlicher Eisenbahnverkehr zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei zum Erliegen. Wenige Tage später begann die ČSD, sämtliches mobiles Eigentum aus den betroffenen Gebieten abzufahren. Als das Gebiet am 1. Oktober 1938 gemäß dem Münchner Abkommen an Deutschland fiel, waren die Eisenbahnstrecken von allen Fahrzeugen und Dienststelleneinrichtungen geräumt.[7] Die Strecke zwischen Lobositz und Bodenbach wurde fortan von der Reichsbahndirektion Dresden verwaltet. Nur langsam konnte der Betrieb mit deutschen Fahrzeugen wieder aufgenommen werden. Ein Zugverkehr über die neue Grenze bei Lobositz fand dabei zunächst nicht statt. Im Reichskursbuch war die Verbindung als KBS 165 (Berlin–) Dresden–Bodenbach–Aussig–Lobositz–Prag (–Wien) enthalten.[8] Erst im Frühjahr 1939 wurde der durchgehende Schnellzugverkehr zwischen Prag und Dresden wieder aufgenommen, nachdem zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei entsprechende Verträge geschlossen worden waren. Als Grenzbahnhöfe wurden Theresienstadt-Bauschowitz und Lobositz bestimmt. Alle Schnellzüge mussten allerdings weiter mit tschechischen Lokomotiven bis Bodenbach verkehren, da ein Einsatz deutscher Lokomotiven wie der Baureihe 01 wegen Achslastbeschränkungen nicht möglich war. Eine besondere strategische Bedeutung erhielt die Strecke im Zweiten Weltkrieg. Wegen ihrer Frontferne war sie bis zum Kriegsende für den Güterverkehr im deutschen Machtbereich nutzbar. Von direkten Kriegseinwirkungen war die Strecke Prag–Bodenbach lange Zeit nicht betroffen. Erst bei den Luftangriffen auf Aussig am 17. und 19. April 1945 wurden die dortigen Eisenbahnanlagen schwer beschädigt. Unmittelbar am Ende des Zweiten Weltkrieges kam die Strecke wieder vollständig zu den ČSD. Nach dem Zweiten WeltkriegAm 23. Dezember 1980 wurde die Neubaustrecke Praha Libeň–odb. Stromovka eröffnet. Seitdem werden alle Fernzüge über den neuen Fernbahnhof Praha-Holešovice geleitet. Auf der alten Strecke von Praha Masarykovo nádraží verkehren seitdem nur noch Nahverkehrszüge und einige nationale Schnellzüge. Ende der 1980er Jahre erreichte die Bedeutung der Bahnstrecke Praha–Děčín im internationalen Reiseverkehr ihren Höhepunkt. Der Jahresfahrplan 1988/89 verzeichnete insgesamt 13 internationale Schnellzugpaare zwischen Prag und Dresden. Schnellste Verbindung war der Interexpress Hungaria, der die Strecke zwischen Praha-Holešovice und Děčín mit einem Zwischenhalt in Ústí nad Labem in 106 Minuten bewältigte.[9][10][11][12][13] Wichtige internationale Reisezüge im Fahrplan 1988/89 (in Auswahl):
ElektrifizierungErste kurze Abschnitte der Bahnstrecke Praha–Děčín bekamen schon Anfang der 1960er Jahre eine elektrische Fahrleitung, die aber zunächst nur für den Güterverkehr genutzt wurde. Die durchgängige Elektrifizierung der Gesamtstrecke begann erst Ende der 1970er Jahre und wurde 1986 abgeschlossen. Folgende Tabelle zeigt die Eröffnungsdaten des elektrischen Zugbetriebes:
Der Streckenausbau im Rahmen des Projektes „Erster Eisenbahnkorridor“Am 27. Mai 2002 wurde die begradigte Neubautrasse zwischen Nové Ouholice und Mlčechvosty in Betrieb genommen. Seit dem 26. November 2002 ist die Trasse zweigleisig befahrbar, das alte Gleis wurde kurz darauf abgebrochen. Am 12. Oktober 2004 waren die Bauarbeiten am 1. Eisenbahnkorridor nach 11 Jahren offiziell beendet. Unausgebaut waren zu diesem Zeitpunkt nur noch die Abschnitte Praha Masarykovo nádraží–Praha-Bubeneč, Kralupy nad Vltavou–Nelahozeves zámek und Ústí nad Labem jih–Ústí nad Labem sever. Der Abschnitt im Eisenbahnknoten Ústí nad Labem wurde schließlich ab 2005 erneuert und bis 2008 fertiggestellt. Die avisierte durchgehende Streckengeschwindigkeit von 160 km/h konnte allerdings nur auf dem 54 Kilometer langen Teilabschnitt Nelahozeves–Lovosice erreicht werden. Zwischen Prag und Kralupy nad Vltavou sowie zwischen Lovosice und Děčín war es aus topografischen und finanziellen Gründen nicht möglich, die engen Gleisbögen zu begradigen oder aufzuweiten. Teilweise bestehen dort nach wie vor Geschwindigkeitsbegrenzungen bis 80 km/h. Nach der vorläufigen Beendigung der Bauarbeiten im Jahr 2004 wurde auf der Strecke stufenweise ein integraler Taktfahrplan eingeführt. Die Taktknoten mit Symmetriezeit zur vollen Stunde befinden sich in Lovosice (Schnellzüge Praha–Děčín; Minute 56/58), Ústí nad Labem (Personenzüge Most–Děčín; Minute 55/57 bzw. 58/00) und Děčín (Eurocity Praha–Berlin; Minute 55/57 bzw. 00/02).[14] Im Februar 2013 begann auch der Ausbau im Prager Stadtgebiet zwischen dem Bahnhof Praha-Holešovice und Praha-Bubeneč. Der Infrastrukturbetreiber SŽDC investierte dort insgesamt 936 Mio. Kč in die vollständige Erneuerung der Gleise und Anlagen. Der Abschnitt ist im Laufe des Jahres 2015 fertiggestellt worden.[15]
