Volker KriegelVolker Kriegel (* 24. Dezember 1943 in Darmstadt; † 14. Juni 2003 in San Sebastián) war ein deutscher Jazzmusiker, Zeichner und Schriftsteller. Er gilt als einer der Protagonisten des Jazzrock in Deutschland und war entscheidend an der Etablierung und Entwicklung dieser Stilrichtung in Europa beteiligt. Leben und WerdegangAusbildungVolker Kriegel brachte sich das Gitarrespielen ab seinem 16. Lebensjahr selbst bei. Zu seinen ersten musikalischen Vorbildern gehörte das damalige Oscar Peterson Trio mit dem Gitarristen Herb Ellis. Mit einem ersten eigenen Trio gemeinsam mit einem Pianisten und einem Bassisten trat er nach diesem Vorbild in Clubs in Wiesbaden und Mainz auf.[1] Nachdem er nach dem Abitur zunächst als Zeichenlehrer gearbeitet hatte,[2] gründete er bald darauf ein Trio mit Lothar Scharf am Schlagzeug, mit dem er 1964 beim Deutschen Amateur-Jazz-Festival Preise als bester Gitarrist und bester Solist gewann.[3] 1965 wurde er Mitglied des Quintetts von Claudio Szenkar.[4] Anfang der 1960er Jahre studierte Kriegel an der Goethe-Universität Frankfurt Soziologie und Psychologie. Während seiner Studienzeit war er erstmals in der Frankfurter Jazz-Szene engagiert und spielte in Jamsessions mit Albert und Emil Mangelsdorff, Fritz Hartschuh, Gustl Mayer und Rolf Lüttgens.[5] Bereits zu dieser Zeit arbeitete Kriegel auch als Zeichner für Zeitungen. Karriere als MusikerNach dem Vordiplom 1964 brach Kriegel das Studium ab, das er später als „Seminar-Langeweile, dazwischen Splitter von Interesse & Erkenntnis“ beschrieb.[6] Maßgeblich durch seine Kontakte aus dem Jazzkeller beeinflusst, entschied er sich gegen eine Arbeit als Zeichenlehrer und für den Weg zum Profimusiker und spielte in den folgenden Jahren in einer Vielzahl verschiedener Ensembles. 1965 spielte Kriegel im Quartett von Klaus Doldinger.[7] 1967 war Kriegel Mitglied der am Mainstream Jazz orientierten Swinging Oil Drops von Emil Mangelsdorff und der Sound Constellation von Gustl Mayer und wirkte im gleichen Jahr an Doldingers Album Doldinger Goes On mit.[8] Von 1968 bis 1973 war er Mitglied des Dave Pike Set, dessen wachsender Erfolg Ende der 1960er Jahre Kriegels Übergang zum Berufsmusiker markiert. Bereits mit dem Dave Pike Set wandte er sich von einem als E-Musik verstandenen Jazz ab und orientierte sich stilistisch an populären Klängen und Rhythmen aus Bossa Nova und Beat. Kriegel formulierte zu Zeiten des Dave Pike Set: „Mit rückwärts gerichteter Jazz-Romantik und weinerlicher Attitüde ist keinem geholfen. Denn das Gerede der Ideologen, Jazz sei automatisch mehr wert als Unterhaltung, hat uns bloß alle in die Ecke gedrängt.“[9] Bereits 1968 trat er mit eigener Band als Volker Kriegel Quartett (Claudio Szenkar (vib), Eberhard Leibling (b), Peter Baumeister (dr)) sowie als Tony Scott & Volker Kriegel Trio auf dem 11. Deutschen Jazzfestival in Frankfurt auf,[10][11] wodurch seine Bekanntheit weiter wuchs und er schnell als „Deutschlands Jazz-Gitarrist Nummer eins“ galt.[12] Mit eigenem Quartett trat er auch beim Montreux Jazz Festival 1969 auf.[13] 1972 veröffentlichte er das wegweisende Doppel-Album Inside: Missing Link und wurde damit zu einem Protagonisten des deutschen Jazzrock.[14] Bereits im ersten Jahr wurden 7000 Exemplare verkauft, was für eine deutsche Jazz-Produktion – zumal beim kleinen Label MPS – ein gutes Ergebnis war. Im Laufe der Jahre wurden es etwa 20.000.[15] 1973 gründete er nach seinem Ausscheiden aus dem Dave Pike Set mit Eberhard Weber (b), Rainer Brüninghaus (keyb) und Joe Nay (dr) die Band Spectrum, mit der er 1974 bei dem deutschen Plattenlabel MPS das Album Mild Maniac veröffentlichte. Kriegel war während der frühen 1970er-Jahre auch als Musiker an Kabarettproduktionen beteiligt und wirkte als Sideman bei Aufnahmen anderer Musiker mit, unter anderem beim Blues- und Jazzrock-Violinisten Don Sugarcane Harris. Von 1973 bis 1974 spielte Kriegel erneut mit Klaus Doldinger, der mittlerweile mit seiner Band Passport ebenfalls Jazzrock machte. Dort wirkte er 1974 bei dem Live-Album Doldinger Jubilee Concert mit und trat im selben Jahr mit