Asger Jorn

Asger Jorn (1963)

Asger Jorn (* 3. März 1914 in Vejrum, Jütland; † 1. Mai 1973 in Aarhus; eigentlich Asger Oluf Jørgensen) war ein dänischer bildender Künstler von internationalem Ruf, Grafiker, Keramiker und Schriftsteller.

Leben

Asger Oluf Jørgensen war der Sohn eines Lehrerehepaars. In Silkeborg, wohin die Familie im Jahr 1929 gezogen war, erhielt Jorn private Malstunden von dem Kunstmaler Martin Kaalund-Jørgensen. Es entstanden vor allem Landschaftsdarstellungen und Porträts. Dort lernte Jorn auch den radikalen Syndikalisten Christian Christiansen kennen, womit sein lebenslanges politisches Engagement begann. 1936 zog Jorn nach Paris, um in Fernand Légers Académie Contemporaine einzutreten. Während der deutschen Besetzung Dänemarks im Zweiten Weltkrieg kehrte Jorn als aktiver Kommunist und Widerstandskämpfer nach Dänemark zurück. Nach Kriegsende änderte er seinen Namen in Jorn. Er war Mitglied der Künstlergruppe Høst.[1]

Nach der Besatzung wurde der Freiraum für kritisches Denken aufgrund einer zunehmenden politischen Kontrolle durch die kommunistische Partei von vielen Kommunisten als störend empfunden. Jorn trat infolgedessen aus der Partei aus. Er erlebte große Konflikte zwischen seinem Engagement als Syndikalist und Kommunist einerseits und seiner einfachen evangelisch geprägten Herkunft andererseits, und beide blieben für ihn sein Leben lang lebendig.[2]

Später war er ein Gründungsmitglied der aus den Gruppen Høst, Belgische Revolutionäre Surrealistengruppe und Reflex verschmolzenen Gruppe CoBrA. Beinahe das gesamte Werk Jorns befindet sich in europäischen Sammlungen. Jorn hatte nur wenige Händler in den Vereinigten Staaten, zum Teil, weil er sich weigerte, ein Land zu betreten, in dem er eine Erklärung, kein Kommunist zu sein, hätte unterschreiben müssen. Jorn war Begründer der Internationalen Bewegung für ein Imaginäres Bauhaus (Mouvement pour un Bauhaus Imaginiste). Er war ein führender Kopf des späteren Zusammengehens beider Organisationen mit der Lettristischen Internationale und der London Psychogeographical Association zur Situationistischen Internationale (S.I.). Hier nutzte er sein naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen, das er von Henri Poincaré und Niels Bohr bezog, zur Entwicklung seiner situlogischen Technik.

Im Herbst 1946 konnte er nach Paris zurückkehren, nun unter dem Namen Jorn, der im Ausland nützlicher war, wo er viele Künstler traf. Im folgenden Jahr bereitete er sich auf seine erste Einzelausstellung in Paris vor.

Im Sommer 1948 hielt sich Jorn auf der kleinen Insel Hjarnø im Horsens Fjord auf. Gemeinsam mit Bille und R. Dahlmann Olsen, der u. a. Herausgeber von Helhesten war, entwarf er eine programmatische Erklärung zur Zusammenarbeit mit anderen Künstlern in Europa. Die Erklärung wurde von Egill Jacobsen, Ejler Bille, Asger Jorn, R. Dahlmann Olsen, Erik Thommesen, Carl-Henning Pedersen und Else Alfelt unterzeichnet. Im Herbst kehrte Jorn nach Paris zurück, wo er an einer Künstlerkonferenz teilnahm. Er konnte die französische Haltung nicht akzeptieren und tat sich mit dem belgischen Dichter Christian Dotremont zusammen. Gemeinsam gewannen sie u. a. die niederländischen Dichter Karel Appel, Constant Nieuwenhuis und Corneille für eine Zusammenarbeit. Diese Initiative erhielt den Namen COBRA: COpenhague, BRuxelles und Amsterdam. Der Zusammenschluss dauerte drei Jahre, doch seine Auswirkungen waren noch viele Jahre lang zu spüren.

Gemeinsam mit Constant plante Jorn eine Konferenz, bei der die teilnehmenden Künstler arbeiten und diskutieren konnten. Sie fand im Herbst 1949 statt, allerdings ohne die niederländische Gruppe, die aus Protest fernblieb, weil Constants Frau Matie und Jorn zusammenkamen.

Anfang 1950 malte Jorn eine Reihe von Kriegsvisionen, die von der Angst vor einem Atomkrieg geprägt waren und in Form von beißenden und knurrenden Tieren zum Ausdruck kamen. In dem Gemälde Ørnens ret (Die Rechte des Adlers)[3] versuchte er, die verwüstenden, immer wiederkehrenden Gespenster des Krieges und des Todes zu symbolisieren.

