3. Sinfonie (Brahms)Die Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 komponierte Johannes Brahms im Jahr 1883. EntstehungÜber die Entstehung der 3. Sinfonie ist fast nichts bekannt,[1] es gibt keine Briefstelle, keine Skizzen oder früheren Fassungen[2]. Die Fertigstellung erfolgte in Wiesbaden, wo Brahms den Sommer 1883 verbrachte.[1] Die Uraufführung erfolgte am 2. Dezember 1883 in Wien unter der Leitung von Hans Richter[1]. WirkungDie Sinfonie entstand in der Zeit des sogenannten „Musikstreits“ zwischen Vertretern der Neudeutschen Schule, die in sinfonischer Dichtung und Programmmusik die Zukunft der Musik sahen und Verfechtern der absoluten Musik, zu denen auch Brahms gehörte. Sie vertraten die Auffassung, dass Musik nicht an programmatischen Aussagen, sondern allein an innermusikalischen künstlerischen Ansprüchen gemessen werden solle, wie es in der Wiener Klassik üblich war. Der Brahms-Biograph Max Kalbeck berichtet zur Uraufführung, dass die Bruckner- und Wagner-Anhänger nach jedem Satz zu zischen anfingen, sich jedoch nicht durchsetzen konnten:
Das Werk wurde bei zeitgenössischen Aufführungen überwiegend, aber nicht ausschließlich positiv aufgenommen. Beispiel für eine positive zeitgenössische Kritik (Bericht zur Uraufführung vom 2. Januar 1884 in Signale für die musikalische Welt):
Auch Clara Schumann äußerte sich im Brief vom 11. Februar 1884 an Brahms lobend:
Beispiel für eine negative zeitgenössische Kritik (Eduard Bernsdorf in Signale für die musikalische Welt zur Aufführung vom 7. Februar 1884):
Zur MusikOrchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, I. Violine, II. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass. Aufführungszeit: ca. 30–35 Minuten Als charakteristisch für die Sinfonie wird von mehreren Autoren das geringe Gewicht der Sätze 2 und 3 gegenüber den Sätzen 1 und 4[1][7][8] sowie das Schwanken von Dur und Moll angesehen.[1][7][9][10] Die Sätze sind durch motivische Verknüpfungen miteinander verbunden:
Die folgende Beschreibung ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Bezeichnungen, Abgrenzungen und Deutungen möglich. Erster Satz: Allegro con brioF-Dur, 6/4-Takt, 224 Takte Die Bläser eröffnen die Sinfonie mit dem aufsteigenden, dreitönigen „Vorhangmotiv“ f –as’’– f’’’[11] bevor das ganze Orchester forte das Hauptthema (Takt 3 bis 15) vorträgt. Dieses ist dreiteilig strukturiert: Erster Teil mit einem dreiklangsähnlichen, fallenden Motiv und auftaktigem Sekundschritt (im Folgenden: „Dreiklangsmotiv“), unterlegt vom Vorhangmotiv im Bass, zweiter Teil mit dem nun viertönigen Vorhangmotiv in den Bläsern zusammen mit einer aufsteigenden Figur und dem auftaktigen Sekundschritt vom Dreiklangsmotiv in den Violinen, dritter Teil mit dem um ein Viertel versetzten, viertönigen Vorhangmotiv in Bläsern, Bass und Viola sowie dem Dreiklangsmotiv in den Violinen. Das Hauptthema wird im weiteren Satzverlauf immer vom Vorhangmotiv eingeleitet.