Als junger Mann hatte Brahms zwischen 1865 und 1868 Ein deutsches Requiem komponiert, das auf der Grundlage einer Sammlung biblischer Zitate aus der Lutherbibel den Tod thematisierte. Er schrieb Vier ernste Gesänge am Ende seines Lebens, wiederum zu Worten aus der Bibel. Er verwendete dazu auch Skizzen für eine nicht mehr ausgeführte Sinfonie. Seine Freundin Clara Schumann hatte am 26. März 1896 einen Schlaganfall erlitten. Brahms vollendete die Komposition dieses Liederzyklus, seines letzten, an seinem Geburtstag, dem 7. Mai 1896, in Vorahnung ihres Todes.[2][3]
Die Texte für die ersten drei Lieder sind dem Alten Testament entnommen und thematisieren den Tod und die Vergänglichkeit des Lebens. Der Text des vierten Liedes entstammt dem Neuen Testament und stellt Glaube, Hoffnung und Liebe in den Mittelpunkt.[2] Die Titel der vier Gesänge lauten:
Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh Prediger Salomo, Kap. 3
Ich wandte mich, und sahe an Prediger Salomo, Kap. 4
O Tod, wie bitter bist du Jesus Sirach, Kap. 41
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen S. Pauli an die Corinther I., Kap. 13
Die Lieder wurden 1896 vom Musikverlag N. Simrock veröffentlicht. Ursprünglich für eine tiefe Stimmlage geschrieben, wurden sie auch in eine höhere Stimmlage umgeschrieben.[4] Für Orchester wurden sie beispielsweise von Günter Raphael bearbeitet.[5]
Uraufführung
Die Uraufführung erfolgte in Wien am 9. November 1896 im Beisein des Komponisten[6] durch zwei holländische Künstler: den Bariton Anton Sistermans[7] und den zwanzigjährigen Pianisten Coenraad v. Bos.[8][9] Brahms kam nach der Aufführung hinter die Bühne und dankte Sistermans und Bos für die Aufführung, die, wie er sagte, vollkommen seine Intentionen verwirklichte.[10]
Zwei Wochen später begleitete Bos Raimund von Zur Mühlen zu den vier Gesängen. Zur Mühlen konnte das finale Diminuendo, wie es in der Partitur vermerkt war, nicht zustande bringen, deshalb wies er Bos an, das Crescendo nach dem Ende der Singstimme weiter zu spielen und das Werk mit fff anstatt mit p, wie Brahms es angegeben hatte, enden zu lassen. Später sprach Zur Mühlen mit Brahms und sagte, er hoffe, dass er ihm diese Abweichung von der Partitur nicht übel nehme. Brahms antwortete, dass Zur Mühlen hervorragend gesungen habe und er nichts Falsches bemerkt habe.[10]
Struktur
In der nachfolgenden Tabelle ist die Tonart diejenige der Originalkomposition, Tempobezeichnung und Takt werden auch angegeben. Die Links zu den Partituren führen zu der Version für hohe Stimmlage.[4]
Von Dietrich Fischer-Dieskau gibt es mehrere Aufnahmen der Gesänge; die erste befindet sich auf seiner ersten Schallplatte für Deutsche Grammophon aus dem Jahr 1949, begleitet wird er von Hertha Klust. Anne Ozorio beschrieb die Aufnahme als „einen weiteren bedeutenden Moment in der Geschichte des Liedes. Der Sänger war knapp 24 Jahre alt, aber er erspürte schon die Tiefe von Brahms’ Meditation über den Tod.“[17] Im März 1972 nahm er sie zusammen mit Daniel Barenboim auf und erneut mit Jörg Demus. Christian Gerhaher und der Pianist Gerold Huber nahmen die Gesänge im Jahr 2002 auf.
Literatur
Whittall, A: Brahms [1]: Biographical, Documentary and Analytical Studies. Hrsg.: Pascall, Robert. Cambridge University Press, 1983, ISBN 978-0-521-24522-7, The Vier ernste Gesänge Op. 121: Enrichment and Uniformity, S.191–207.
Beller-McKenna, D: Brahms Studies, i. Hrsg.: Brodbeck, David. University of Nebraska Press, 1994, ISBN 978-0-8032-1243-5, Brahms on Schopenhauer: the Vier ernste Gesänge, Op. 121, and Late Nineteenth-Century Pessimism, S.170–188.
↑Stanley Sadie (Hrsg.): [[The New Grove Dictionary of Music and Musicians]]. Band4. Oxford University Press, 2001, ISBN 978-0-19-517067-2, S.200, 218, 226.
↑Barbara Owen. In: The Organ Music of Johannes Brahms. Abgerufen am 29. Mai 2012.
↑ abCoenraad V. Bos. In: The Well-Tempered Accompanist. 1949, abgerufen am 29. Mai 2012. as quoted in Michael Musgrave, Bernard D. Sherman: Performing Brahms: Early Evidence of Performance Style.