Die glagolitische Schrift oder auch Glagoliza (in slawistischer Schreibweise auch Glagolica; bulgarisch/mazedonisch глаголица, serbokroatisch glagoljica) ist die älteste slawische Schrift. Die Glagoliza (von altkirchenslawischglagol „Sprache“) ist eine Buchstabenschrift und wurde von Kyrill von Saloniki (826–869) erdacht.
Mögliche ältere Verschriftung slawischer Sprachen mit Runen
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Forscher fanden zwischen 2015 und 2017 bei der südmährischen Stadt Břeclav (dt. Lundenburg) nahe der Grenze zu Österreich auf einem auf etwa 600 n. Chr. datierten Knochen Runen. In der Siedlung mit slawischen Grubenhäusern fand sich auch Keramik des Prager Typs, die mit den frühen Slawen in Verbindung gebracht wird. Der Runen-Experte Robert Nedoma identifizierte die Zeichen als Runen im „älteren Futhark“, einer Variante der Runenschrift, die von den germanischsprachigen Bewohnern Mitteleuropas vom 2. bis 7. Jahrhundert n. Chr. verwendet wurde.
Entwicklung der glagolitischen Schrift
Das glagolitische Alphabet wurde um 863 von dem byzantinischen Mönch Konstantin von Saloniki (Kyrill) für die Mission in Pannonien und Mähren weiterentwickelt.
Da das griechische Alphabet für die slawischen Sprachen nur eingeschränkt geeignet war und Konstantin die kulturelle Eigenständigkeit der Slawen betonen wollte, konzipierte er die glagolitische Schrift als „Abstandschrift“; d. h., er legte ihr zwar das griechische System (Buchstaben mit Laut- und numerischer Funktion) zugrunde, schuf jedoch ein formal unabhängiges, neues Alphabet. Als Quellen dienten ihm neben den griechischen Minuskeln auch kaukasische (insbesondere das armenische oder georgische) und semitische Schriftsysteme.
Aus der konstruktiven Urform der Glagoliza entwickelte sich zunächst eine runde, dann auch eine eckige Variante:
die runde Glagoliza dominierte im bulgarisch-mazedonisch-serbischen Raum,
die jüngere eckige vor allem in Kroatien (Dalmatien, Istrien).
Die kyrillische Schrift, die im späten 9. Jahrhundert neu entstanden war, übernahm einige Zeichen der glagolitischen Schrift (ohne Zahlwert), und zwar für Laute, die im Slawischen vorhanden waren, im Griechischen dagegen fehlten.
Geschichte des Schriftgebrauchs
Kyrill hatte die Schrift für die slawischen Sprachen entwickelt. Die liturgischen und theologischen Texte für den Aufbau einer Kirche in Mähren und Pannonien wurden ausschließlich in Glagoliza geschrieben, oft als Übersetzungen griechischer Texte.
Nach dem Tod Methods im Jahre 885 verließen seine Schüler Mähren und gingen ins Bulgarische Reich. Dort entstanden besonders in der Schule von Ohrid weitere Abschriften und Texte in glagolitischer Schrift.
Seit dem 9. Jahrhundert entwickelte sich im Bulgarischen Reich auch die kyrillische Schrift. Diese verdrängte die Glagoliza bis ins 12. Jahrhundert dort vollständig.
In Dalmatien blieb sie für die katholische Liturgie gebräuchlich, die sie nutzenden Kleriker wurden Glagoljaši genannt. 1248 erlaubte Papst Innozenz IV., die Messe dort in kirchenslawischer Sprache zu halten, die liturgischen Texte wurden in glagolitischer Schrift geschrieben.
In Serbien konnte sich die Glagoliza bis ins 13. Jahrhundert halten.[1]
Das erste mit glagolitischen Lettern gedruckte Buch erschien 1483 in Venedig (Missale Romanum Glagolitice).
Mitte des 16. Jahrhunderts verwendete der Begründer des slowenischen Schrifttums, Primož Trubar, die glagolitische Schrift für Übersetzungen seiner religiöser Texte.[2][3]
Besonders auf der Insel Krk und in der nordwestkroatischen Region Istrien hielt sich die Glagoliza. Für die im 19. Jahrhundert entstehende Nationalbewegung der Kroaten wurde sie ein Zeichen der Abgrenzung gegen den lateinischen Westen und den orthodoxen Osten. Auch in der kroatischen katholischen Kirche blieb sie in Gebrauch. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erschien ein katholisches kirchenslawischesMessbuch in glagolitischer Schrift.
