Das altkyrillische Alphabet ist ein Schriftsystem, das im Ersten Bulgarischen Reich im 9. oder 10. Jh. entwickelt wurde, um das Altkirchenslawische zu modernisieren. Das moderne kyrillische Alphabet wird weiterhin hauptsächlich für slawische Sprachen verwendet sowie für asiatische Sprachen, die sich unter dem kulturellen Einfluss Russlands während des 20. Jh. befanden.
Obwohl anerkannt ist, dass Kyrill und Method als Urheber der glagolitischen Schrift gelten können, ist die Urheberschaft des kyrillischen Alphabetes immer noch Gegenstand akademischer Diskussion. Sie trägt zwar den Namen Kyrills, entstand jedoch nach heutiger Auffassung erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts in Ostbulgarien am Hofe der bulgarischen Zaren in Preslaw, wahrscheinlich an der Schule von Preslaw.[1][2][3] Eine Urheberschaft von Kyrill und Method, die ein Jahrhundert früher lebten, wäre somit ausgeschlossen.
Die früheste Form einer kyrillischen Handschrift, auch Ustaw benannt, basierte auf der griechischen Unzialschrift, angereichert mit Ligaturen und mit Buchstaben aus dem glagolitischen Alphabet für Konsonanten, die im Griechischen nicht vorhanden sind. Es gab keinen grafischen Unterschied zwischen Groß- und Kleinbuchstaben, der gleiche Schrifttypus wurde im Bedarfsfall einfach größer geschrieben. Die nach Kyrill benannte kyrillische Schrift bedient sich Zeichen, die aus der griechischen Schrift entnommen sind, sowie weiterer Zeichen, unter anderem angelehnt an die hebräische Schrift für slawische Laute, die im Griechischen nicht existieren.
Seit seiner Schöpfung hat sich das kyrillische Alphabet immer wieder den Veränderungen der gesprochenen Sprache angepasst und auch regionale Variationen entwickelt, um die Eigenarten der Nationalsprachen auch grafisch wiederzugeben. Die Schrift war immer wieder akademischen Reformen unterworfen und auch politischen Dekreten. Unterschiedliche Variationen des kyrillischen Alphabets werden also verwendet, um den Sprachen des östlichen Europas und nördlichen Asiens ein grafisches Schriftbild zu geben.
Die erste russische Rechtschreibreform erfolgte 1708 durch Zar Peter I. von Russland. Die neu eingeführte Schriftart wurde Graschdanski schrift (Гражданский шрифт, „Bürgerliche Schrift“) genannt, mit der Absicht einen profanen Schreibstil zu kreieren, im Gegensatz zur kirchlichen Schriftart Zerkownoslawjanski schrift. Einige Buchstaben und auch Pausenzeichen wurden entfernt, da sie nur noch eine historische Bedeutung hatten. Mittelalterliche Buchstabenformen, die damals immer noch als Schriftzeichen Verwendung fanden, wurden grafisch so gestaltet, dass sie Bezüge zu lateinischen Typen aufwiesen. Somit wurde die mittelalterliche Formgebung der einzelnen Buchstaben an moderne, barocke Schriftvorlagen angepasst. Bei dieser Schreibreform wurde die westeuropäische Renaissanceformensprache der Buchstaben übersprungen. Die Reform hatte also weitreichende Folgen und beeinflusste nachfolgend die kyrillische Rechtschreibung und Graphologie der Buchstaben in nahezu allen slawischen Sprachen. Die ursprüngliche Orthographie und Schriftsatz-Standards sind nur noch im Kirchenslawischen erhalten.
Ein verständliches Repertoire früher kyrillischer Zeichen ist im Unicode-5.1-Standard enthalten, der am 4. April 2008 veröffentlicht wurde. Diese Zeichen und ihre distinktiven Buchstabenformen werden in spezialisierten Computer-Zeichensätzen für Slawistik dargestellt.
Die letzten vier Buchstaben werden für die slawische Schrift nicht gebraucht, sie werden nur zum Nummerieren und bei Einfügungen aus dem Griechischen benötigt.
Neben diesen Buchstabenformen gab es einige Schreibvarianten, Ligaturen und regionale Varianten, die alle im Laufe der Zeit Änderungen unterworfen waren.
Zahlen, diakritische Zeichen und Zeichensetzung
Jeder Buchstabe hatte auch einen numerischen Wert, der vom entsprechenden griechischen Buchstaben übernommen wurde. Ein Titlo über einigen Buchstaben konnte ihre Verwendung als Zahl kennzeichnen. Siehe dazu auch Kyrillische Zahlschrift.
Verschiedene diakritische Zeichen, aus der griechischen polytonischen Orthographie übernommen, wurden ebenfalls verwendet. Sie werden nicht auf allen Web-Browsern korrekt dargestellt. Sie müssten direkt über dem Buchstaben stehen, nicht oben rechts über dem Buchstaben:
а҄Kamora (Zirkumflex), bezeichnet Palatalisierung (U+0484); dient im späteren Kirchenslawisch zur Unterscheidung von Pluralformen mit gleichlautenden Singularformen.
Paul Cubberley: The Slavic Alphabets. In: Peter T. Daniels, William Bright (Hrsg.): The World’s Writing Systems. Oxford University Press, New York 1996, ISBN 0-19-507993-0.
Simon Franklin: Writing, Society and Culture in Early Rus, c. 950–1300. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-81381-6.
V. Lev: The history of the Ukrainian script (paleography). In: Ukraine: a concise encyclopædia. Band 1. University of Toronto Press, 1963, 1970, 1982, ISBN 0-8020-3105-6.
V. Simovyc, J. B. Rudnyckyj: The history of Ukrainian orthography. In: Ukraine: a concise encyclopædia. Band 1.
Obshtezhitie.net, Cyrillic and Glagolitic manuscripts and early printed books.
Einzelnachweise
↑Nicolina Trunte: Altkirchenslavisch. 4. Auflage. Sagner, München 1994, ISBN 3-87690-480-3 (Словѣньскъи ѩзыкъ. Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 30 Lektionen. Band 1), Kap. 1.9, S. 16–19.
↑Hans-Dieter Döpmann: Kirche in Bulgarien von den Anfängen bis zur Gegenwart. Biblion, München 2006.
↑Gerhard Podskalsky: Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 815-1459. Beck, München 2000.