Zentrum für verfolgte KünsteDas Zentrum für verfolgte Künste in Solingen ist ein deutsches Kunstmuseum. Es ist Europas einzige Institution, die sich dauerhaft mit verfolgten Künstlern und ihren verbotenen Werken auseinandersetzt. In permanenten sowie wechselnden Ausstellungen wird ihren Schicksalen nachgegangen und die Frage nach den Ursachen für die Verfolgung von Künstlern gestellt. LageDas Zentrum befindet sich im Gebäude des ehemaligen Rathauses der Stadt Gräfrath, das es sich mit dem Kunstmuseum Solingen teilt. Das 1907/1908 erbaute Gebäude im Neubergischen Stil wurde 1995/1996 um einen rückwärtigen Anbau erweitert. Es liegt auf einer Anhöhe über dem historischen Ortskern des Solinger Stadtteils Gräfrath zwischen der Bundesstraße 224 und der Korkenziehertrasse; die Haltestellen Gräfrath und Bergerbrühl des Solinger Oberleitungsbusses 683 befinden sich in fußläufiger Entfernung. GeschichteDas Zentrum wurde 2015 als gemeinnützige GmbH vom Landschaftsverband Rheinland und der Klingenstadt Solingen gegründet. Am 8. Dezember 2015 erfolgte die offizielle Eröffnung durch den damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert.[1] Die Idee eines Zentrums für verfolgte Künste stammt von der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft in Wuppertal. Die Gesellschaft und deren Vorsitzender Hajo Jahn haben sich über 25 Jahre für die Errichtung einer solchen Institution eingesetzt. Gründungsdirektor war Rolf Jessewitsch (* 1954). Seit dem 1. Oktober 2019 ist Jürgen Kaumkötter (* 1969) Direktor des Zentrums für verfolgte Künste.[2] Im Januar 2023 wurden Pläne bekannt, wonach das Museum für 28 Millionen Euro umgebaut und modernisiert werden soll. Das Museumshaus soll in ein grünes Gebäude umgewandelt und das Umfeld in eine Parkanlage umgestaltet werden, die sich zur Korkenziehertrasse hin öffnet. Das Zentrum für verfolgte Künste soll damit eines der ersten nachhaltigen Museen in Deutschland werden. Hierzu war Anfang 2022 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden.[3] Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else-Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard SchneiderDas Zentrum für verfolgte Künste betreut die Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else-Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider. Kern der Sammlung der Bürgerstiftung sind Objekte der Kunst und der Literatur aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Diese „Kunst der Katastrophe“ entstand im Einflussbereich des nationalsozialistischen Terrors zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich oder in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten, von Menschen auf der Flucht und im Exil. Entsprechend den politischen Verwerfungen dieser Zeit und der damit einhergehenden Kulturpolitik sind die damals verfolgten und ausgegrenzten Künstler heute eher unbekannt. Das Zentrum will ihrer gedenken und sie gleichzeitig zurück in die Kulturgeschichte holen.[4] Der erweiterte Sammlungsbereich umfasst die Zeit von 1914 bis 1989. Werke von Soldaten, die aus dem Ersten Weltkrieg als Pazifisten heimkehrten, die den Krieg und Hass zwischen den Völkern als großen Fehler in Schrift und Bild darstellten. Werke, die schon in der Weimarer Republik von den Nationalsozialisten bekämpft wurden. Diese politisch mutigen Künstlerinnen und Künstler wurden von den Nationalsozialisten als „Künstler der Systemzeit“ verunglimpft und, falls sie gegen alle Gewalt weiterhin politisch aktiv waren und sich mittels ihrer Kunst für eine friedvollere Gesellschaft engagierten, auch persönlich verfolgt. Einen besonderen Fokus legt die Sammlung auf die Nachkriegszeit und die Folgen des Nationalsozialismus, die Teilung Deutschlands und die widerständlerische Literatur aus der DDR, der zweiten deutschen Diktatur im 20. Jahrhundert, sowie auf die Literatur der Dissidenten Mittel- und Osteuropas. Basis sind hier die Literaturgeschichten Jürgen Serkes, seine Bücher „Die verbannten Dichter“ und „Zu Hause im Exil: Dichter, die eigenmächtig blieben in der DDR“. Die Sammlung bildender Kunst basiert auf der Sammlung Entdeckte Moderne von Gerhard Schneider. Der dritte Bereich der Sammlung zeigt gegenwärtige Bild- und Schriftwerke, die Einschränkung der persönlichen Freiheit, Flucht, Vertreibung, Verfolgung und politischen Terror darstellen. Als Dauerleihgabe der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft befindet sich im Zentrum für verfolgte Künste die größte Sammlung von Originalzeichnungen Else Lasker-Schülers außerhalb Israels. WechselausstellungenRegelmäßig organisiert das Zentrum Wechselausstellungen.[5] Darüber hinaus wird das Thema „verfolgte Künste“ in nationalen und internationalen Kooperationen einer breiteren Öffentlichkeit nahegebracht. Hierbei erfolgt auch die Auseinandersetzung mit aktuell verfolgten Künstlern.
