Vilma von Webenau wuchs in Wien auf und war dort Klavierschülerin von Cäcilie (von) Frank (1851–1936?), die im 1. Bezirk einen illustren musikalischen Salon betrieb und Klavierbegleiterin des Hellmesberger-Quartetts und von Arnold Rosé war. Von ihr erhielt sie eine umfassende künstlerische Ausbildung und absolvierte einige öffentliche Auftritte, die in lokalen Zeitungen besprochen wurden. Cäcilie (von) Franks Wohnung war zudem ein wichtiger Treffpunkt der Wiener musikalischen Welt. Mitschülerinnen von Vilma von Webenau waren unter anderem Grete Hinterhofer und Rosa Lemberger.[1] In Wien wurde Vilma von Webenau die wohl erste Privatschülerin Arnold Schönbergs.[2] Bei ihm nahm sie von 1898/99 bis 1902 Harmonielehre- und Kompositionsunterricht und folgte ihm im Jahr 1900 bei seiner Übersiedlung nach Berlin. Ende 1899 gab sie auch erfolgreich Konzerte in London.[1]
Danach lebte sie als Musiklehrerin in Wien, wo ihre Werke erstmals 1907 öffentlich aufgeführt wurden: „Die frühe Schülerin Vilma von Webenau, deren Musik Schönberg in seinem ersten Schülerkonzert im November 1907 in Wien vorstellte, und die im selben Konzert aufgeführten Komponisten Iwanow und Karl Horowitz [sic!],[3] ebenso Erwin Stein als Komponist, haben die Forschung bisher anscheinend noch nicht interessiert; hier klafft eine Lücke; dabei hatte sie Schönberg für ebenso wichtig gehalten wie Alban Berg, Anton Webern und Heinrich Jalowetz, die im gleichen Konzert zu Wort kamen.“[4]
Ein weiterer Lehrer von ihr war Fritz Cortolezis in München, wo sie um 1910 für mehrere Jahre in Krailling-Planegg (Dürerstraße 41F) lebte und sich ihren Lebensunterhalt wohl als Musik- und Klavierlehrerin verdiente.[5] Sie war Mitglied im Club der Wiener Musikerinnen, der bis heute innerhalb der Frauenbewegung für ein Miteinander von Frauen und Männern eintritt. Neben Maria Bach (1896–1978) und Mathilde Kralik von Meyrswalden (1857–1944) gehörte sie zu den profiliertesten Persönlichkeiten des Klubs. 1917/18 hielt Vilma von Webenau die musiktheoretische Vortragsreihe über Musik einst und jetzt im Verein der Musiklehrerinnen, dem Vorgängerverein des Clubs der Wiener Musikerinnen. Die sechs Vorträge fanden im Neuen Frauenklub in der Tuchlauben 11 in Wien statt.[6][7] Zu Mathilde Kralik von Meyrswalden soll sie laut deren Biograf Rochus Kralik von Meyrswalden vermutlich eine lesbische Beziehung unterhalten haben.[8]
Zu Vilma Webenaus Leben zur Zeit des Nationalsozialismus ist bislang noch nichts bekannt. Sie starb nach mehrtägigem Aufenthalt im Wiener Wilhelminenspital und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet, allerdings ist ein Grab nicht mehr auffindbar. Ein Nachlassakt hat sich hingegen erhalten.[9] Ihr musikalischer Nachlass befindet sich in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, wo er erst vier Jahre nach ihrem Tod von ihrem Neffen Alexander Petschig eingebracht wurde.[10]
Im Nachruf des Damenklubs hieß es: „Sie lebte und starb in ärmlichen Verhältnissen, auf den Ertrag ihrer Kleinrente angewiesen, in einem bescheidenen Kabinett im 21. Bezirk. Nie kam eine Klage über ihre Lippen, sie freute sich und war dankbar für jede Aufmerksamkeit, und die letzte Freude bereitete ihr die künstlerisch vollendete Wiedergabe ihrer sechs Lieder aus dem Zyklus „Irdische und himmlische Liebe“. Niemand von uns wusste von ihrer Erkrankung, von ihrem nahen Ende. Der liebevolle Weihnachtsgruß von der Leitung des Frauenklubs kam ungeöffnet zurück. Bescheiden, wie sie im Leben war, ging sie von uns.“[11]