der Band als Jubilee Passport auf dem Deutschen Jazzfestival auf. Bei Passport spielte er mit dem Schlagzeuger Curt Cress, bei dessen Album Curt Cress Clan – CCC er 1975 ebenfalls mitwirkte. Nach dem Auseinandergehen von Spectrum aufgrund von Differenzen mit Weber[16] war Kriegel 1975 Gründer des Mild Maniac Orchestra (mit Evert Fraterman (dr), Thomas Bettermann (keyb), Hans Peter Ströer (b)), mit dem er bis in die 1980er Jahre aktiv war. Anders als in vorherigen Ensembles arbeitete er in dieser Formation nicht mit reinen Jazz-Musikern zusammen: Fratermann kam aus der Soul-Musik, Bettermann war klassisch ausgebildeter Pianist.[17] Seit 1977 spielte er auch im United Jazz und Rock Ensemble (UJRE), zu dessen Gründungsmitgliedern er zählte und für das er auch komponierte. Mit dieser Formation trat er immer wieder, wenn auch zuletzt in größeren Abständen, über fast 25 Jahre lang auf. Über das UJRE sagte Kriegel später: „Im Nachhinein wusste natürlich jeder, da kann doch gar nichts schief gehen, wenn sich zehn Musiker, die zu den Stars auf ihren Instrumenten zählen, zusammentun.“[18] Ebenfalls 1977 gründete Kriegel mit weiteren Musikern das Label Mood Records, auf dem vor allem die Produktionen des UJRE, dessen einzelnen Mitgliedern und anderer Frankfurter Jazz-Musiker veröffentlicht wurden. Mitte der 1990er Jahre erhielt Kriegel die Möglichkeit, beim Schweizer Haffmans Verlag Zeichnungen zu veröffentlichen. Dies und gesundheitliche Probleme mit seiner Hand brachten ihn dazu, zuerst eigene Bandaktivitäten und kurze Zeit später auch seine Mitwirkung im UJRE zu beenden. Erst kurz vor seinem Tod kehrte er auf Bitten der anderen Musiker für die Abschiedstournee zum UJRE zurück, nachdem er zwischenzeitlich durch Peter O’Mara ersetzt worden war. Kriegel war mit seiner Leadgitarre stilmäßig nicht auf die elektrisch verstärkte Jazzgitarre festgelegt, sondern verwendete gelegentlich auch die akustische Gitarre, ausnahmsweise ein Banjo oder die Sitar. Nur schwer zu beschreiben ist sein eigenwilliger Spielstil, besonders in bestimmten sehr schnellen, springenden Tonfolgen, der ihn von allen anderen Gitarristen unterscheidet. Mit dem Stück Mathar, das Kriegel geschrieben und mit dem Dave Pike Set 1969 auf dem Album Noisy Silence – Gentle Noise veröffentlicht hatte, hatte er letztlich sogar einen über die Grenzen der Jazzfans hinaus bekannten Hit. Das Stück mit seiner eingängigen Sitar-Melodie und dem prägnanten Bass-Riff wurde auf verschiedenen Jazz-Samplern veröffentlicht und wird nach wie vor im Fernsehen als Hintergrundmelodie eingesetzt oder auch in dem deutschen Kinofilm 23 – Nichts ist so wie es scheint. Für Kriegel war diese Entwicklung überraschend: Er hatte das verhältnismäßig simple Stück als ironischen Seitenhieb auf die pathetische Darstellung komponiert, George Harrison sei Ende der 1960er-Jahre in die indische Stadt Mathar gepilgert und habe in langer und meditativer Arbeit das Sitar-Spiel erlernt. Kriegel sagte 2001 über die Sitar: „Das klingt schon gut, wenn man nur die leeren Saiten anschlägt.“[19] Das Guitar CenterGemeinsam mit dem Gitarrenbauer Peter Coura gründete Kriegel im März 1975 das Guitar Center in einem Keller in der Schumannstraße im Frankfurter Westend. Die Gitarrenwerkstatt sollte lokalen Musikern eine bezahlbare Alternative zu den damals kaum erschwinglichen amerikanischen Markengitarren bieten. Das Geschäftsmodell war nicht erfolgreich, das Guitar Center bestand aber dank eigener Gitarrenschule bis zum Tod Peter Couras im Jahr 2014.[20][21] Engagement als Zeichner, Übersetzer und ErzählerNachdem er sich Mitte der 1990er Jahre weitgehend aus dem Musikgeschäft zurückgezogen hatte, widmete er sich nicht minder erfolgreich seiner zweiten Karriere als Erzähler, Übersetzer, Cartoonist und Illustrator und betätigte sich gelegentlich als Musikkritiker. Sein Buch Der Rock’n’Roll-König wurde zum Klassiker des Genres. Zu den von ihm aus dem Englischen ins Deutsche übersetzten Büchern gehören die Miles-Davis-Biographie seines Kollegen Ian Carr sowie Charles Dickens’ A Christmas Carol, welches er in der betreffenden Ausgabe außerdem illustrierte.