Film: „KICHKA. Life is a Cartoon“Im März 2018 wurde der erste Dokumentarfilm des Zentrums für verfolgte Künste und des MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau mit dem Titel Kichka. Life is a Cartoon in Brüssel uraufgeführt. Kichka. Life Is a Cartoon ist ein Film über eine Vater-Sohn-Beziehung. Henri, der Vater (geboren 1926 in Brüssel), ist Opfer und Zeitzeuge des Holocaust. Michel, der Sohn (geboren 1954 in Seraing/Lüttich), wartet seit seiner Kindheit auf Erklärungen. Der Film zeigt, wie das Trauma der Shoah – auch unausgesprochen – das Leben aller Familienmitglieder bestimmt. Der Film begleitet Vater und Sohn Kichka zwei Jahre lang zu vielen Gesprächspartnern in Israel, Belgien und Frankreich. Trotz oder gerade wegen des bedrückenden Themas ist die Dokumentation voller Leichtigkeit, Zuneigung und Hoffnung. Henri Kichka, 1926 in Brüssel geboren, wurde 1942 zusammen mit seinen Eltern und zwei Schwestern von der Gestapo verhaftet. Drei Jahre musste er in Konzentrationslagern verbringen, seine Mutter und seine Schwestern wurden ermordet. Sein Vater starb auf dem Weg nach Buchenwald, wo Henri 1945 befreit wurde. Nach dem Krieg kehrte Henri nach Brüssel zurück und heiratete. Das Ehepaar bekam vier Kinder: Hannah, Michel, Irène und Charly. Der Sohn Michel Kichka wanderte als 20-Jähriger nach Israel aus, gründete eine Familie und begann eine Karriere als Cartoonist. 2012 veröffentlichte er die Graphic Novel Zweite Generation. Sie war seinem jüngeren Bruder gewidmet, der sich das Leben genommen hatte. Hauptthema ist jedoch die Beziehung zwischen Sohn Michel und Vater Henri als Opfer und Zeitzeuge des Holocaust. Das Buch zeigt auf, wie dieses Trauma die seelische Verfassung aller Mitglieder einer Familie bestimmt. Kichka zeigt das Potential des Cartoons als Kunstform – nur durch diese Kunst sind Vater und Sohn schließlich fähig, miteinander zu kommunizieren, über das Leben des Vaters als Zeitzeuge zu reden und ihre Sprachlosigkeit zu überwinden. Michel Kichka erörtert die Verantwortung der zweiten Generation im Gespräch mit Beate und Serge Klarsfeld. Im Dialog mit dem Le-Monde-Cartoonisten Jean „Plantu“ Plantureux, Begründer von „Cartooning for Peace“, erweitert der Film sein Sujet von der Shoah auf die politische Karikatur und die Rolle von Comics als künstlerische Form.[10][11] AuszeichnungenIm Dezember 2015 wurde das Museum von der britischen Tageszeitung The Guardian als eines der zehn besten neuen Museen weltweit genannt.[12] Siehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Zentrum für verfolgte Künste – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
Koordinaten: 51° 12′ 13″ N, 7° 4′ 25″ O |