Musik zu Andersens Märchen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ [für 3 Sopranstimmen, 2 Altstimmen, 1 Tenorstimme oder kleinen Chor und Orchester]
Mysterium [Musikalisch-dramatisches Gedicht] (Früherer Titel: Der Weg)
Nachtgefühl [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von Martin Greif
O Schifflein unterm Regenbogen [Lied für Singstimme und Klavier]
Orchesterwerk
Scaramouche
La lune blanche
Dame souris
Ouvertüre „Zum goldenen Horn“ [für Orchester]
Pastorale [ein Hörspiel]
Rauhreif knistert in den Zweigen [Lied für Singstimme und Klavier]
Salambô Suite [für Klavier]
Das Gelage
Salambo's Klage
Abzug der Barbaren
Gebet an den Mond
Jubel beim Anblick des heiligen Schleiers
Das Molochopfer
Der Hochzeitszug
Schnee [Lied für Singstimme und Klavier]
Schönes Land wir lieben dich [Lied für Singstimme und Klavier]
Silberner Schein des Mondes im Hain [Lied für Singstimme und Klavier]
Sommerlieder [für Streichquartett und eine Sprechstimme]
Rittersporn
Roter Mohn
Vergissmeinnicht
Kornblumen
Jasmin
Rosen
Streichquartette (91/92/93)
Stücke für Violine und Klavier (87/88/89/90)
Suite Pan [für Orchester]
Suite Sommernacht [für Orchester]
Symphonie für Streichorchester
Unruhige Nacht [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von Gottfried Keller
Unruhige Nacht [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von Gottfried Keller (andere Fassung)
Variationen für Orchester
Vergebliches Ständchen [für Orchester]
Vier Tänzerinnen gewidmet: Der Dame in Violett, Der Dame in Rot, Der Dame in Grün, Der Dame in Gelb [für Klavier]
Vokalwerk ohne Titel [für 4 Solosingstimmen (Mädchen, Hirt, 1. und 2. Zwerg), Chor und Orchester]
Wach auf [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von Omar Chayyām
Wetterfahne [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von Franz Schmidt
Wie tief doch die Felder schweigen [Lied für Singstimme und Klavier]
Winter [Lied für Singstimme und Klavier]; Text von M. von Grünzweig
Zwei Lieder [für Singstimme und Klavier]
Im Lenz; „Im Lenz wenn Veilchen blühn“ von Paul Heyse
Hochsommernacht; „Stille ruht die weite Welt“ von Martin Greif
Zwei Lieder [für Singstimme und Klavier]
Im Lenz; „Im Lenz wenn Veilchen blühn“ von Paul Heyse
Zwei Lieder [für Singstimme und Klavier]; Text von Omar Chayyām
Wach auf!
Der Mond geht auf
Zwei Lieder [für Singstimme und Klavier]
Durch letztes Blühen geht ein Welken
Schönes Land wir lieben dich
Literatur
Anna Benedikt: „Ich wäre stolz, von Ihnen und Ihren Schülern bis zu einem gewissen Grad anerkannt zu sein als 'Schönberg-Schülerin'.“ Arnold Schönbergs Wiener Schülerinnen. Diplom-Arbeit (2008).
Georg Hauer: Der Club der Wiener Musikerinnen – Frauen schreiben Musikgeschichte. Vindobona Verlag, Wien 2003, ISBN 3-85040-051-4.
Journal of the Arnold Schoenberg Institute, University of Southern California, 1976.
Elisabeth Kappel: Vilma Webenau. In: Arnold Schönbergs Schülerinnen. Biographisch-musikalische Studien. Berlin 2019, S. 205–412.
Elisabeth Kappel: ‚The Compositional Œuvre of Two Viennese Higher Daughters‘: Else Réthi and Vilma Webenau (c. 1900–1950). In: Mariateresa Storino, Susan Wollenberg (Hg.): Women composers in new perspecives, 1800–1950: genres, contexts and repertoire. Brepols, Turnhout 2023 (Specvlvm mvsicae; 49), ISBN 978-2-503-60630-9, S. 235–264.