[1] Bereits am Satzanfang sind die auch im Folgenden auftretenden Wechsel der Tonarten auffällig: Das Vorhangmotiv lässt die Tonart offen, im Hauptthema wechselt die Tonart taktweise von F-Dur über f-Moll zu Des-Dur. Die Grundtonart F-Dur ist erst am Ende des Themas erreicht und kann sich dann kurzfristig in der Überleitung etablieren. Die Überleitung (Takt 15 bis 23) besteht aus einer achttaktigen Phrase mit Kombination vom Vorhangmotiv mit klopfenden Vierteln. Die Phrase wird in Des-Dur wiederholt. Die harmonische Unstabilität geht weiter, indem Brahms zur Mediante A-Dur wechselt, in welcher ab Takt 36 das Seitenthema einsetzt. Dieses kontrastiert als „tänzerisch ausschwingendes Klarinettenthema“[8] durch seinen 9/4-Takt, die geringen Intervallschritte und die begleitenden Streicher im Pizzicato zum Hauptthema. Das Thema wird mit stimmführenden Oboen und Flöten wiederholt, in Cis-Dur mit einem Staccato-Sekundmotiv fortgesponnen und mit dem Kopf des Themas in freier Umkehrung[1] in den Streichern abgeschlossen. Die Schlussgruppe (Takt 49 bis 72, nun wieder im 6/4-Takt) beginnt mit dem Vorhangmotiv, dann nimmt die Bewegung durch Achtelfiguren und -läufe sowie Sforzati im Bass zu, wobei das Vorhangmotiv weiterhin, allerdings unauffälliger, auftritt (z. B. Takt 51 im Horn, Takt 61 in der Klarinette). In Takt 72 endet die Schlussgruppe und damit die Exposition, die einmal wiederholt wird.[12] Die Durchführung (Takt 72 bis 120) führt den stürmischen Charakter der Schlussgruppe anfangs nahtlos fort. Ab Takt 77 wird das Seitenthema verarbeitet, zunächst in Viola und Cello, dann in der 1. Violine. Der Charakter des Themas ist nun ins dramatische gewendet.[8] Ab Takt 90 tritt das Staccato-Sekundmotiv aus der Fortspinnung des Seitenthemas versetzt in den Instrumenten auf. Mit kontrastierendem, ins ruhige Piano zurückgenommenen Charakter lässt Brahms dann zweimal das Vorhangmotiv in den Bläsern auftreten (Takt 101 bis 112). In demselben Charakter schließt sich eine durch Chromatik geprägte Verarbeitung des Dreiklangsmotivs vom Hauptthema an. Zum Repriseneintritt (Takt 120 bis 181) wird das Vorhangmotiv verdoppelt und anders harmonisiert. Es folgen das Hauptthema entsprechend der Exposition, die verkürzte Überleitung, das Seitenthema (nun in D-Dur) und die etwas variierte Schlussgruppe. An das Ende der Reprise hat Brahms eine umfangreiche Coda (ab Takt 181) gesetzt. Diese beginnt wiederum mit dem Vorhangmotiv, gefolgt von einer umfangreichen Verarbeitung des (in der Durchführung ausgelassenen) Hauptthemas mit seinen drei Teilen. Anschließend beruhigt sich das Geschehen, und in der „Reminiszenz“[1] ab Takt 216 klingt der Satz mit dem Vorhangmotiv und dem geglätteten[1] ersten Teil vom Hauptthema, nun erstmals in F-Dur, aus.
