Adam Josef August von MulzerAdam Josef August Freiherr von Mulzer (* 19. März 1772 in Mainz; † 5. Dezember 1831 in Passau[1]) war als hochrangiger Beamter eine bedeutende Persönlichkeit der deutschen Verwaltungs- und Politikgeschichte während der Napoleonischen Ära und der Restaurationszeit. Im Dienste für Karl Theodor von Dalberg übernahm er unter anderem die Ämter als Hof- und Regierungsrat sowie Verwaltungsleiter in Wetzlar und der dortigen Rechtsschule. Nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Systems und dem damit verbundenen Ende des Dalbergstaats wechselte er in den Dienst des Königreichs Bayern, wo er zunächst als Vizepräsident des Rezatkreises und darauf als Regierungspräsident des Unterdonaukreises fungierte. Leben und WirkenFrühe JahreAdam Josef August von Mulzer wurde als einziger Sohn des kurmainzischen Geheimrats[2] und Geschäftsmanns Georg Christoph von Mulzer[3] (* 1739; † 23. November 1814)[4] geboren. 1785 begann er ein Studium an der Universität Mainz und absolvierte verschiedene Kurse in der philosophischen Fakultät. Er erlangte im September 1789 den Grad eines Baccalaureus der Philosophie. Im Dezember 1790 beendete trotz weiterführenden philosophischen Kurs sein Studium ohne Promotion.[5] Außerdem studierte er bis 1792 in Göttingen. Seine Beamtenlaufbahn begann er im selben Jahr in Amorbach beim kurmainzer Oberamt. Die Wirren der Französischen Revolution und die Besetzung von Mainz durch französische Truppen führten zu dramatischen Veränderungen in seinem Leben. Mulzers Vater wurde als Geisel nach Frankreich verschleppt, was Mulzer dazu veranlasste, sich vergeblich als Stellvertreter anzubieten. Nach der Rückkehr seines Vaters aus der Geiselhaft siedelte die Familie nach Würzburg über. Mulzer schrieb Flugschriften für die „deutsche Freiheit“. 1799 unterstützte er organisatorisch die Feldzüge von Freiherr von Albini und Feldmarschall Wrede. Während einer diplomatischen Mission am Wiener Hof konnte er zudem finanzielle Unterstützung für den Widerstand gegen die französische Besatzung sicherstellen.[2] Reformbeamter unter DalbergIm Jahr 1803, während der Auflösung von Kurmainz durch den Reichsdeputationshauptschluss und kurz vor dem Ende des Heiligen Römischen Reichs im Jahr 1806, begann Mulzer seine Tätigkeit als Regierungsrat unter Karl Theodor von Dalberg in Wetzlar, einem Teil des neu formierten Staat des Kurerkanzlers.[6] Dort übernahm er die Leitung der städtischen Verwaltungsbehörde. Während dieser Phase der Neuorganisation diente Mulzer als Leiter der vorläufigen obersten Wetzlarer Behörde des neu geschaffenen kurfürstlichen Kommissariats, wobei sein offizieller Titel als „Konkommissar“ in der Praxis dem eines Generalkommissars gleichkam.[7] In seinen ersten Berichten aus Wetzlar hob Mulzer die Vorteile eines straff organisierten, bürokratisch-absolutistischen Regimes hervor. Zugleich betonte er die Notwendigkeit einer behutsamen Politik in Bezug auf die reichsstädtische Vergangenheit Wetzlars. Diese Herangehensweise spiegelte die umsichtige und vermittelnde Politik Dalbergs wider, die Mulzer als sein Reformbeamter effektiv umsetzte.