ČD-Baureihe 380
Die ČD-Baureihe 380 ist eine elektrische Mehrsystemlokomotive des tschechischen Eisenbahnverkehrsunternehmens České dráhy (ČD), die vom tschechischen Hersteller Škoda Transportation gebaut wurden. Als ZSSK-Baureihe 381 und DB-Baureihe 102 wurden einzelne Fahrzeuge für andere Unternehmen gebaut. Die verschiedenen Baureihen werden von Škoda zusammen als Typ 109E bezeichnet. GeschichteBereits in den 1980er Jahren war dem Lokomotivhersteller Škoda bewusst, dass die produzierten Lokomotiven zunehmend veralten und technische Innovation nur durch Asynchronmotoren mit Drehstromantrieb möglich sein wird. Ab 1985 fing daher die Entwicklung einer solchen Lokomotive an. Sie erhielt durch den Hersteller die Typbezeichnung 85E. 1987 wurde das erste Versuchsmuster mit der Bezeichnung ČSD 169.001 vorgestellt. Sie sollte den Beginn einer neuen Lokomotivgeneration bei Škoda darstellen. Aufbauend auf der 85E sollten weitere Versuchsmuster für höhere Geschwindigkeiten entstehen, auch waren Mehrsystemlokomotiven geplant. Mit der neuen Technologie sollten auch in den 1980er Jahren weiterhin erwartete Exportaufträge in die Sowjetunion ausgestattet werden. Die weitere Entwicklung des Asynchrons wurde aufgrund knapper finanzieller Mittel und fehlender Nachfrage seitens der Staatsbahn eingestellt, letztere hat selbst bestellte Lokomotiven später nicht mehr übernommen (siehe auch SD-Baureihe 184.5 und ČSD-Baureihe E 499.3). Der Lokpark der tschechischen Staatsbahn ČD war zu diesem Zeitpunkt relativ neuwertig. Ab 1994 beteiligte sich Škoda bei der ČD-Baureihe 471, ein Triebzug, am Asynchronantrieb. In den späten 1990er Jahren suchte die ČD für den grenzüberschreitenden Schnell- und zweistrombetriebenen Inlandsverkehr einen Nachfolger für die Zweisystemlokomotiven der ČD-Baureihen 371/372, die sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eingesetzt werden kann. Im Jahr 2003 wurden 20 Lokomotiven bei Škoda Transportation in Pilsen in Auftrag gegeben.[2] Da die Baureihen 371/372 nur für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Deutschland konzipiert sind und damit nur unter dem im Norden Tschechiens vorhandenen 3000-Volt-Gleichspannungsnetz fahren können, sollte die neue Lokomotive zusätzlich das im Süden vorhandene Bahnstromsystem mit 25-Kilovolt-50-Hertz-Wechselspannung beherrschen und damit auch nach Österreich fahren können. Die neue Mehrsystemlokomotive sollte außerdem den nun für höhere Geschwindigkeiten ausgebauten Strecken Rechnung tragen und mindestens 200 km/h fahren können, um u. a. die Relation des EC Vindobona Hamburg–Berlin–Prag–Wien ohne Lokwechsel bedienen zu können. Zulassungen für Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Österreich, Deutschland und Polen waren geplant.[2] Mit Stand Februar 2014 liegen Zulassungen für Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Österreich und Polen vor.[3] Bereits im April 2013 erhielt die Lokomotive eine Zertifizierung nach TSI Highspeed.[4] Die 85E diente Škoda in gewisser Hinsicht als Vorlage und war für die Erprobung verschiedener Komponenten der neuen Lokomotive des Typs 109E geplant – hier zu kam es nicht. Škoda stellte am 24. Juli 2008 die erste Lokomotive, die spätere 380.002, bei einem Pressetermin im Werk vor. Die offizielle Präsentation der Lokomotive fand auf der InnoTrans im September 2008 in Berlin statt. Im Zuge der Entwicklung gab es Verzögerungen, da zeitweise der Kauf oder Lizenzbau von Bombardier-Transportation-Mehrsystemlokomotiven in Erwägung gezogen wurde.[5] Dazu kam die Einführung der Crash-Norm EN 15227, die das Verhalten von Eisenbahnfahrzeugen bei Kollisionen festlegt, sodass eine Überarbeitung der Konstruktion des Lokomotivkastens nötig wurde. Nach verschiedenen Entwürfen durch Porsche Design wurde das endgültige Design erstmals auf der InnoTrans 2008 gezeigt. Die Testfahrten auf dem Versuchsring Velim sowie die weitere Erprobung dauerten etwa vier Jahre. Für den Dezember 2009 war der erste reguläre Einsatz vor den EC-Zügen der Relation Berlin–Prag–Wien vorgesehen.[6] Die ersten Einsätze auf der Relation Prag–Brünn–Wien erfolgten mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2013.[7] Im Juni 2010 begannen im Güterverkehr mit der 380.007 die ersten regulären Einsätze. Der Einsatz der Baureihe im Personenverkehr im Inland war für September 2010 vorgesehen und wurde im Dezember umgesetzt.[8][9] In den Jahren 2010 und 2011 lieferte Škoda die 20 bestellten Serienlokomotiven an die ČD aus. Seitdem kommen sie vorrangig vor den schnellfahrenden Zügen zwischen Prag, Brünn und Bratislava zum Einsatz. Die ursprüngliche Zusammenarbeit mit Bombardier führte zu Rechtsstreitigkeiten, welche dazu führten, dass die für Zulassungsfahrten in Österreich weilende Lokomotive 380.004 von den lokalen Behörden am 18. Mai 2011 (nach anderen Quellen 22. Mai 2011[2]) beschlagnahmt wurde, im November desselben Jahres aber wieder freigegeben wurde.