Zweiter Satz: AndanteC-Dur, 4/4-Takt, 134 Takte A–Teil (Takt 1 bis 62): Das Hauptthema (Takt 1 bis 24) mit stimmführenden Holzbläsern besteht aus vier ähnlich strukturierten Phrasen mit jeweils echoartigem Abschluss in den Streichern.[2] Charakteristisch ist ein „Sekundwechselmotiv“[1] in den Bläsern in Takt 2 (Phrase 1) und Takt 17 bis 18 (Phrase 4). Von Takt 24 bis 40 wird das Sekundwechselmotiv in Kombination mit einer Sechzehntelfiguration fortgesponnen und bis ins Forte gesteigert, der Abschnitt schließt durch „versickerndes Beharren auf dem Sekundwechselmotiv“[1]. Der anschließende „episodische Kontrastabschnitt“[1] (Takt 41 bis 56) weist zwei Themen auf. Das erste ab Takt 40 in den Holzbläsern mit ruhig-getragenem Charakter ist mit dem choralartigen Thema aus dem vierten Satz (dort ab Takt 18) verwandt. Das zweite, eine kurze melodische Wendung in den Streichern und kurz darauf in den Holzbläsern, folgt abrupt und kontrastiert durch die schnellere Bewegung zum vorigen Geschehen. Im „Modulationsabschnitt“[1] (Takt 56 bis 62) kommt die Bewegung mit dem Auftakt des Themas aus Takt 40 fast ganz zur Ruhe. Im B–Teil[14] (Takt 63 bis 84) steigert Brahms die Bewegung durch Verwendung durchlaufender Triolen, die mit Chromatik angereichert sind und ab Takt 72 mit dem versetzt zwischen Bläsern und Streichern auftretenden Sekundwechselmotiv kombiniert werden. Ab Takt 77 treten dann die Sechzehntelfiguration und ab Takt 81 der (nun gedehnte) Kopf des Hauptthemas über einem Orgelpunkt auf C auf. A´–Teil (Takt 85 bis 122): Der gedehnte Kopf des Hauptthemas geht nahtlos und verschleiert[1] in die variierte Wiederholung des A-Teils über. Das Hauptthema (Takt 85 bis 108) ist nun mit figurativer Sechzehntelbegleitung der Violinen und Viola unterlegt. An das Thema folgt erst eine neue Fortspinnung mit dem Kopf des Hauptthemas (Takt 108 bis 115), dann der Modulationsabschnitt mit dem Auftaktmotiv (Takt 116 bis 122 entsprechend Takt 56 bis 62). In der Coda greift die Klarinette den Kopf des Hauptthemas auf, begleitet von düsterer Chromatik des Fagotts und dem Sekundwechselmotiv in den tiefen Blechbläsern. Max Kalbeck vermutete die Entstehung Sätze 2 und 3 in Zusammenhang mit Brahms Plänen zu einer Faust – Musik. Nach Christian Martin Schmidt[1] können dafür am ehesten bei vorliegendem Satz Anhaltspunkte gefunden werden: Der Satz folgt keinem bestimmten Formschema, er werde von einem (und nicht mehreren) Themen dominiert, das umfangreich variiert werde ähnlich zur Entwicklung einer dramatischen Figur.
Dritter Satz: Poco Allegrettoc-Moll, 3/8-Takt, 163 Takte Das Poco Allegretto lässt sich wie das als dritter Satz übliche Scherzo als „Tanzsatz im Dreiertakt mit der üblichen Formanlage: Hauptteil – Trio – Wiederkehr des Hauptteils – Coda“[1] ansehen. Vom Charakter erinnert es jedoch eher an den an zweiter Stelle üblichen langsamen Satz:
Im Hauptteil (Takt 1 bis 53) tragen die Celli zunächst das sangliche Hauptthema vor, das ab Takt 12 mit Stimmführung in der 1. Violine wiederholt wird. Cello und 1. Violine sind auch in der Fortspinnung[15] des Themas (Takt 24 bis 40) mit charakteristischer Abwärtssequenzierung eines zweitaktigen Motivs stimmführend. Ab Takt 43 wird das Hauptthema wieder aufgegriffen, nun mit Stimmführung in Flöte, Oboe und Horn. Der Mittelabschnitt bzw. das Trio (Takt 54 bis 98) in As-Dur ist durch sein Synkopen-Thema der Holzbläser geprägt, welches im Wechsel mit einem kontrastierenden chromatischen Abschnitt nur für Streicher vorgetragen wird. In der Reprise des Hauptteils (Takt 99 bis 150) ist anfangs das Horn mit dem Hauptthema stimmführend, bei der Wiederholung die Oboe, in der Fortspinnung des Themas Klarinette und Fagott und beim Wiederaufgreifen des Hauptthemas Cello und die oktavierten 1. Violinen. Damit sind gegenüber dem Hauptteil die Rollen von Bläsern und Streichern getauscht.[1][2] Die Coda (Takt 151 bis 163) greift das Kopfmotiv vom Hauptthema und die Synkopen des Trio-Themas auf. Hinter der scheinbaren Eingängigkeit der Melodien des Satzes, der bei der Aufführung am 28. Januar 1884 in Berlin wiederholt werden musste,[16] steckt eine detaillierte kompositorische Arbeit.[17]
