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Nachdem im Oktober 1940 zunächst italienische, im späteren Verlauf auch deutsche und bulgarische Truppen Griechenland angriffen, kapitulierten am 23. April 1941 die griechischen Streitkräfte. Das Land wurde in drei Besatzungszonen aufgeteilt. Deutschland beanspruchte zwar das geringste territoriale Gebiet, sicherte sich aber durch einen entsprechenden Vertrag das Vorrecht der wirtschaftlichen Ausbeutung in ganz Griechenland einschließlich der bulgarisch und italienisch besetzten Zonen. Die Besatzungsmächte setzten griechische Regierungen ein, die mit ihnen kollaborierten, und es kam zu einem Partisanenkrieg.
Mit dem Begriff Märtyrer-Dörfer und -Städte Griechenlands (griechischΜαρτυρικά χωριά και πόλεις της Ελλάδας, transkribiert: Martyrika choria ke polis tis Elladas) werden in Griechenland Gedenkorte bezeichnet, in denen während der Jahre der Fremdbesetzung zwischen 1941 und 1945 in größerem Ausmaß Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verübt wurden. Die Liste umfasst nur jene Orte, deren Gräueltaten durch ein wissenschaftliches Gremium historisch aufgearbeitet wurden, und berücksichtigt keine Einzelschicksale.
Massaker durch Besatzungstruppen
Die Eroberung Griechenlands durch Wehrmacht und Waffen-SS, der Kampf gegen den Widerstand der Griechen und die sogenannten Repressalmaßnahmen gegen unschuldige Zivilisten waren äußerst blutig und erfolgten mit höchster Brutalität. Hier sind nur einige der Kriegsverbrechen von Wehrmacht und SS gelistet:
Am 17. Oktober 1941 zogen Truppen der 164. Infanterie-Division in Ano Kerdylia und Kato Kerdylia ein, trieben alle männlichen Bewohner im Alter von 16 bis 60 Jahren zusammen und erschossen sie. Über 200 Menschen wurden bei dem Massaker ermordet.[1][2] Die beiden Orte wurden nicht mehr wieder aufgebaut. Lediglich eine neue Ortschaft Nea Kerdilia entstand später.[3]
Im Rahmen der Eroberung Kretas evozierte der Widerstand der Bevölkerung gegen die deutsche Besetzung eine Reihe barbarischer Akte und Kriegsverbrechen durch das XI. Fliegerkorps unter Kurt Student. Insgesamt starben nach der Niederlage der Alliierten in der Luftlandeschlacht um Kreta bis 1945 infolge der Besatzung der Achsenmächte 8.575 Kreter.[4]
Das Massaker von Kalavryta erfolgte auf Anordnung des Generalmajors Karl von Le Suire und begann am 9. Dezember 1943 mit der Zerstörung von Kalavryta und 25 weiteren Dörfern. Auch das Nationalheiligtum der Griechen, das Kloster Agía Lávra, wurde im Rahmen der Operation zerstört. Die Männer von Kalavryta wurden allesamt mit Maschinengewehren erschossen, nur 13 überlebten, weil die Deutschen sie für tot hielten. Kampfgruppenführer Ebersberger meldete 674 Erschossene, in der Abschlussmeldung ist von 695 erschossenen Griechen die Rede. Die „Griechen gehen ihrerseits bis heute von einer wesentlich höheren Zahl von Toten aus“.[5]
Das Massaker von Klissoura am 5. April 1944 wurde von der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division zusammen mit bulgarischer Miliz begangen. Mindestens 250 Menschen, darunter 72 Kinder, wurden niedergeschossen, um Partisanenanschläge auf zwei deutsche Soldaten zu rächen.[6][7]
Am 1. Mai 1944 wurden 200 der 260 überwiegend kommunistischen Gefangenen des KZ Chaidari am Schießstand von Kesariani erschossen – als Repressalie wegen eines Attentats auf den deutschen General Franz Krech bei Molai in Lakonien.[8]
Beim Prozess Generäle in Südosteuropa in den Jahren 1947 und 1948 wurden zwar die Generäle Hubert Lanz, Hellmuth Felmy und Wilhelm Speidel aufgrund ihrer Verantwortung für exzessive Geiselerschießungen in ihrem Befehlsbereich schuldig gesprochen und zu zwölf, fünfzehn bzw. zwanzig Jahren Haft verurteilt. Sie wurden alle drei begnadigt und Ende 1951 aus der Haft entlassen und bezogen danach eine Pension. Felmy lebte noch bis 1965, Speidel bis 1970 und Lanz bis 1982.