Die Glagoliza gilt noch heute in Kroatien als nationales Symbol. So zeigen die nationalen Seiten der seit Januar 2023 gültigen kroatischen Euromünzen zu 1 Cent, 2 Cent und 5 Cent eine Ligatur der Buchstaben Ⱈ (H) und Ⱃ (R) gemäß dem internationalen Länderkürzel HR für Kroatien laut ISO-3166-1.[4] Auch wird sie häufig als Verzierung verwendet (z. B. als Schmuck, bei Logos oder als Tätowierung).[5][6]
erstes Neues Testament in glagolitischer Schrift, angefertigt zur Verbreitung reformatorischer Bestrebungen unter der kroatischen Bevölkerung in der Habsburgermonarchie
Elisabeth von Erdmann: Die glagolitische Sprache und Schrift (Glagoljica). In: Joachim Bahlcke, Stefan Rohdewald, Thomas Wünsch (Hrsg.): Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa : Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden Zugriff. Walter de Gruyter, 2013, ISBN 978-3-05-009343-7, S.241–250.
Heinz Miklas: Die slavischen Schriften: Glagolica und Kyrillica. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): Der Turmbau zu Babel. Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift. Band 3: Schrift. Teilband: A. Kunsthistorisches Museum u. a., Wien u. a. 2003, ISBN 3-85497-055-2, S. 243–249 (Ausstellungskatalog).
Heinz Miklas (Hrsg.): Glagolitica. Zum Ursprung der slavischen Schriftkultur. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 3-7001-2895-9 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Philologische Abteilung. Schriften der Balkan-Kommission. 41)
Helmut Jachnow: Eine neue Hypothese zur Provenienz der glagolitischen Schrift – Überlegungen zum 1100. Todesjahr des Methodios von Saloniki. In: Renate Rathmayr (Hrsg.): Slavistische Linguistik 1985. Referate des XI. Konstanzer Slavistischen Arbeitstreffens, Innsbruck, 10.–12. September 1985. Sagner, München 1986, ISBN 3-87690-345-9, S. 9–93 (Slavistische Beiträge 200).
Sharon Golke Fullerton: Paleographic Methods used in Dating Cyrillic and Glagolitic Slavic Manuscripts. Department of Slavic Languages & Literatures – Ohio State University, Columbus OH 1975 (Ohio State University Slavic Papers. 1).
Valentin Kiparsky: Tschernochvostoffs Theorie über den Ursprung des glagolitischen Alphabets. In: Manfred Hellmann u. a. (Hrsg.): Cyrillo-Methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums bei den Slaven. 863–1963. Böhlau, Köln u. a. 1964, S. 393–400 (Slavistische Forschungen 6, ISSN0583-5437).
František Přikryl: Denkmale der heiligen Konstantin (Cyrill) und Method in Europa. H. Kirsch, Wien 1920, S. 92ff.
Vatroslav Jagić: Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. Tempsky, Wien 1890 (Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Bd. 38, Abh. 2, ISSN1012-4861).
Dobrowsky’s Glagolitica. Ueber die glagolitische Literatur, das Alter der Bukwitza, ihr Muster nach welchem sie gebildet worden, der Ursprung der römisch-slavischen Liturgie, der Beschaffenheit der Dalmatinischen Uebersetzung, die man dem Hieronymus zuschrieb. 2. verbesserte und viel vermehrte Ausgabe. Mayregg, Prag 1832.
↑Martin Eggers: Das Erzbistum des Method. Lage, Wirkung und Nachleben der kyrillomethodianischen Mission. Verlag Otto Sagner, 1996, S. 89, University of Michigan – 2008.
↑Klaus Buchenau: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991. Ein serbisch-kroatischer Vergleich. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2004, S.45f.
↑Anna-Maria Meyer: Zum Gebrauch der Glagolica heute (anhand von Tätowierungen und Aufdrucken). In: Die Welt der Slaven. Nr.1/2015, 2014 (online [abgerufen am 11. Mai 2014]).
↑Слава въ вишнихъ Богу
На въспоминание
1300-го лѣта крьщениѣ
Народа Хръватъ
иже закле се вѣчьною
вѣрьностью
Стѣнѣ Петра
приемъ отъ её обѣтование
помощи въ вьсакои печали
Дружьба Братие
Хръватъскаго Змьѣ
съхранѣе светине прадѣди
Прѣпоручае
Отьчьство Хръватъ
Великои Богородици
1941