Annie M. G. Schmidt (* 20. Mai1911 in Kapelle als Anna Maria Geertruida Schmidt; † 21. Mai1995 in Amsterdam) war eine niederländische Schriftstellerin und Journalistin. Sie gilt weltweit als eine der bekanntesten Kinderbuch-Autorinnen. Viele ihrer Werke wurden auch ins Deutsche übersetzt, so zum Beispiel Die geheimnisvolle Minusch, Heiner und Hanni, Hexen und so, Der fliegende Fahrstuhl und die Gedichtsammlung Ein Teich voll mit Tinte. Auch Wiplala ist in vielen Kinderzimmern zu finden.
Schmidt wuchs in Kapelle (Zeeland) als Tochter eines Pastors auf. Sie hatte eine schwierige Kindheit als Pastorentochter in einer bäuerlich geprägten Umgebung. Von der Mutter wurde sie krankhaft behütet, da zwei Töchter vor ihr gestorben waren. Zum Vater hatte sie kaum Kontakt. Die Mutter lehrte Schmidt sehr früh lesen und schreiben und führte sie an die Literatur heran. Mit 14 Jahren schickte Schmidt erste Gedichte an den Dichter Willem Kloos, der sie ermutigte, weiter zu schreiben. Das Schreiben war für sie immer eine Flucht aus der als feindlich empfundenen Umgebung. Schmidt erlebte staunend die Einführung der Elektrizität, das erste Auto im Dorf und den Beginn des Mediums Film. Die zwanziger Jahre prägten sie tief mit dem Aufkommen der Frauenbewegung, der „echten sexuellen Revolution“. Von ihren Eltern gedrängt, studierte sie 1929 in Den Haag Rechtswissenschaften. 1930 ging sie für ein Jahr nach Deutschland als Aupair, um die deutsche Sprache zu lernen.
Erst danach begann sie ihren eigenen Weg als Bibliothekarin in Middelburg. Auf Anraten ihrer Mutter debütierte sie 1938 in der christlichen Zeitschrift „Opwaartse Wegen“ mit zwei Gedichten. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde sie Bibliotheksleiterin in Vlissingen. Sie weigerte sich, das Schild „Für Juden verboten“ aufzuhängen, entfernte nicht die von den Nazis verbotenen Bücher und ließ auch keine NS-Zeitungen in den Lesesaal. Daraufhin wurde sie zum NS-Bürgermeister zitiert. Dieser setzte sie mit der Mitteilung unter Druck, ihren im NS-Gefängnis sitzenden Bruder freizulassen, wenn sie Propaganda für die Nazis machte. Darauf ging sie nicht ein.
Nach dem Krieg begann sie bei der Zeitung „Het Parool“ in Amsterdam zu arbeiten. Sie wurde in den Kreis von Journalisten, Intellektueller und Künstler aufgenommen und begann wieder, Gedichte und kleine Stücke zu schreiben. Während dieser Zeit wirkte Schmidt zusammen mit einigen ihrer Kollegen in der Kabarettgruppe De Inktvis mit. Über eine Kontaktanzeige lernte sie ihren Mann Dick van Duijn kennen. 1950 erschien ihr erstes Kinderbuch „Het Fluitketeltje“. Danach folgte ein wahrer Strom an Veröffentlichungen: Gedichte, Erzählungen, Kolumnen, Kinderbücher, Hörspielserien, Kabarettstücke, Fernsehserien, Theaterstücke und Musicals. In dieser Zeit schrieb sie für einen Radiosender die erste niederländische Soap „De familie Doorsnee“, die ihr nationale Bekanntheit brachte. Sie ließ in dieser Soap zum ersten Mal in der Geschichte der niederländischen Medien mit dem Verkäufer Fred einen Homosexuellen auftreten.
Gegen Ende der 1950er Jahre war Schmidt die bekannteste Kinderbuchautorin der Niederlande. 1957 wurde „Wiplala“ das „Kinderbuch des Jahres“. Mit „Pension Hommeles“ betrat sie ein neues Medium, die Fernsehserie. Mit dem Komponisten Harry Bannink arbeitete sie zusammen und gemeinsam schrieben sie das erste niederländische Musical „Heerlijk duurt het langst“. In dieser Zeit vernachlässigte sie nie das Schreiben von Kinderbüchern. Aus ihrer engen Freundschaft mit der Grafikerin Fiep Westendorp entstanden die Illustrationen für all ihre Heiner und Hanni-Bücher.
Ende der 1960er Jahre zog sie mit ihrem Ehemann, der seinen Betrieb verkauft hatte, nach Südfrankreich. 1981 starb dieser nach langjährigen Depressionen. Schmidt ging zurück nach Amsterdam, wo sie das Augenlicht fast gänzlich verlor. 1987 bekam sie den Constantijn-Huygens-Preis, ein Jahr später den „Hans-Christian-Andersen-Preis“, der auch der Nobelpreis der Jugendliteratur genannt wird. Er wurde ihr von Astrid Lindgren überreicht. Annie M. G. Schmidt beging in der Nacht nach ihrem 84. Geburtstag, am 21. Mai 1995, Suizid. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Zorgvlied in Amsterdam.
Nach ihr ist der Annie M.G. Schmidt-prijs benannt, eine niederländische Auszeichnung für das beste Kabarettlied.
Literatur
Lioba Betten: Schmidt, Anna Maria Geertruida. In: Klaus Doderer (Hrsg.): Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 3: P-Z. Beltz, Weinheim 1979, ISBN 3-407-56513-5, S. 294f.
Joke Linders: Doe nooit wat je moeder zegt. Annie M.G. Schmidt – de geschiedenis van haar schrijverschap. Querido, Amsterdam 1999, ISBN 90-214-7344-5 (Digitalisat im Internet Archive)
Annejet van der Zijl: Anna. Het leven van Annie M.G. Schmidt. Nijgh & Van Ditmar, 2002; Neuausgabe: Querido 2017, ISBN 978-90-214-0759-3[1]