A Sea SymphonyA Sea Symphony ist eine Choralsinfonie von Ralph Vaughan Williams, komponiert zwischen 1903 und 1909. Es ist die erste und gleichzeitig längste Sinfonie von Vaughan Williams. Uraufgeführt wurde sie beim Leeds Festival 1910 unter Leitung des Komponisten an dessen 38. Geburtstag. Die musikalische Reife des Werkes täuscht über das junge Alter des Komponisten hinweg. Vaughan Williams war 30, als er mit der Komposition begann. Die Sea Symphony ist neben der 8. Sinfonie Gustav Mahlers, die etwa im gleichen Zeitraum entstand, eine der ersten Sinfonien, in der der Chor als ständiges Element und integrierter Bestandteil der Partitur verwendet wird. Damit wurde sie vorbildlich für eine neue Ära sinfonischer Musik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in England. Das Werk wird teilweise auch als Vaughan Williams’ Sinfonie Nr. 1 bezeichnet. EntstehungVon 1903 bis 1909 arbeitete Ralph Vaughan Williams immer wieder an einer Serie von Liedern für Chor und Orchester, die im Endergebnis seine längste Sinfonie und sein erstes größeres Werk überhaupt werden sollte. Der Anfangstitel lautete noch The Ocean. Das Grove Dictionary of Music and Musicians listet allerdings 16 früher entstandene Werke von Vaughan Williams auf, unter anderem zwei mit Chor. Die große Mehrheit dieser Werke aber sind Jugendwerke, die nie veröffentlicht und vom Komponisten auch längst zurückgezogen worden waren. Niemals zuvor hatte Vaughan Williams versucht, ein derart umfangreiches und anspruchsvolles Werk zu veröffentlichen. Ähnlich wie Johannes Brahms zögerte auch er lange, bevor er seine erste Sinfonie vorlegte. Dann aber blieb er ein sehr fruchtbarer Komponist bis zum Ende seines Lebens. Seine letzte Sinfonie komponierte er von 1956 bis 1958 und beendete sie im Alter von 85 Jahren. Musikalische StrukturMit ca. 70 Minuten Spieldauer ist A Sea Symphony die längste aller Sinfonien von Vaughan Williams. Obwohl sie sich weit von der alten deutschen Tradition einer klassischen Sinfonie entfernt, folgt sie doch in gewissem Sinne dem üblichen sinfonischen Aufbau: schneller Einleitungssatz, langsamer Satz, Scherzo und Finale. Die vier Sätze lauten:
Der erste Satz dauert ungefähr 20 Minuten, die Innensätze 11 und 8 Minuten, das Finale 30 Minuten. TextDer Text der Sea Symphony stammt aus Walt Whitmans Gedichtzyklus Grashalme. Diese Gedichte waren in England damals noch ziemlich unbekannt, übten aber auf Vaughan Williams wegen ihrer Fähigkeit, metaphysische und humane Perspektiven zu vereinigen, eine große Wirkung aus. Der von Whitman bevorzugte „freie Vers“ wurde damals zunehmend bekannt und löste die traditionellen metrischen Formen allmählich ab. Vaughan Williams verwendete in seiner Sea Symphony folgende Gedichte:
MusikOrchestrierungDie Sinfonie ist ausgelegt für Sopran, Bariton, Chor und großes Orchester, bestehend aus zwei Flöten, Piccoloflöte, zwei Oboen, Englischhorn, zwei Klarinetten, Es-Klarinette, Bass-Klarinette, zwei Fagotte, Kontrafagott, vier Waldhörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Pauke (F#2-F3), Percussion (Kleine Trommel, Große Trommel, Triangel, Tamburin, Becken), zwei Harfen, Orgel und Streicher. Um dem Werk eine höhere Zahl von Aufführungen zu ermöglichen, ließ Vaughan Williams aber auch eine kleinere Besetzung zu. EinflüsseVergleiche mit Charles Villiers Stanford, Hubert Parry und Edward Elgar liegen nahe. Alle vier arbeiteten zur gleichen Zeit im selben Land, Vaughan Williams studierte mit Stanford und Parry zusammen am Royal College