[8] Seine Verwaltungsreformen, in denen er großen Wert darauf legte, die historische und kulturelle Bedeutung zu würdigen, verschaffte ihm in verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen zunehmend Anerkennung. Mulzer nutzte geschickt die Unterstützung einflussreicher Ratsfamilien, die im 18. Jahrhundert sowohl wirtschaftlich als auch bildungsbürgerlich aufgestiegen waren, um Dalbergs Reformen durchzusetzen. Bei der Umgestaltung des Wetzlarer Stadtrats, der jahrhundertelang als oberste Behörde fungiert hatte, verfolgte Mulzer einen strategischen Ansatz. Er behielt zunächst die Zusammensetzung des Rates bei, änderte jedoch dessen Funktionsweise und Befugnisse grundlegend. Die traditionellen Bürgermeisterstellen, die ehemals wichtige Ehrenämter im Rahmen der Reichsstadtverfassung waren, schaffte er ab und reduzierte die Anzahl der gewählten Amtsträger von 20 auf 12. Mit diesen Umstrukturierungen zielte er darauf ab, die Missstände des alten Systems zu beseitigen, was unter anderem zu steuerlichen Erleichterungen führte. Diese Reformen dienten dem Ziel, eine neue Ordnung nach den Vorstellungen Dalbergs zu etablieren.[9] Die Auflösung des Reichskammergerichts im Jahr 1806 führte für Wetzlar zu einem erheblichen Bedeutungsverlust und einem Wirtschaftskollaps. Mulzer reagierte auf diese Krise unter anderem durch die Förderung der 1808 gegründeten Rechtsschule Wetzlar,[10] deren Rektorat er übernahm.[11] Die Einrichtung diente auch der Ausbildung neuer Juristen, also zur Vorbereitung auf die Einführung des Code Napoleon, wie vom Fürstenprimas gewünscht.[12] Trotz vieler Bemühungen konnte Mulzer die wirtschaftliche Krise der Stadt nicht wesentlich mildern. Mulzers Engagement ging über administrative Reformen hinaus. Er setzte sich für soziale Unterstützungsmaßnahmen ein, erweiterte soziale Einrichtungen und gewährleistete die Versorgung der Bedürftigen mit Lebensmitteln und medizinischer Hilfe. Im März 1809 verfasste er eine Denkschrift über die Einführung des Code Napoleon in Deutschland im Allgemeinen und im Besonderen.[13] Im Mai 1809 erstellte er im Auftrag Dalbergs ein Gutachten über die Implementierung des Codex Napoleon.[14] In Bezug auf die Judenpolitik spiegelte Mulzers Haltung die des Wetzlarer Stadtbürgertums wider, das auch nach der Mediatisierung bestrebt war, die Anzahl der jüdischen Bürger zu begrenzen und deren niedrigeren rechtlichen Status beizubehalten. Diese Positionen standen in deutlicher Diskrepanz zu den aufklärerischen Ansichten von Karl Theodor von Dalberg, der sich für liberale Reformen und die Judenemanzipation einsetzte. Mulzers Standpunkt in dieser Frage wurde Anfang 1810 besonders deutlich, als er bezüglich eines Gesuchs zur Aufnahme in den Wetzlarer Judenschutz äußerte, dass „die Aufnahme neuer Juden dahier mit großer Vorsicht zu behandeln“ wäre.[15] 1810 war für Mulzers politische Karriere ein bedeutendes Jahr, da er zum Generalsekretär im Staatsrat im Großherzogtums Frankfurt ernannt wurde,[16] nachdem am 19. Februar 1810 Napoleon einen Staatsvertrag unterzeichnete, der die Gründung des Großherzogtums besiegelte. In einem Akt politischer Kompromissbereitschaft verzichtete Dalberg auf das Fürstentum Regensburg, wodurch das Fürstentum Hanau und das ehemalige Hochstift Fulda dem Großherzogtum einverleibt wurden. In seiner neuen Rolle war Mulzer maßgeblich an den administrativen und politischen Prozessen des Staates beteiligt. Sein Engagement erstreckte sich auch auf die Ständeversammlung des Großherzogtums, die im alten Stadtschloss von Hanau tagte. Mulzers zentrale politische Bedeutung im Großherzogtum wurde 1810 besonders durch die Promulgation der Eidesformel für den Vorsitzenden der Ständeversammlung deutlich. Mit der Einführung des Code Napoleon im Großherzogtum Frankfurt am 1. Januar 1811, wenn auch die Umsetzung unvollständig blieb, erweiterte sich Mulzers Aufgabenbereich durch seine Ernennung zum ordentlichen Staatsrat.[17] Dieser Schritt symbolisierte den Höhepunkt seiner beruflichen Entwicklung unter Dalberg. Für seine herausragenden Leistungen für das Großherzogtum Frankfurt wurde Mulzer im August 1813, kurz vor dem Ende dieses Modellstaates, mit dem Großherzoglichen Verdienstorden geehrt.