[22] 1979 schuf er in London außerdem den Zeichentrickfilm Der Falschspieler. Des Weiteren schrieb er immer wieder Manuskripte für Funk und Fernsehen. Kriegels Karriere als Autor und Zeichner fand im Wesentlichen ab den frühen 1990er Jahren beim Schweizer Haffmans Verlag statt. Als dieser 2001 Konkurs anmelden musste, hatte er kurz vorher heimlich die Rechte an den Werken seiner Autoren verkauft und die Werke zuletzt auf Leasing-Basis herausgegeben. Kriegel empfand dies als Vertrauensbruch. „Die Autorenrechte“, so Kriegel, „werden wie eine Handelsware hinter dem Rücken der Autoren verschachert.“[23] Krankheit und TodNachdem er bereits seit den 1990er Jahren wiederholt an Krebs erkrankt war (unter anderem an Kehlkopfkrebs, der ihm in seinen letzten Lebensjahren das Sprechen erschwerte),[24] starb Volker Kriegel am 14. Juni 2003 während eines Urlaubsaufenthalts im spanischen San Sebastián an einem Herzinfarkt.[25] Er war noch im Vorjahr mit dem UJRE auf die oben erwähnte Abschiedstournee gegangen. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden. Posthume RezeptionKriegels Tod löste vor allem in der deutschsprachigen Presse großes Echo aus, aber auch in der internationalen Presse, z. B. im Londoner Guardian, erschienen diverse Nachrufe. Der selbst krebskranke und 2006 verstorbene Dichter Robert Gernhardt widmete Kriegel seinen 2004 erschienenen Band Die K-Gedichte über Krebs. 2005 erwarb das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover mit Unterstützung des Bundes, einer privaten Spende sowie der Unterstützung von Kriegels Witwe Evelyn Kriegel den zeichnerischen Nachlass Kriegels, der rund 730 Zeichnungen enthält.[26] MusikinstrumenteKriegel bevorzugte Semiakustik-Gitarren. Bis in die 1970er Jahre spielte er Gitarren verschiedener Hersteller, zum Beispiel AZ-10- und BL-Modelle der Firma Framus, die dort in Zusammenarbeit mit Attila Zoller und Bill Lawrence (damals noch als Billy Lorento) entstanden waren.[27] Sein Markenzeichen in späteren Jahren war seine rote Gibson ES-345, ursprünglich eine Stereo-Version, die er sich von Peter Coura auf konventionelle Elektrik umrüsten ließ.[28] Eine 1968er ES-335 in Sunburst – nach Kriegels Meinung die beste, die er besessen hatte – verkaufte er schon früh. Ebenfalls besaß er eine Gibson C4, welche wegen Feedback-Problemen jedoch nicht auf der Bühne zum Einsatz kam.[15] Als Verstärker nutzte Kriegel in den 1970er-Jahren ein Modell des britischen Herstellers HH Amplification, später einen von Attila Zoller erworbenen Verstärker der amerikanischen Marke Standel und danach einen Verstärker aus der Gibson Lab Series. In den 1990er-Jahren, als Kriegel vor allem mit dem UJRE auf Tour war, verwendete er Yamaha-Verstärker.[15] VeröffentlichungenEigene TonträgerVeröffentlicht unter Volker Kriegel, Volker Kriegel & Spectrum oder Volker Kriegel & Mild Maniac Orchestra
Mit dem United Jazz + Rock Ensemble
Kriegel als Sideman
Mitwirkung auf Kabarettplatten
Transcriptionen
Literarisches WerkVolker Kriegel als Autor
Viele von Volker Kriegels Büchern wurden in folgende Sprachen übersetzt: italienisch, griechisch, schwedisch, englisch, französisch, holländisch, japanisch, koreanisch und chinesisch. Aufsätze und Anekdoten
Seit den 1970er-Jahren regelmäßige Mitarbeit als freier Redakteur in der NDR-Jazzredaktion (Michael Naura) mit den Sendungen Notizbuch und Soundcheck, mit Evelyn Kriegel als Sprecherin. Volker Kriegel als Übersetzer, Illustrator und Karikaturist
sowie Umschlagzeichnungen zu Büchern von Julian Barnes, Flann O’Brien, Bernd Eilert, Gustave Flaubert, Jerome K. Jerome, David Lodge, Guy de Maupassant, Harry Rowohlt, R. L. Stevenson, Nigel Williams, Roger Willemsen und anderen. Ausstellungen
Der künstlerische Nachlass von Volker Kriegels Karikaturen und Zeichnungen ist im Wilhelm Busch Museum in Hannover zu sehen. Filme
AuszeichnungenAls Musiker
Als Autor und Cartoonist
Literatur
WeblinksCommons: Volker Kriegel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Volker Kriegel – Zitate
Musikbeispiele Einzelnachweise
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