Vierter Satz: Allegrof-Moll, 2/2-Takt (alla breve), 309 Takte Das Hauptthema tritt piano als düstere, die Quinte C der Haupttonart f-Moll umkreisende Melodie[8] im Unisono von Fagott und Streichern auf. Der Vordersatz ist durch den Wechsel von Viertel und Achtelbewegung, der Nachsatz durch den punktierten Rhythmus gekennzeichnet. Das Thema wird in Terzen der Bläser wiederholt mit Dehnungen im Vordersatz. Unerwartet folgt dann ab Takt 18 pianissimo ein choralartiges[1][2][8] Thema in Klarinette, Fagott und Streichern, das zwar durch den getragenen Charakter zum Hauptthema kontrastiert, in der Lautstärke jedoch weiterhin zurückgenommen ist. Erst in Takt 30 setzt das ganze Orchester forte mit der Überleitung ein. Diese greift anfangs den Kopf vom Vordersatz des Hauptthemas auf und kontrastiert zum vorigen Geschehen auch durch ihre „schroff gezackten Figuren“[2] und die großen Intervallsprünge im Staccato. Das Seitenthema (Takt 52 bis 62) in gleichmäßigen Viertel-Triolen steht in der Dominante C-Dur. Es wird anfangs von Horn und Cello, dann von Flöte, Oboe, Fagott und 1. B.Violine vorgetragen.[18] Es ist strukturell verwandt mit dem Hauptthema des dritten Satzes.[1] Nach einer Fortspinnung[1] des Themas wird in Takt 70 die Schlussgruppe erreicht. Diese ist in ihrem dramatisch-energischen Charakter ähnlich der Überleitung gehalten (ganzes Orchester, forte bis fortissimo, große Intervallsprünge im Staccato). Die Durchführung ab Takt 104,[19] die nahtlos an die Exposition anschließt, nimmt die Dramatik der Schlussgruppe zunächst wieder zurück. Sie verarbeitet im ersten Abschnitt (Takt 104 bis 148) das Hauptthema. Mit einer versetzt zwischen den Instrumenten auftretenden fallenden Linie (auch aus dem Hauptthema ableitbar) steigert sich die Lautstärke zum Forte. Nach einer Generalpause folgt dann der zweite Abschnitt (Takt 148 bis 171) mit dem Choralthema in den Bläsern, unterlegt von Achtelläufen der Streicher. Mit Steigerung zum Fortissimo wechselt Brahms wiederum nahtlos und verschleiert[1] zur Reprise in Takt 172, indem er Hauptthema und Choralthema auslässt und gleich mit der Überleitungsgruppe entsprechend Takt 30 beginnt. Die Reprise ist sonst ähnlich der Exposition gestaltet: Seitensatz Takt 194 bis 212, Schlussgruppe Takt 212 bis 250, dabei mit dem Vordersatz vom Hauptthema ab Takt 240. Die im Charakter weitgehend ruhig-zurückhaltende Coda ab Takt 250 ist umfangreich und besteht aus drei Abschnitten: Der erste Abschnitt (Takt 250 bis 280) verarbeitet das in der Reprise ausgelassene Hauptthema, wobei die Gestaltung des Vordersatzes (anfangs stimmführend in der Viola) mit seinen Triolen an das Seitenthema erinnert, die Tonart in Takt 267 zu F-Dur wechselt und an einigen Stellen das Vorhangmotiv vom ersten Satz anklingt (Takt 273 Oboe, Takt 277 Horn). Der zweite Abschnitt (Takt 280 bis 296) verarbeitet das Choralthema und der dritte (Takt 297 bis 309) greift das Vorhangmotiv von Satz 1 auf, unterlegt vom Kopfmotiv des Hauptthemas von Satz 4. Dies bereitet die Wiederaufnahme des Hauptthema-Anfangs von Satz 1 vor, mit der das Allegro pianissimo endet.
Einzelnachweise, Anmerkungen
Weiterführende Literatur
Weblinks, NotenCommons: 3. Sinfonie (Brahms) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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