[18] Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft infolge der Völkerschlacht bei Leipzig, der zur Auflösung des Großherzogtums Frankfurt führte, wurde das Gebiet dem Zentralverwaltungsdepartement unterstellt. Noch in der Untergangsphase wurde Mulzer mit der Aufgabe betraut, die Verwaltungsakten zu sammeln und sie den neuen Behörden zu übergeben.[19] Dienst für das Königreich BayernBei seinem neuen Dienstherren war eines seiner ersten Aufgaben die Abwicklung des Departments Aschaffenburg.[20] Die Übertragung Aschaffenburgs, wo sein ehemaliger Dienstherr im Schloss Johannisburg residierte, in die bayerische Verwaltung, geschah im Zuge der europäischen Neuordnung nach dem Wiener Kongress. Um Loyalität gegenüber Bayern und dessen „System Montgelas“ zu schaffen, wurde von Mulzer, zusammen mit anderen Funktionsträgern, die zuvor für Napoleonische Staaten gearbeitet hatten und nun in bayerischen Diensten standen, gleich zu Beginn seiner Tätigkeit im August 1814 mit dem „ZivilVerdienstorden der baierischen Krone“, auch Großkomtur des Konkordienordens genannt, ausgezeichnet, als eine Art Vorleistung für seine zukünftige Treue.[21] 1816 vertrat er das Königreich Bayern in der Bundesversammlung in Frankfurt am Main[22] und spielte damit eine Rolle in der deutschen Politik dieser Zeit. Im selben Jahr wurde er in den Freiherrnstand erhoben.[23] 1817 übernahm von Mulzer die Position des Vizepräsidenten im Rezatkreis, und 1820 erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Fürth.[24] Sein rascher politischer Aufstieg war vermutlich nicht nur seinem diplomatischen Geschick und seinen in Wetzlar geknüpften Kontakten zu Juristenkollegen zu verdanken, sondern auch seiner außergewöhnlichen Qualifikation, Fähigkeit und Erfahrung, die in dem von den strengen und konservativen Werten des Vormärz geprägten Bayern unerlässlich waren.[25] Während seiner Amtszeit im Rezatkreis widmete sich von Mulzer auch seiner Leidenschaft für die Naturkunde.[26] Er erweiterte seine Sammlung von Schmetterlingen, die bereits in Fachkreisen geschätzt wurde, zu einer umfassenden europäischen Sammlung.[27] Seine kulturellen und naturkundlichen Interessen spiegelten sich auch in seiner maßgeblichen Beteiligung an der Errichtung des Johann-Peter-Uz-Denkmal im Hofgarten Ansbach wider, das von Carl Alexander Heideloff gefertigt wurde. Von 1826 bis zu seinem Tod im Jahr 1831 diente von Mulzer als Generalkommissar und Präsident der Regierung im Unterdonaukreis. In dieser Rolle tat er sich durch die Förderung von Kunst und Kultur hervor und engagierte sich in der Errichtung von Bücher- und Gemäldesammlungen sowie in der Förderung von Tanzsälen und Kurbädern. Kurz vor seinem Tod regte von Mulzer die Gründung des Historischen Vereins für den Unterdonaukreis an, der heute als Historischen Verein für Niederbayern e.V. bekannt ist, und wurde dessen erster Vorsitzender.[28] Die Gründung des Vereins geht auch auf die geschichtsbewusste politische Ausrichtung König Ludwig I. zurück. Adam Josef August Freiherr von Mulzer verstarb am 5. Dezember 1831 im Alter von 59 Jahren an einer Lungenentzündung. Er hinterließ eine bemerkenswerte Familie, darunter seine Söhne Karl,[29] ein bayerischer Justizminister, und Wilhelm, ein Generalmajor.[30] Seine Ehefrau, geborene Hommer,[31] überlebte ihn. Von Mulzer, der katholischen Glaubens war, erhielt die Sterbesakramente. Zeitgenössische Beschreibungen seiner Persönlichkeit finden sich in den Memoiren von Heinrich Ritter von Lang, der Mulzer während seiner Amtszeit im Rezatkreis kennenlernte.[32] Auszeichnungen
Schriften
Literatur
Belege
|
Portal di Ensiklopedia Dunia