Werner Sylten wurde als ältestes von fünf Kindern in Hergiswil geboren. Bedingt durch den Beruf des Vaters zog die Familie oft um und Sylten besuchte Schulen in Berlin, in Friedeburg bei Breslau und in Lohr am Main. Er studierte Theologie in Marburg und war Mitglied der Studentenverbindung SBV Frankonia Marburg im Schwarzburgbund. Im Studium wurde er vor allem von der Liberalen Theologie geprägt. Durch den Ersten Weltkrieg wurde sein Studium unterbrochen, da er zum Wehrdienst eingezogen wurde.
Er beendete nach dem Krieg sein Studium, ergänzt um Nationalökonomie und Sozialpädagogik, in Berlin. Nach Stellen als Jugendvikar in Göttingen und als Pastor in Hildesheim leistete Sylten ab 1925 in Thüringen kirchliche Sozialarbeit für gefährdete Jugendliche. Er arbeitete als Pfarrer in einem Erziehungsheim für Mädchen in Bad Köstritz bei Gera und reformierte das Heim so, dass es die Mädchen mit einem Berufsabschluss als Haushaltshilfe verlassen konnten, bis er 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Pfarrdienst entlassen wurde.
Syltens Frau Hildegard hielt dem Druck, der auf die Familie des „Halbjuden“ Sylten ausgeübt wurde, nicht stand und starb 1935 durch Suizid.
Von 1936 bis 1938 war Sylten Geschäftsführer des Landesbruderrates der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen.[1] Er trat dem Pfarrernotbund bei und erhielt 1939 mit Hilfe von Martin Niemöller eine Anstellung bei Pfarrer Heinrich Grüber bei der Vertrauensstelle Büro Grüber in Berlin (Kirchliche Hilfsstelle für evangelische Rassenverfolgte), wo er für die Seelsorge zuständig war. Im „Büro Grüber“ half er mit, das Leben von mehr als tausend „nichtarischen“ Christen durch Ermöglichung der Auswanderung zu retten.
Mit seiner neuen Lebensgefährtin Brunhilde Lehder und seinen Kindern wohnte Sylten in Wendenschloß in Köpenick. Nach der Verhaftung Grübers durch die Gestapo 1940 leitete Sylten das Büro weiter, bis es zwei Monate später endgültig geschlossen wurde.
Sylten wurde am 27. Februar 1941 verhaftet,[2] ins Polizeigefängnis Alexanderplatz verbracht und schließlich in das KZ Dachau verschleppt. Er musste dort in der Landwirtschaft harte körperliche Arbeit leisten, doch er war auch im KZ weiter als Seelsorger und Vermittler tätig. Trotz Krankheit durch die Unmenschlichkeiten und Folter der KZ-Haft meldete sich Sylten nicht krank, da die Krankentransporte aus dem KZ hinaus in den sicheren Tod führten.
Nachdem Grüber ihn einmal durch Bestechung vor der Transportliste gerettet hatte, wurde er dennoch kurze Zeit später durch die Offensichtlichkeit eines eitrigen Ausschlages als krank aus dem Lager abtransportiert. Werner Sylten kam wahrscheinlich am 12. August 1942 im Rahmen der sogenannten „Aktion 14f13“ in die NS-Tötungsanstalt Hartheim im Schloss Hartheim, wo er vergast wurde. Als offizieller Todestag gilt der 26. August 1942 (Datum der Sterbeurkunde).
Vor seinem damaligen Wohnhaus Ostendorfstraße 19 in der Villenkolonie Wendenschloß wurde am 12. Dezember 2006 ein Stolperstein verlegt.[6] Ebenso erinnert seit dem 6. November 2012 ein weiterer Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnhaus in Gotha, Bachstraße 14 und seit dem 8. September 2014 einer am ehemaligen Mädchenheim in Bad Köstritz an ihn.[7]
In Gotha (Thür.) ist die Werner-Sylten-Straße nach ihm benannt. In der Hausnummer 1 dieser Straße sind das Ev.-Luth. Pfarramt sowie die Versöhnungskirche angesiedelt. Eine Gedenktafel für ihn, die vorher an einem inzwischen abgerissenen Haus im Zentrum von Gotha hing, ist nun an der nördlichen Kirchenmauer zu sehen.[8]
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland verleiht seit 2018 den Werner-Sylten-Preis an Personen und Gruppierungen, die sich um den christlich-jüdischen Dialog verdient gemacht haben.[9]
Gedenktafel der EKD im Innenhof der Tötungsanstalt Schloss Hartheim
Hartmut Draeger: Werner Sylten – Pädagoge der Mitmenschlichkeit und Märtyrer im Nationalsozialismus. Seine Heimpädagogik 1925–1936 nach den Prinzipien und Strukturen des Jenaplans. Beau Bassin, 2018, ISBN 978-613-8-35143-6.
Bruno Köhler: „Die Welt braucht viel, viel Liebe“. Werner Sylten. Lutherhaus, Evangelisches Pfarrhausarchiv, Eisenach 1978.
Bruno Köhler: Gotha, Berlin, Dachau. Werner Sylten. Stationen seines Widerstandes im Dritten Reich. Radius, Stuttgart 1980, ISBN 3-87173-563-9.
Martin Krautwurst: Werner Sylten, Pädagogik und Theologie in Zeiten des Nationalsozialismus. Diplomarbeit. FSU Jena. Jena 1997.
Martin Krautwurst: Der pädagogisch-theologische Ansatz des Pfarrer Werner Sylten. Thüringer Mädchenheim Bad Köstritz von 1925–1936. Fromm Verlag, Saarbrücken 2018, ISBN 978-620-2-44102-5.
Karsten Vollrath: „Man kann mir Deutschland neiden, wehren nicht, es als mein Heimatland zu lieben“. Werner Sylten und die Schwarzburgverbindung Frankonia. In: Bernhard Grün, Peter Krause, Klaus Gerstein, Harald Lönnecker (Hrsg.): GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte, Bd. 9, Essen 2011, ISBN 978-3-939413-18-9, S. 59–78.
↑Karl-Heinz Fix, Carsten Nicolaisen, Ruth Pabst: Handbuch der Deutschen Evangelischen Kirchen 1918 bis 1949, Organe - Ämter - Personen (= Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Band 2). Landes- und Provinzialkirchen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, ISBN 978-3-647-55794-6, S. 107, 582. (Informationen zu Werner Sylten)
↑Frieder Schulz: Das Gedächtnis der Zeugen – Vorgeschichte, Gestaltung und Bedeutung des Evangelischen Namenkalenders. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, Band 19. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975, S. 69–104, Namenliste S. 93–104 (Digitalisat)