In einer Wohnung im dänischen Künstlerhaus am Rande von Paris lebten Jorn, seine neue Frau, ihre beiden Töchter und ihr neugeborenes Kind mehrere Monate lang in Armut und, wie er später schrieb, mit einem Gefühl des Erstickens aufgrund von Luftmangel. Im April 1951 brach er mit schwerer Tuberkulose und Unterernährung körperlich zusammen. Mit Hilfe seiner Freunde kehrte er nach Silkeborg und in das große Tuberkulose-Sanatorium zurück. Die ersten der fast achtzehn Monate im Sanatorium waren kritisch, aber nach einigen Monaten durfte er wieder malen.

Nach dem Aufenthalt im Sanatorium zog Asger Jorn 1952 in die Schweiz. Ab 1955 wohnte er in Paris und Albissola Marina bei Genua.

Im Jahr 1948 hatte Asger Jorn den kubanischen Künstler Wifredo Lam kennengelernt, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verband. Ab Anfang der 1960er Jahre hatte auch Wifredo Lam ein Atelier in Albissola (bei Savona an der ligurische Küste) und Jorn machte ihn vertraut mit der Keramikkunst.[4] Beide arbeiteten (u. a. auch mit Lucio Fontana) in den Ceramiche San Giorgio, 1958 gegründet von Giovanni Poggi.[5]

1961 verließ er die Situationistische Internationale, um das Skandinavische Institut für Vergleichenden Vandalismus zu gründen. Er finanzierte jedoch weiterhin die Aktivitäten der Gruppe.

1964 wurde er von einer internationalen Jury, die von Lawrence Alloway zusammengestellt wurde, mit dem Guggenheim Award ausgezeichnet, der mit einem großzügigen Geldpreis verbunden war. Am folgenden Tag schickte Jorn dieses Telegramm an den Präsidenten des Guggenheim, Harry F. Guggenheim:

Das Telegramm von Asger Jorn an Harry F. Guggenheim

GO TO HELL WITH YOUR MONEY BASTARD-STOP-REFUSE PRICE -STOP-NEVER ASKED FOR IT-STOP-AGAINST ALL DECENSY (sic!) MIX ARTIST AGAINST HIS WILL IN YOUR PUBLICITY-STOP-I WANT PUBLIC CONFIRMATION NOT TO HAVE PARTICIPATED IN YOUR RIDICULOUS GAME JORN

Zuletzt lebte er mit der Künstlerin Nanna Enzensberger zusammen in Colombes am Stadtrand von Paris, wo er ein kleines Haus gekauft hatte. Er hatte sie auf seiner Weltreise 1970 in New York kennengelernt. Drei Monate vor seinem Tod heiratete er die Nanna Enzensberger, nachdem sie kurz zuvor von Christian Enzensberger geschieden worden war. 1971 kam ihr gemeinsamer Sohn, Ib Maurice in Paris auf die Welt.[6][7][8][9]

Im Sommer 1972 arbeitete Jorn in Albissola an einer Reihe von Tonskulpturen, die in Bronze gegossen wurden.

Im Januar 1973 wurde er in das Stadtkrankenhaus von Aarhus eingeliefert. Anfang April, nach seiner Heirat mit Nanna Enzensberger, reiste er nach Albissola, wo er bestätigte, dass er sein Haus der Stadt schenken würde. Gleichzeitig sorgte er dafür, dass sein Freund Umberto Gambetta und seine Frau in dem Haus wohnen konnten, solange sie lebten. Jorn starb am 1. Mai 1973 in Aarhus. Er ist auf dem Friedhof von Grötlingbo auf Gotland begraben.

Werk

Seine Malerei ist mit dem Informel verbunden, sie variiert zwischen figurativer und abstrakter Malerei. Thematisch orientierte er sich an nordischen Sagen und Mythen. Bekannt sind seine Umgestaltungen alter Bilder, die er auf Flohmärkten erwarb. Sein Frühwerk zeigt sich von Le Corbusier beeinflusst. Später wurde der Bildaufbau und die Maltechnik dynamischer: „Mit kraftvollem, rüdem Pinselstrich malte er geheimnisvolle Wesen, oft bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert, krude, dämonische Spukgestalten, Bilder, die der Art brut nahestehen und nicht selten den Charme von Kinderzeichnungen haben.“[10]

Daneben arbeitete Jorn umfassende Theorien der Kunst und der Gestaltung aus, die Politik und Wirtschaft miteinbezogen.