Am 28. April 1941 begannen Angehörige der Wehrmacht mit der PlünderungAthens. Der Journalist Laird Archer berichtete, wie Wehrmachtssoldaten Geschäft für Geschäft in der Innenstadt ausräumten. Die erbeuteten Waren wurden von den Soldaten in Päckchen in die Heimat geschickt, leere Geschäfte wurden für nachfolgende Soldaten außen markiert. Dies widersprach der Haager Landkriegsordnung von 1907, aber die Besatzer betrachteten die Güter als ihre legitime Kriegsbeute.[11] Die Große Hungersnot (griechischΜεγάλος ΛιμόςMegálos Limós) im Herbst und Winter 1941/1942 war die mit Abstand schlimmste Hungersnot in der Geschichte Griechenlands. Sie war die Folge einer auf maximale wirtschaftliche Ausbeutung ausgelegten Besatzungspolitik des NS-Staates während der Besatzung Griechenlands. Die Schätzungen über die Zahl der Menschen, die in Griechenland während des Zweiten Weltkrieges an den direkten oder indirekten Folgen des Hungers starben, schwanken zwischen 100.000 und 450.000 Opfern. Von 300 im Oktober 1944 in Athen untersuchten Kindern waren 290 an Tuberkulose erkrankt.[12]
Als Mitte 1943 die Partisanenbewegung Raum gewann, stellten der SS- und Polizeiführer Walter Schimana und Ministerpräsident Ioannis Rallis mit Billigung des LXVIII. Armeekorps der Wehrmacht sogenannte Sicherheitsbataillone aus der griechischen Bevölkerung auf. Die Besatzungsmacht setzte auf brutale Vergeltungsmaßnahmen, samt Plünderungen, Geiselerschießungen und dem Einäschern ganzer Ortschaften. Im Zeitraum vom Juni 1943 bis Juni 1944 töteten die deutschen Besatzer nach eigenen Berichten 20.650 mutmaßliche Partisanen, nahmen weitere 25.728 gefangen und erschossen 4.785 Geiseln.[13]
Das Besatzungsregime stürzte Griechenland in eine Hungerkatastrophe; es ließ mehr als 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung (das waren mindestens 58.885 Männer, Frauen und Kinder) und mindestens weitere 70.000 unschuldige Zivilisten ermorden.[13]
Die Besatzungszeit auf dem griechischen Festland endete im Oktober 1944 mit dem Abzug der deutschen Truppen; Teile Kretas und einzelne Inseln in der Ägäis blieben aber noch bis zur Kapitulation der Wehrmacht unter deutscher Besatzung. 1943 begann ein latenter Bürgerkrieg, der im Herbst 1943 an Stärke zunahm und nach der Befreiung Griechenlands im Oktober 1944 durch die überwiegend kommunistische Widerstandsorganisation EAM bzw. deren militärischen Arm ELAS erstmals mit der Schlacht um Athen (Dezember 1944 bis 11. Januar 1945) ausbrach. EAM und ELAS hätten in Anbetracht der geringen britischen Truppenstärke von Oktober bis Dezember 1944 die Macht übernehmen können, taten dies aber nicht. Die vormals mit den deutschen Besatzungstruppen kollaborierenden Sicherheitsbataillone kämpften – während der Dekemvriana – als Verbündete der britischen Streitkräfte, die auf Geheiß des britischen Premierministers Churchill eine kommunistische Machtübernahme verhindern sollten. Diese „zweite Runde des Bürgerkrieges“ endete mit dem am 12. Februar 1945 geschlossenen Abkommen von Varkiza. Die Parlamentswahl vom 31. März 1946 wurde von den Kommunisten boykottiert; von März 1946 bis zum 9. Oktober 1949 fand die dritte und „heißeste“ Phase des Griechischen Bürgerkrieges statt.
Opferzahlen
Die zugänglichen Quellen verdeutlichen die Auswirkungen der Okkupation und der Hungerkrise von 1941–1944. Hier einige Beispiele: Vor Kriegsausbruch hatte Griechenland ungefähr acht Millionen Einwohner. Die menschlichen Verluste durch Krieg und Besatzung belaufen sich auf 500.000, also auf sechs bis sieben Prozent der griechischen Bevölkerung. In Kämpfen verloren 75.000 Soldaten ihr Leben. Ungefähr 30.000 Griechen wurden von den Besatzungsmächten erschossen. Zu den zivilen Opfern gehörten hauptsächlich Oppositionelle und Juden und Jüdinnen. In griechischen Besatzungslagern und Gefängnissen waren 95.000 Personen inhaftiert worden. Die Hungerkrise im Winter 1941/1942 kostete ungefähr 250.000 Menschen das Leben. Die Liste der Orte, an denen es zu Verbrechen an der Kriegsbevölkerung kam, ist lang; Distomo, Kalavryta, Kommeno, Kefalonia und Chortiatis sind vielleicht die bekanntesten, aber keineswegs die einzigen Beispiele. Ungefähr zwischen 70.000 und 80.000 Griechen und Griechinnen wurden im Partisanenkrieg oder bei Vergeltungsaktionen von deutschen, italienischen und bulgarischen Truppen getötet.[13] Zählt man die von den Deutschen ausgelöste Hungerkatastrophe, Holocaust, Besatzungszeit und den Bürgerkrieg als deren Folge zusammen, so verlor Griechenland in den Jahren 1941 bis 1949 zwischen 273.000 und 747.000 seiner Staatsbürger.