of Music, und seine Vorbereitungen für die Komposition seiner Sea Symphony beinhalteten sowohl Elgars Enigma-Variationen (1898–99) als auch sein Oratorium The Dream of Gerontius (1900). A Sea Symphony gehört zu den bekanntesten Musikstücken, die sich mit dem Thema des Ozeans beschäftigten, die damals etwa gleichzeitig in England geschrieben wurden. Dazu gehören außerdem Stanfords Songs of the Sea (1904) und Songs of the Fleet (1910), Elgars Sea Pictures (1899), Frank Bridges The Sea (1910) und natürlich das heute bekannteste Stück La Mer von Claude Debussy aus Frankreich. All diese Stücke mögen dazu beigetragen haben, dass sich Vaughan Williams bei seinem ersten großen Werk ausgerechnet diesem Thema zuwandte. Vaughan Williams hatte 1908 drei Wochen lang bei Maurice Ravel in Paris studiert. Während er intensiv an der Instrumentation arbeitete, entwickelte sich bei ihm ein deutlicher Kontrast zu der deutschen sinfonischen Tradition, wie sie Stanford und Parry am Royal College of Music vermittelt hatten. Damals begann Vaughan Williams, einen größeren Sinn für Farben und ungewöhnliche Akkordfolgen zu entwickeln. Seine Vorliebe für Mediant-Verhältnisse, die ein durchgehendes harmonisches Prinzip der Sea Symphony werden sollten, mag sich in diesen damaligen Studien vorbereitet haben. Diese Harmonieverhältnisse wurden seitdem ausschlaggebend für seinen musikalischen Stil überhaupt. Die Sea Symphony beinhaltet sowohl Pentatonik als auch die Ganztonleiter, was damals eher für die zeitgenössische französische Musik charakteristisch war. Eine solche Musik schwebte Vaughan Williams vor, als er von 1908 bis 1909 die Komposition der Sea Symphony vollendete. Ravel machte ihm ein großes Kompliment, indem er sagte: „Vaughan Williams ist der einzige meiner Studenten, der nicht so komponiert wie ich.“ MotiveMusikalisch gesehen enthält die Sea Symphony zwei starke vereinheitlichende Motive. Das erste ist ein harmonisches Motiv von zwei Akkorden in Dur und Moll. Überhaupt bildet es den Anfang der Sinfonie: eine Blechbläser-Fanfare in b-Moll, gefolgt von einer Chor-Passage in derselben Tonart. Der Chor singt die Verse “Behold, the …”, worauf das volle Orchester bei dem Wort “sea” einsetzt und die musikalische Entwicklung in D-Dur auflöst. Das zweite Motiv ist eine melodische Figur, die zu dem Text “And, on its limitless heaving breast …” durch den ganzen ersten Satz hindurch gespielt wird. Wenn man diese musikalischen Verhältnisse in der üblichen Zählweise der einzelnen Rhythmen beschreiben will, könnte man das Muster als „1 2+3-2-3 4“ beschreiben, was darauf hinweist, dass der zweite Takt geteilt ist in Achtelnoten (bei den Worten “on its”) und der dritte Takt unterteilt ist in Triolen (bei dem Wort “limitless”). Rezeption und NachfolgeDie öffentliche Wirkung der Sea Symphony hinterließ nicht nur im Leben des Komponisten deutliche Spuren, der gleich mit seinem Opus 1 ein derart anspruchsvolles und umfangreiches Werk vorgestellt hatte, sondern sie brachte zugleich der englischen sinfonischen Musik des 20. Jahrhunderts und der englischen Musik generell nachhaltige weltweite Aufmerksamkeit ein. Hugh Ottaway schreibt in seinem Buch Vaughan Williams’ Symphonies:
Hugh Ottaway und Alain Frogley schreiben über Vaughan Williams’ Musik, sie sei
Ursula Vaughan Williams, seine Witwe, beschreibt in ihrer ausführlichen Biographie über ihren Mann die Kernpunkte seiner Philosophie:
Literatur
Weiterführende Literatur
Aufnahmen
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