Das in der dänischen Stadt Silkeborg gelegene Museum Jorn verwaltet heute das künstlerische Erbe Asger Jorns. Das Museum besitzt den weltweit größten Bestand an Werken des Künstlers. Darüber hinaus sind seine Arbeiten in den Sammlungen zahlreicher Museen vertreten, unter anderem in der Kunsthalle Bremen, in der Kunsthalle in Emden, im Cobra Museum, im Statens Museum for Kunst und in Louisiana Museum of Modern Art.

Asger Jorn war Teilnehmer der documenta II (1959) und der documenta III im Jahr 1964 in Kassel.

2018 stellten die Hamburger Deichtorhallen sein Werk unter dem Titel Asger Jorn − Without Boundaries[11] vor.

Dreiseitiger Fußball

Durch die Erfindung der Sportart „Dreiseitiger Fußball“ gab er seinem philosophischen System der Triolektik eine praktische Anwendung und Veranschaulichung (im Gegensatz zur Dialektik gibt es drei gegensätzliche Positionen, von denen sich aber z. B. zwei temporär zu Lasten der jeweils Dritten zusammenschließen können). Die Triolektik war eine Form der Dekonstruktion des Konzepts der Dialektik.

Publikationen

  • Held & hasard – dolk & guitar. Kopenhagen 1952; 2. oplag: Udsendt som meddelelse nr. 3 fra Skandinavisk Institut for Sammenlignende Vandalisme 1963; 3. oplag er et fotografisk genoptryk af udgaven fra 1963, Borgens Forlag (Kopenhagen-Valby) o. J., ISBN 87-418-3079-2.
  • Naturens orden. De divisione naturae. Silkeborginterpretation contra Københavnerinterpretation. Udsendt som meddelelse nr. 1 fra Skandinavisk Institut for Sammenlignende Vandalisme 1962, Kopenhagen 1962; 2. oplag er et fotografisk genoptryk, Borgens Forlag (Kopenhagen-Valby) o. J., ISBN 87-418-3080-6.
  • Værdi og økonomi. Kritik af den økonomiske politik og udbytningen af det enestående. Udsendt som meddelelse nr. 2 fra Skandinavisk Institut for Sammenlignende Vandalisme og "Foreningen for ung dansk kunst" 1962, Borgens Forlag (Kopenhagen-Valby) 1962.
  • Ting og Polis. Komplementariteten mellem sandhedskrav og retskrav i vesteuropoæisk kultur. Udsendt som meddelelse nr. 4 fra Skandinavisk Institut for Sammenlignende Vandalisme 1964, Kopenhagen 1964; 2. oplag er et fotografisk genoptryk, Borgens Forlag (Kopenhagen-Valby) o. J., ISBN 87-418-3081-4.
  • Alfa og omega, second to none. Skrevet som meddelelse nr. 5 fra Skandinavisk Institut for Sammenlignende Vandalisme 1963–64, Kopenhagen 1964; Udgivet 1980 Borgens Forlag (Kopenhagen-Valby) 1980, ISBN 87-418-3076-8.
  • Open Creation and It's Enemies. Unpopular Books, 1994.
  • Gedanken eines Künstlers. Heil und Zufall (1953). Die Ordnung der Natur (1961–1966). München 2002, ISBN 3-924963-87-8.