[2][5][10] Am 27. Juni 2013 wurde die Lok 380.007 auf den Namen des tschechischen Langstreckenläufers Emil Zátopek getauft, der in den Jahren 1948 und 1952 olympische Goldmedaillen errang und den Spitznamen „Tschechische Lokomotive“ trug.[11] Seit dem vermarktet Škoda die Lokomotiven vom Typ 109E unter dem Namen Emil Zátopek[12] Vom 5. Oktober bis 20. Oktober 2014 war 380.002 zu Personalschulungsfahrten in Ungarn. Von Budapest Déli pályaudvar bespannte die Lokomotive die Züge nach Székesfehérvár und Siófok. Ziel dieser Fahrten war die durchgehende Bespannung der Expresszüge von Prag nach Budapest als Ersatz für die bisher hier eingesetzten Reihe 350 vom Fahrplanwechsel im Dezember 2014 an.[13] Ab 13. Dezember 2015 sollten Lokomotiven dieser Baureihe die Eurocity-Züge zwischen Prag, Berlin und Hamburg durchgehend bespannen.[14] Das notwendige Zulassungsverfahren des Eisenbahn-Bundesamt für einen Betrieb bis 200 km/h in Deutschland wurde im Mai 2015 erfolgreich zum Abschluss gebracht.[15] Das für die deutschen Schienenwege zuständige Eisenbahninfrastrukturunternehmen DB Netz verweigerte allerdings zunächst eine uneingeschränkte Zulassung. Als Grund dafür wurden vom Laufwerk verursachte unzulässige Schwingungen beim Befahren von Brücken genannt.[16] Für die durchgehende Traktion der Eurocityzüge von Prag nach Hamburg setzt die ČD seit Dezember 2017 Dreisystemlokomotiven des Typs Siemens Vectron ein. Ein entsprechender Vertrag zum Leasing von zehn Lokomotiven wurde nach einer Ausschreibung im Mai 2017 geschlossen.[17] Eine uneingeschränkte Zulassung für den Einsatz der Baureihe 380 in Deutschland erteilte DB Netz im November 2017.[18] Im Oktober 2020 gaben die ČD bekannt, dass man die Lokomotiven bis 2025 verkaufen oder an Dritte langfristig vermieten wolle. Entsprechende Angebote wurden verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Tschechien unterbreitet, darunter auch ČD Cargo[19], welche kein Interesse an dieser Baureihe hatten und bevorzugt Lokomotiven von Siemens und Bombardier bestellten oder von der ČD ältere Lokomotiven aus dem Personenverkehr übernehmen. Als problematisch stellt sich auch die fehlende Ausstattung der Lokomotiven der Baureihe 380 mit ETCS dar. Bei den Ausschreibungen für die Nachrüstung von ETCS meldeten sich entweder keine Anbieter oder nur solche mit überhöhten Preisen. Dahingegen ist die Nachrüstung älterer ČD-Lokomotiven mit ETCS aufgrund der größeren Stückzahlen kostengünstiger. Am 27. Juni 2024 stieß die an der Spitze des Eurocity 279 Metropolitan laufende 380 004 auf einem Bahnübergang im slowakischen Nové Zámky mit einem Linienbus zusammen. Der vordere Führerstand brannte aus. Die ČD musterten die Lokomotive daraufhin aus. Die wiederverwendbaren Baugruppen werden als Tauschteil für die anderen 19 Lokomotiven genutzt.[20][21] Bauartgleiche LokomotivenŽelezničná spoločnosť Slovensko Das slowakische Eisenbahnverkehrsunternehmen Železničná spoločnosť Slovensko (ZSSK) bestellte 2009 zwei Exemplare mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit und GSM-R/ETCS Level 1. Die Lokomotiven wurden im Jahr 2012 ausgeliefert.[2] Eine Nachbestellung von Serienlokomotiven unterblieb. DB Regio Oberbayern DB Regio Oberbayern bestellte im Juni 2013 sechs Lokomotiven als Einsystemversion für das Wechselspannungssystem mit 15 Kilovolt 16,7 Hertz. Sie kommen zusammen mit neuentwickelten Doppelstockwendezügen als München-Nürnberg-Express zum Einsatz.[22][23][24] Die Abnahme der Lokomotiven und Wagen vom Kunden DB Regio war allerdings „wegen anhaltender technischer Probleme“ langwierig.[25] Technische MerkmaleDie Lokomotiven verfügen über zwei wassergekühlte IGBT-Stromrichter mit je vier Vierquadrantenstellern, einem Bremssteller und vier Antriebswechselrichtern für die Einzelachssteuerung der Fahrmotoren, welche in Doppelsternschaltung ausgeführt sind – diese Schaltung wurde sonst nur von Bombardier Transportation für Lokomotiven verwendet. Die Lokomotiven sind für drei Stromsysteme 25-Kilovolt-50-Hertz-Wechselspannung, 15-Kilovolt-16,75-Hertz-Wechselspannung und 3000-Volt-Gleichspannung ausgelegt und für die Ausrüstung mit ETCS vorbereitet,[2] so dass sie in mehreren Ländern Mitteleuropas einsatzfähig sind. Nach einer Ankündigung im April 2016 sollen die Lokomotiven mit ETCS ausgerüstet werden.[26][27] Siehe auchWeblinksCommons: ČD-Baureihe 380 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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