Willy Guggenheim wuchs in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Sein Vater Hermann Guggenheim war Lithograph und Gründer eines Ansichtskartenverlages. Als Willy 12 Jahre alt war, starb der Vater, zwei Monate vorher war seine ältere Schwester gestorben.
Er zog nach St. Gallen um, wo er die Kantonsschule und Gewerbeschule besuchte und eine eineinhalbjährige Lehre in der Lithographenanstalt Seitz machte. Er kam dadurch in Kontakt mit den Senefelder-Steinen, die auch Édouard Manet, Honoré Daumier, Paul Gavarni und Henri de Toulouse-Lautrec verwendeten. Lithographieren lernte er als anstrengende und langwierige Arbeit kennen und schwor sich, nie mehr eine Lithographie zu machen; daran hielt er sich mit wenigen Ausnahmen.
Als seine Mutter das Vermögen verlor, kam er zur Erkenntnis, «dass Kunst brotlos ist, etwas verdienen zu müssen». So trat er in die Weltfirma Risacher am Faubourg Montmartre ein, aus der er aber wieder austreten musste – man hatte ihm angeblich gesagt, er sei nicht einmal fähig, einen Bleistift anzuspitzen. Guggenheim fertigte dann Zeichnungen für humoristische Zeitungen an, die weniger schön als obszön sein mussten und im «Salon des Humoristes» ausgestellt wurden. Er mietete ein Atelier an der Rue de Vanves. Sein Förderer Leopold Zborowski meinte, dass man mit dem Namen Guggenheim, «dem Namen amerikanischer Kunstmagnaten und Pariser Rennstallbesitzer, keinen Erfolg haben werde». Als Künstlernamen schlug er Varlin vor, nach Eugène Varlin, einem französischen Revolutionär und Anarchisten.[1]
1935 reiste Varlin mit Mutter und Schwester zurück in die Schweiz. Er wohnte dann während 35 Jahren in einer Wollishofer Dreizimmerwohnung, die ihm auch zwei Jahre als Atelier diente. In einem Abbruchhaus wohnte er in einem gemieteten Atelier zusammen mit Maler Leo Leuppi, einem Dänen namens Olsen, Gusti Vogt, dem Bildhauer Louis Conne sowie den früh verstorbenen Bildhauern Hans Hippele und Meinrad Marti. Dank dem Einsatz des damaligen «Kunstpapstes» Sigismund Righini erhielt Varlin doch noch das angeforderte Bundesstipendium, das er zuerst nicht erhalten hatte (Varlin hatte einen Rückenakt von hinten eingesandt).
Nach dem Abriss des Hauses mietete Varlin ein anderes Atelier in einer Bauernstube, führte eine Zeit lang ein Leben als Tagedieb und wurde Dienstverweigerer. Infolge einer Reise nach Venedig wurde Varlin – nach eigenen Angaben durch das viele Wasser – zum Alkoholiker.
1951 begegnete Varlin Franca Giovanoli aus Bondo im Bergell. 1960 vertrat er zusammen mit Otto Tschumi und Robert Müller die Schweiz an der Biennale von Venedig; zudem wurde er mit dem Guggenheim Award ausgezeichnet. Darauf erfolgte nach vielen Ausstellungen in anderen Museen, eine Retrospektive im Kunsthaus Zürich. Es entstanden die Porträts von Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Anna Indermauer, Hulda Zumsteg, Hugo Lötscher, Erst Schröder, Emil Landolf u. a.[2]
1963 heiratete er Franca Giovanoli. Sie zogen nach Bondo, der Heimat Francas. Am 12. Januar 1966 wurde die Tochter Patrizia geboren. Im Jahr 1967 folgte der Kunstpreis der Stadt Zürich und 1970 der «Helmhaus-Skandal» in Zürich: Varlin zerschnitt aus Protest die eigenen Bilder, die Max Bill in der Ausstellung platziert hatte und schrieb einen offenen Brief («Kunst ist Selbstverteidigung, Befreiung von sich selbst, Befreiung von den Mächtigen, den Bösen... Einmal musste es gesagt sein.»)[3] 1972 verliess Varlin das Atelier am Zürcher Neumarkt und liess sich definitiv in Bondo nieder.
1976 Giovanni Testori organisierte eine grosse Retrospektive von Varlins Schaffen in der Rottonda di Via Bafana in Mailand. Varlin starb nach langer Krankheit am 30. Oktober 1977 in seinem Haus in Bondo im Bergell und liegt dort begraben.
Varlin und das 7. Jahrzehnt. Themenheft: In: Du. März 1970. Conzett & Huber, Zürich 1970. Fotos u. a. von Henri Cartier-Bresson, Franco Cianetti, René Groebli.
Varlin. Texte von Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Jürg Federspiel, Manuel Gasser, Hugo Loetscher, Paul Nizon, Giovanni Testori, Ludmila Vachtova und von ihm selbst. Scheidegger, Zürich 1978.
Hugo Loetscher (Hrsg.): «Wie er schrieb und zeichnete». GS-Verlag, Zürich 1983.
Franca Guggenheim, Peter Keckeis: Briefe und Schriften. Verlag NZZ, Zürich 1989.
Mathias Picenoni, Patrizia Guggenheim, Vincenzo Todisco (Hrsg.): Varlin a Bondo. In: Quaderni grigionitaliani, Fasciolo speciale. Edizione della Pro Grigioni Italiano. Chur Dezember 2000.