Literatur

  • Guy Atkins, Asger Jorn und Troels Andersen: Asger Jorn. Jorn In Scandinavia. 1930 - 1953. A study of Asger Jorn's artistic development from 1930 to 1953 and a catalogue of his oil paintings from that period. London, 1968
  • Guy Atkins, Asger Jorn und Troels Andersen: Asger Jorn. The Crucial Years 1954 - 1964. A study of Asger Jorn's artistic development from 1954 to 1964 and a catalogue of his oil paintings from that period. London 1977
  • Guy Atkins, Asger Jorn und Troels Andersen: Asger Jorn. The Final Years, 1965 - 1973. A study of Asger Jorn's artistic development from 1965 to 1973 and a catalogue of his oil painting from that period. London 1980
  • Guy Atkins und Troels Andersen: Asger Jorn. Supplement to the oeuvre catalogue of his paintings from 1930 to 1973. London 1986
  • Guy Atkins und Troels Andersen: Asger Jorn. Revised supplement to the œuvre catalogue of his paintings from 1930 to 1973. Copenhagen 2006
  • Jürgen Claus: Asger Jorn als Theoretiker. Gespräch mit Asger Jorn. In: Jürgen Claus: Kunst heute. Rowohlt, Reinbek 1965
  • Gerd Presler: Asger Jorn, Werkverzeichnis der Druckgraphik, 2. Auflage, München/Silkeborg 2009 (1. Auflage 1976, Otto van de Loo)
  • Gerd Presler: Asger Jorn. (1914-1973) "Da greift man ins Leere" (You reach into the void), in: Am Anfang. Zeichnungen aus der Kindheit großer Künstlerinnen und Künstler. (In the Beginning. Childhood Drawings by Eminent Artists), Karlsruhe 2021, S. 103–107
  • Graham Birtwistle: Asger Jorn’s comprehensive theory of art between Helhesten and Cobra 1946–1949. Utrecht 1986.
  • Henning Eichberg: Vergleichender Vandalismus. Wer sind Sie eigentlich, Asger Jorn? In: Wolfgang Dreßen u. a. (Hrsg.): Nilpferd des höllischen Urwalds – Spuren in eine unbekannte Stadt – Situationisten, Gruppe SPUR, Kommune I. Werkbund-Archiv, Berlin / Anabas, Gießen 1991, S. 92–105.
  • Jens Staubrand: Asger Jorn – aforismer og andre korte tekststykker. København 1995, ISBN 87-21-00175-8. (Asger Jorn aphorisms and other short passages. Valby 1995)
  • Troels Andersen: Asger Jorn 1914–1973. Köln 2001, ISBN 3-88375-477-3.
  • Troels Andersen, Brian Rasmussen, Roald Pay: Jorn in Havanna. Copenhagen 2005. (englisch, dänisch)
  • Gerd Presler: Werkverzeichnis der Skizzenbücher. Silkeborg Kunstmuseum, 2006, ISBN 87-87932-94-6.
  • Norbert Haas: Jorns Stalingrad. In: Liechtensteiner Exkurse VI: Virtuosität. Eggingen 2007, ISBN 978-3-86142-410-9.
  • Norbert Haas: Jorns Stalingrad. In: Liechtensteiner Exkurse VI. Edition Isele, Eggingen 2007, S. 275–296.
  • Jens Staubrand: Asger Jorn – On the author Ager Jorn and his five books from the Scandinavian Institute of Comparative Vandalism and Index to Asger Jorn’s five books from the Scandinavian Institute of Comparative Vandalism. Copenhagen 2009, ISBN 978-87-92259-89-9. (englisch, dänisch)
  • Bernd Henningsen: Ting und Polis oder die Vorbildlichkeit der politischen Ordnung des Nordens Nachrichten aus Asger Jorns Skandinavischem Institut für Vergleichenden Vandalismus, Abschiedsvorlesung 24. Juni 2010 Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Nordeuropa-Institut
  • Norbert Haas, Vreni Haas: Jorn på Læsø. Chaosmos Press, Vaduz 2012.
  • Ruth Baumeister: Asger Jorn in Bild, Wort und Form. Scheidegger & Spiess AG, Zürich 2014, ISBN 978-3-85881-385-5.
  • Norbert Haas: Forever Jorn. Nimbus, Wädenswil am Zürichsee 2014, ISBN 978-3-03850-001-8.
Commons: Asger Jorn – Sammlung von Bildern

Gemälde

Biografien und weiterführende Informationen

Einzelnachweise

  1. Bernd Jordan, Alexander Lentz (Hrsg.): Die 100 des Jahrhunderts. Maler. Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-499-16456-6, S. 80 f.
  2. Asger Jorn, Per Hovdenakk, Stine Høholt: Asger Jorn. Arken Museum of Modern Art, 2002, S. 18.
  3. Asger Jorn - Ørnens ret. Abgerufen am 10. April 2023 (dänisch).
  4. Die surrealistische Keramik des Wifredo Lam
  5. Elena: Ceramics at the cinema: new docufilm on the potter Giovanni Poggi. In: BAM! Strategie Culturali. 29. November 2022, abgerufen am 10. April 2023 (britisches Englisch).
  6. Bernd Henningsen: Ting und Polis oder die Vorbildlichkeit der politischen Ordnung des Nordens Nachrichten aus Asger Jorns Skandinavischem Institut für Vergleichenden Vandalismus, Abschiedsvorlesung 24. Juni 2010 Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Nordeuropa-Institut
  7. Asger Jorn: Eine Herausforderung für das Licht, Tomie Ohtake Institute
  8. Ib Maurice Jorn (Memento des Originals vom 30. September 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ib-jorn.com
  9. galerie-huebner.de
  10. P[etra] B[osetti]: Krude Wesen, rüder Strich. München: Asger Jorn. In: Art. Das Kunstmagazin. Gruner + Jahr, Hamburg Februar 1987, Ausstellungen, S. 98.
  11. Asger Jorn – Without Boundaries. Abgerufen am 10. April 2023 (deutsch).