Der letzte bislang nicht erneuerte Abschnitt zwischen Kralupy nad Vltavou und Nelahozeves wird ab 2020 ausgebaut werden. Durch die alten Tunnel soll dann nur noch eines der beiden Streckengleise verlaufen und so eine Aufweitung des bislang zu geringen Lichtraumprofiles ermöglichen. Für das Streckengleis Děčín–Praha entsteht ein neuer 580 Meter langer Tunnel parallel zu den alten. Gerechnet wird mit Gesamtkosten von bis zu 1,5 Milliarden Kč. Eine Fertigstellung des Abschnittes ist bis 2025 vorgesehen.[16] Darüber hinaus bestehen Überlegungen, die Relation Prag–Ústí nad Labem mittel- bis langfristig durch eine Neubaustrecke, die Teil einer Schnellfahrstrecke Dresden–Prag werden soll, zu ergänzen und die Bestandsstrecke damit vom Schienenpersonenfernverkehr zu entlasten. Bis 2026 ist die Ausrüstung der Strecke mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS vorgesehen, die Streckenausrüstung liefert der tschechische Hersteller AŽD Praha.[17] StreckenbeschreibungVerlaufIhren Beginn hat die Bahnstrecke von Prag nach Děčín im Kopfbahnhof Praha Masarykovo nádraží. Noch im Bahnhofsgelände zweigt die Trasse nach links in einem Gleisdreieck ab und überquert auf dem Negrelliviadukt die Moldau. Von nun an verläuft die Strecke orografisch links entlang der Flüsse Moldau und Elbe. Im Engtal bis Kralupy folgt die Strecke den Flussbögen der Moldau, oft direkt unter steilen Felswänden verlaufend. Bei Kralupy passiert die Strecke drei kurze, direkt aufeinanderfolgende Tunnel, die noch aus dem Eröffnungsjahr stammen. Danach verläuft die Trasse durch die weite Niederung von Moldau und Elbe, bleibt aber immer nahe dem Flusslauf. Hier – zwischen Nelahozeves und Lovosice – besteht auch der einzige längere Streckenabschnitt, wo die zulässige Streckengeschwindigkeit von 160 km/h ausgefahren werden kann. An der Porta Bohemica bei Lovosice beginnt der kurvenreiche Abschnitt durch das Elbdurchbruchstal im Böhmischen Mittelgebirge. Im nordböhmischen Grenzbahnhof Děčín hl.n. endet die Strecke. Ihre Fortsetzung findet sie in der einstigen Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn in Richtung Dresden. BetriebsstellenPraha Masarykovo nádražíDer Bahnhof Praha Masarykovo nádraží ist heute der einzige Kopfbahnhof der tschechischen Hauptstadt. Er dient vorwiegend dem Regionalverkehr. Praha-PodbabaDie Haltestelle Podbaba lag ursprünglich weiter nördlich an der Mündung des Šárecký potok in die Moldau. 1867 eröffnet, wurde die Haltestelle nach Einrichtung einer Prager Stadtbuslinie im Jahr 1949 aufgelassen. Die Hochbauten bestanden nur aus einer großen geräumigen Wartehalle mit Diensträumen, die nach 1949 nur noch Wohnzwecken dienten. Das Gebäude ist in Teilen auch heute noch vorhanden.[18] Eine neue Haltestelle Praha-Podbaba wurde am 29. August 2014 im gleichnamigen Prager Stadtteil als Verknüpfungspunkt zur Prager Straßenbahn neu eröffnet, wobei die benachbarte Station Praha-Bubeneč für den Reiseverkehr aufgelassen wurde. Roztoky u PrahyDer Bahnhof Roztoky u Prahy soll bis 2020 für 184 Millionen Kč barrierefrei umgebaut werden. Neben dem Neubau der Bahnsteige für eine Systemhöhe von 550 Millimetern über Schienenoberkante soll auch die Unterführung erneuert und mit Aufzügen ausgestattet werden.[19] Zugverkehr(Stand: Jahresfahrplan 2015) Heute verkehren auf der Strecke zweistündlich EC-Züge in der Relation Berlin–Prag, die teilweise über diese beiden Endpunkte hinaus bis Hamburg, Bratislava und Budapest durchgebunden werden. Es verkehren halbstündlich Schnellzüge und stündlich Nahverkehrszüge zwischen Ústí nad Labem und Prag. Stündlich wird ein Schnellzugpaar nach Děčín durchgebunden und es verkehrt ein Nahverkehrszug von Ústí nad Labem nach Děčín. Literatur
WeblinksCommons: Bahnstrecke Praha–Děčín – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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