DeSalvo wuchs in einem gewalttätigen Elternhaus auf. Sein Vater war ein aggressiver Alkoholiker, der seiner Frau vor den Augen seiner Kinder alle Zähne ausschlug und ihr die Finger brach. In jungen Jahren beging Albert DeSalvo eine Reihe von kleineren Verbrechen, ging später zur US-Armee und verbrachte als Soldat acht Jahre in Deutschland, wo er auch seine Frau Irmgard Kessel kennenlernte. Mit ihr hatte DeSalvo zwei Kinder. Nach seiner ehrenvollen Entlassung aus der Armee kehrte er in die USA zurück.
DeSalvo setzte seine kriminelle Karriere mit einer Reihe von sexuellen Belästigungen fort. Daraufhin wurde er einer psychiatrischen Untersuchung zugeführt, in der er als Soziopath diagnostiziert wurde. Im Mai 1961 wurde DeSalvo wegen Einbruchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Nach abgemilderter Strafe kam er im April 1962 aus der Haft frei.
Morde
Der erste Mord, der dem „Boston Strangler“ zugeschrieben wird, geschah am 14. Juni 1962. Das Opfer war die 55-jährige Anna Slesers. Sie war – wie alle anderen Opfer – alleinstehend.
In der Folgezeit (Juni 1962 bis Januar 1964) wurden weitere zwölf Frauen tot aufgefunden. Sie waren jeweils mit einem Kleidungsstück erdrosselt worden. Einbruchsspuren gab es nicht; offenbar hatten die Frauen ihren Mörder freiwillig in die Wohnung gelassen.
Obwohl sich DeSalvo im September 1965 zu den „Boston Strangler“-Morden bekannte, wurde er nicht angeklagt, weil die Beweise nicht ausreichten. Da DeSalvo als „grüner Mann“ (er trug bei der Tat grüne Hosen) eine Reihe von Vergewaltigungen und Einbrüchen begangen hatte und bei einer Gegenüberstellung als Täter identifiziert wurde, brachte man ihn in das staatliche Krankenhaus von Bridgewater zur Beobachtung. Im Januar 1967 wurde DeSalvo wegen der Grüner-Mann-Vergewaltigungen zu lebenslanger Haft verurteilt. Einen Monat später gelang ihm die Flucht aus der Nervenheilanstalt in Bridgewater (Massachusetts). Er wurde aber bereits nach 24 Stunden wieder verhaftet.
James A. Brussel, Psychiater und Vorläufer der „Profiler“, war in die Ermittlungen einbezogen und schildert sie in seinem Buch Das ungezähmte Böse. Die berühmtesten Fälle des Sherlock Holmes unter den Psychiatern.
Tod und Nachweis der Täterschaft
Albert Henry DeSalvo wurde am 26. November 1973 tot im Gefängniskrankenhaus aufgefunden. Er war von einem Mithäftling durch einen Messerstich ins Herz getötet worden. Die Umstände seiner Ermordung in einer mehrfach gesicherten Abteilung des Gefängnisses blieben bislang ungeklärt.
Im Juli 2013 wurde bei einer Analyse eine „Familien-Übereinstimmung“ zwischen der DNA im Zusammenhang mit dem Mord an Mary Sullivan und der eines Neffen von DeSalvo festgestellt.[1] Daraufhin wurde die Leiche DeSalvos exhumiert, und ein Gentest bestätigte die Identität des genetischen Profils von Samenspuren aus den Asservaten der Ermordeten mit dem genetischen Profil DeSalvos.[2]
Opferliste
Todesdatum
Name
Alter
14. Juni 1962
Anna Slesers
55 Jahre
28. Juni 1962
Mary Mullen
85 Jahre
30. Juni 1962
Helen Blake
65 Jahre
30. Juni 1962
Nina Nichols
68 Jahre
19. August 1962
Ida Irga
75 Jahre
20. August 1962
Jane Sullivan
67 Jahre
5. Dezember 1962
Sophie Clark
20 Jahre
30. Dezember 1962
Patricia Bissette
23 Jahre
9. März 1963
Mary Brown
69 Jahre
6. Mai 1963
Beverly Samans
23 Jahre
8. September 1963
Evelyn Corbin
58 Jahre
23. November 1963
Joann Graff
23 Jahre
4. Januar 1964
Mary Sullivan
19 Jahre
Film
1968 wurde über die geschilderten Vorgänge ein bis heute berühmter Spielfilm mit dokumentarischem Einschlag gedreht, Der Frauenmörder von Boston (The Boston Strangler). DeSalvo wurde darin höchst überzeugend von Tony Curtis dargestellt; Regie führte Richard Fleischer. Die Kritiker waren begeistert, Curtis wurde für den Golden Globe nominiert.[3]
Eine weitere filmische Interpretation des Themas unter Beachtung der Zweifel an der Schuld von DeSalvo wurde 2008 unter der Regie von Michael Feifer produziert. In der Hauptrolle mimt David Faustino (Eine schrecklich nette Familie, Bud Bundy) den Boston Strangler Albert De Salvo. Der Film wurde am 12. März 2009 in Deutschland mit dem Titel The Boston Strangler – Die wahre Geschichte des Killers DeSalvo auf DVD veröffentlicht, erreichte aber bei weitem nicht die öffentliche Beachtung des Vorgängers.[4]
Im Dezember 2012 wurden Pläne zu einer neuen Verfilmung über die Taten des Boston Stranglers bekannt. Als Produzenten sollten Kevin McCormick und Casey Affleck fungieren, der auch die Hauptrolle des Henry DeSalvo übernehmen sollte. Das Drehbuch sollte Chuck Maclean verfassen.[5]
In der Handlung des US-amerikanischen Spielfilms Copykill (Copycat[6]) von 1995 werden ebenfalls Bezüge zu den Boston Strangler-Fällen hergestellt.
Ridley Scott griff als Produzent die Jagd der Presse nach dem Boston Strangler in dem gleichnamigen Film mit Keira Knightley in der Hauptrolle auf, der am 17. März 2023 bei Disney+ als Stream angeboten wurde. Regisseur und Autor der Verfilmung ist Matt Ruskin.[7]
Sonstiges
Im Lied Midnight Rambler der Rolling Stones von 1969 heißt es „Well you heard about the Boston strangler, it's not one of those“.
Literatur
Sebastian Junger: Tod in Belmont, München 2007 [Original A Death in Belmont, New York 2006].
Gerold Frank: Der Würger von Boston. Ein Tatsachenbericht. Wien; München: Molden, 1967 (Aus d. Amerikan. übertr. von Grete Friedmann)