Danuta Czech hat aufgrund verschiedener Quellenmaterialien, unter anderem der nach dem Krieg im Bahnhof Auschwitz gefundenen Fahrkarten in Griechisch und Deutsch, festgestellt, dass insgesamt etwa 55.000 Personen von Griechenland nach Auschwitz deportiert wurden.[14] Die Studie von Hagen Fleischer über den Holocaust in Griechenland, veröffentlicht in Dimension des Völkermords, herausgegeben von Wolfgang Benz ergab folgende Opferzahlen:[15]
Getötete Griechen jüdischer Konfession 1941–1945
Zahl
Todesort
52.185
Opfer von Auschwitz (deutsche Zone)
4.200
Opfer von Treblinka (bulgarische Zone)
2.500
Exekutionen und andere okkupationsbedingte Todesfälle innerhalb Griechenlands
Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. dtv, München 1996, ISBN 3-423-04690-2, insbesondere:
Steven B. Bowman: The Agony of Greek Jews, 1940–1945. Stanford University Press, 2009, ISBN 978-0-8047-5584-9.
Danuta Czech: Deportation und Vernichtung der griechischen Juden im KL Auschwitz (im Lichte der sogenannten „Endlösung der Judenfrage)“. In: Hefte von Auschwitz. 11, Verlag Staatliches Auschwitz-Museum 1970, S. 5–37.
Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 5: Pr–Sy. Metzler, Stuttgart/Weimar 2014, ISBN 978-3-476-02505-0, darin insbesondere:
Aron Rodrigue: Rhodos. S. 215–218.
Davin Naar: Saloniki. S. 306–311.
Eleni Fourtouni: Greek Women in Resistance. New Haven 1986, Verlag Thelphini, ISBN 0-915017-05-9.
Christiane Goldenstedt: Albert Goldenstedt – Ein Delmenhorster im antifaschistischen Widerstand. Oldenburger Studien Band 89, Isensee Verlag, Oldenburg 2019, ISBN 978-3-7308-1552-6.
Chryssoula Kambas, Marilisa Mitsou (Hrsg.): Hellas verstehen. Deutsch-griechischer Kulturtransfer im 20. Jahrhundert. Köln-Weimar-Wien 2010, ISBN 978-3-412-20450-1.
Katerina Kralova: Das Vermächtnis der Besatzung. Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940. Bonn 2016, ISBN 978-3-7425-0004-5.
Mark Mazower: Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941–1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2016, ISBN 978-3-10-002507-4.
Anestis Nessou: Griechenland 1941-1944. Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung – eine Beurteilung nach dem Völkerrecht. V&R unipress, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-507-1.
Johanna Weber: Gesichter aus dem griechischen Widerstand. Agra Verlag, Athen 1996, ISBN 960-325-184-4.
↑Anestis Nessou: Griechenland 1941–1944. Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung - eine Beurteilung nach dem Völkerrecht. (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte, Band 15) Universitätsbibliothek Osnabrück, V&R unipress, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-507-1, S. 654., hier: S. 224 f.
↑Georgios I. Panagiotakis: Die epische Schlacht um Kreta. Iraklio 2012, ISBN 978-960-87416-7-6, Allgemeines zur Schlacht um Kreta, S.39 (griechisch: Η επική μάχη της Κρήτης.).
↑Eberhard Rondholz: „Schärfste Maßnahmen gegen die Banden sind notwendig ...“ – Partisanenbekämpfung und Kriegsverbrechen in Griechenland. Aspekte der deutschen Okkupationspolitik 1941–1944. In: Ahlrich Meyer (Hrsg.): Repression und Kriegsverbrechen. Die Bekämpfung von Widerstands- und Partisanenbewegungen gegen die deutsche Besatzung in West- und Südeuropa. Verlag der Buchläden Schwarze Risse, Rote Strasse, Berlin 1997, ISBN 3-924737-41-X, S. 130–170.
↑Ehrengast Schramm: [Ein Hilfswerk für Griechenland: Begegnungen und Erfahrungen mit Hinterbliebenen deutscher Gewalttaten der Jahre 1941–1944]. Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, S. 122 ff.
↑Stratos N. Dordanas: Reprisals of the German Authorities of Occupation in Macedonia 1941–1944. Dissertation. Fakultät für Geschichte und Archäologie der Aristoteles-Universität Thessaloniki, Thessaloniki 2002, S. 703 ff.
↑Edmund Keeley: Some Wine for Remembrance. White Pine Press, Buffalo NY 2001, ISBN 1-893996-15-8.
↑Laird Archer: Balkan Journal. Verlag W. W. Norton, New York 1944, OCLC602392801, S. 196–199.