Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei 0,10 (Null–Zehn) (russischПоследняя футуристическая выставка картин 0,10 (ноль–десять)Poslednjaja futuristitzeskaja wystawka kartin 0,10 (nol–desjat)) war eine Kunstausstellung, die vom 19. Dezember 1915 bis zum 19. Januar 1916 im Chudoschestwennoje bjuro (deutschKunst-Büro) von Nadeschda Dobytschina in Petrograd stattfand.[1] Die Ausstellung gilt, besonders wegen der präsentierten suprematistischen Werke von Kasimir Malewitsch (darunter das Schwarze Quadrat) und den Konter- und Eck-Reliefs Wladimir Tatlins, als eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Moderne. In der Ausstellung waren jedoch insgesamt vierzehn Künstler vertreten, darunter sieben Frauen, von denen einige zu den bedeutendsten Künstlerinnen der russischen Avantgarde und Moderne überhaupt gezählt werden.[1] Die Ausstellung bot ein sehr heterogenes Bild der Avantgarde im Jahr 1915, was die spätere Rezeption, die sich im Wesentlichen auf Malewitsch und Tatlin konzentrierte, überwiegend vernachlässigte.[1]
In der zeitgenössischen, überwiegend bürgerlichen und konservativen Kunstkritik wurde die Ausstellung weitestgehend negativ rezensiert.[1]
Der Katalog der Ausstellung verzeichnet 154 Exponate, insgesamt wurden jedoch etwas mehr ausgestellt. Einerseits fasste Tatlin mehrere Werke unter einer Nummer zusammen, andererseits sind mindestens zwei Werke mehr ausgestellt worden, wie handschriftlich in einem Exemplar des Ausstellungskataloges festgehalten wurde. Die ausgestellten Werke waren überwiegend erst kurz zuvor angefertigt worden, einige ältere Werke (jedoch nicht älter als ein bis zwei Jahre) wurden jedoch auch gezeigt. Neben der Rivalität von Kasimir Malewitsch und seinen Anhängern und Tatlin und seinen Anhängern bestand auch eine gewisse, fast traditionelle, Rivalität zwischen der Petrograder und Moskauer Avantgarde. Der Charakter der Ausstellungen wurde jedoch stärker durch die Moskauer Avantgarde bestimmt.[2]
Organisation
Die Ausstellung wurde durch das Ehepaar Iwan Puni und Xenia Boguslawskaja finanziert, die bereits die Tramwaj W finanzierten. Die Ausstellung fand in der Galerie von Nadeschda Dobytschina statt. Diese befand sich im ersten Stock eines großen, von Domenico Adamini entworfenen und 1824 erbauten Gebäude (Lage des Gebäudes). Insgesamt wurden sechs der zehn Räume für die Galerie genutzt. Die Ausstellung 0,10 befand sich jedoch nur in mindestens drei und maximal fünf Räumen der Galerie.[2]
Werke
Während die Ausstellung Tramwaj W im März 1915 insbesondere kubofuturistischen Werke zeigte, sowie Reliefs von Tatlin und Kljun und alogische Bilder von Malewitsch, vollzog sich in 0,10 ein weiterer Schritt in der Kunstgeschichte. Tatlin zeigte hier erstmals Konterreliefs, also solche, die sich über die Ecke eines Raumes erstrecken, und Malewitsch zeigte hier erstmals seine suprematistischen Arbeiten.[2]
Nachfolgend eine Tabelle der gezeigten Werke, die heute noch identifiziert werden können. Die Titel folgen dem Katalog, die Jahresangabe bezeichnet das Herstellungsdatum. Diese sind nicht dem Katalog entnommen, da er keine Angaben dazu enthält, sondern dem aktuellen Stand der Kunstwissenschaft. In eckigen Klammern sind die für das Werk üblichen Titel angegeben, wenn diese von dem Katalogtitel abweichen.
Von der Ausstellung sind insgesamt sechs Installationsfotographien bekannt. Ansonsten sind mehrere Plakate angefertigt und erhalten worden, sowie ein Ausstellungskatalog, zwei Flugblätter, ein Heft von Malewitsch und eines über Tatlin.
Kasimir Malewitsch: Ot kubisma k suprematismu. Nowyi schivopisnyi realism. (russischОт кубизма к супрематизму. Новый живописный реализм). Petrograd Dezember 1915 (1. Auflage), Januar 1916 (2. Auflage).
Alle herausgegebenen Dokumente sind in Auf der Suche nach 0,10 – Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6. nachgedruckt.
Literatur
Auf der Suche nach 0,10 – Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6.
Linda S. Boersma: 0,10. The Last Futurist Exhibition of Painting. 010 Publishers, 1994, ISBN 90-6450-135-1.
Jane A. Sharp: Malewitsch, Benois und die kritische Rezeption der Ausstellung 0.10. In: Die große Utopie. Die russische Avantgarde 1915–1932. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main 1992, S.32–45.
Einzelnachweise
↑ abcdAuf der Suche nach 0,10. Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6, S.15.
↑ abcdAuf der Suche nach 0,10. Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6, S.43–45.
↑im Ausstellungskatalog kam es zu einem Druckfehler, dort ist das Gemälde fälschlicherweise als Metropole benannt.