Rochus Kralik von Meyrswalden: Ein Kuss von Franz Liszt. Mathilde Kralik von Meyrswalden. Acabus 2009, ISBN 3-941404-02-4.
Eva Marx und Gerlinde Haas: 210 österreichische Komponistinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Residenz Verlag, Salzburg, Wien, Frankfurt 2001, ISBN 3-7017-1215-8, S. 385–389.
Susanne Wosnitzka: Vilma Weber von Webenau – verwehte Spuren? In: Archiv Frau und Musik Frankfurt/Main (Hg.): VivaVoce Nr. 99, 2/2014, S. 2–5.
Susanne Wosnitzka: „Gemeinsame Not verstärkt den Willen“ – Netzwerke von Musikerinnen in Wien. In: Annkatrin Babbe, Volker Timmermann (Hg.): Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert. Oldenburg 2016 (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 12). ISBN 978-3-8142-2338-4.
Alexander Zemlinsky: Briefwechsel Wiener Schule. Schott Verlag, Mainz 2006, ISBN 3-7957-0577-0.
Eine Wiener Musik-Institution, Artikel zum Club der Wiener Musikerinnen von Ingeborg Waldinger bei austria-forum.org
MUGI Redaktion: Artikel „Vilma Weber von Webenau“. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 27. Oktober 2023 (zuletzt abgerufen am 20. Februar 2024).
↑ abVgl. Susanne Wosnitzka: „Gemeinsame Not verstärkt den Willen“ – Netzwerke von Musikerinnen in Wien, in: Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hg.): Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert. Oldenburg 2016 (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts (Hg. Freia Hoffmann), Bd. 12), S. 141.
↑Vgl. Anna Benedikt: „Ich wäre stolz, von Ihnen und Ihren Schülern bis zu einem gewissen Grad anerkannt zu sein als 'Schönberg-Schülerin'.“ Arnold Schönbergs Wiener Schülerinnen, S. 38. Anna Benedikt hat herausgefunden, dass Schönberg allein in Wien über 50 Kompositionsschülerinnen gehabt haben muss. Als Digitalisat. Zit. nach Gradenwitz, Peter: Wege zum Werk Arnold Schönbergs. Seine Schüler als Lehrer, in: Christian Meyer (Hg.): Arnold Schönbergs Wiener Kreis. Arnold Schönberg's Viennese Circle. Bericht zum Symposium 12.–15. September 1999. Wien 2000 (=Journal of the Arnold Schönberg Center 2/2000). S. 20.
↑Vgl. Susanne Wosnitzka: „Gemeinsame Not verstärkt den Willen“ – Netzwerke von Musikerinnen in Wien, in: Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hg.): Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert. Oldenburg 2016 (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts (Hg. Freia Hoffmann), Bd. 12), S. 142.
↑Vgl. Georg Hauer: Der Club der Wiener Musikerinnen – Frauen schreiben Musikgeschichte, Wien 2003, S. 118ff.
↑Persönliches Gespräch zwischen Rochus Kralik von Meyrswalden und Gerhard Alexander von Webenau. Vgl. Susanne Wosnitzka: „Gemeinsame Not verstärkt den Willen“ – Netzwerke von Musikerinnen in Wien, in: Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hg.): Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert. Oldenburg 2016 (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts (Hg. Freia Hoffmann), Bd. 12), S. 146.
↑Vgl. Eva Marx und Gerlinde Haas (Hg.): 210 österreichische Komponistinnen, Wien 2001, S. 388.
↑Vgl. Susanne Wosnitzka: „Gemeinsame Not verstärkt den Willen“ – Netzwerke von Musikerinnen in Wien, in: Annkatrin Babbe und Volker Timmermann (Hg.): Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert. Oldenburg 2016 (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts (Hg. Freia Hoffmann), Bd. 12), S. 143.
↑Vgl. Georg Hauer: Der Club der Wiener Musikerinnen – Frauen schreiben Musikgeschichte, Vindobona Verlag, Wien 2003, S. 216.