Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Tyrothricin enthält 50 bis 70 % Tyrocidine und 25 bis 50 % Gramicidine, die insgesamt mindestens 85 % des Wirkstoffs ausmachen.[3] Daneben kommen in kleinen Mengen weitere strukturverwandte Polypeptide vor.
Als Gemisch zweier aktiver Substanzgruppen wirkt Tyrothricin auf zwei Wegen auf die mikrobielle Zellwand:
Tyrocidine lagern sich in die Zellmembran von Mikroorganismen ein und zerstören damit deren Funktion. Der genaue Ort und Mechanismus sind bisher unbekannt.
Gramicidine bilden kationenselektive Kanäle in der Zellmembran, durch die monovalent geladene Kationen (wie z. B. Kalium, Natrium) die Membran passieren können. Hierbei wird unter anderem der Ionengradient zwischen Cytoplasma und extrazellulärem Medium aufgehoben.
Der Grund dieser anhaltenden Wirksamkeit und ausbleibenden Resistenzentwicklung wird in dem direkten und doppelten Angriff auf die Zellmembran von Mikroorganismen vermutet. Um Resistenzen auszubilden, müssten Pathogene die Beschaffenheit und Zusammensetzung ihrer Zellmembranen ändern, ein komplizierter und (im Blick der Evolution) sehr aufwendiger Prozess.[7]
Aufgrund dieser gleichbleibend hohen Wirkung ist Tyrothricin mit seinen aktiven Bestandteilen Gramicidin und Tyrocidin zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder verstärkt in den Blick der Forschung gelangt.[7][5]
In verschiedenen Experimenten wurden dabei auch andere Eigenschaften von Tyrothricin entdeckt, bspw. die Aktivierung des angeborenen unspezifischen Immunsystems oder die Hemmung der Ausschüttung des Tumornekrosefaktors TNF.[9]
Anwendung
Tyrothricin wird ausschließlich lokal eingesetzt.[10] In diesem Zusammenhang wird das Antibiotikum in Form von Halstabletten bei Halsentzündungen und -schmerzen mit Schluckbeschwerden, bei Rachen- und Kehlkopfentzündungen sowie bei Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches eingesetzt.[11] Das Peptid wird im Magen-Darm-Trakt zerstört, und es findet keine messbare Resorption bei lokaler Anwendung auf der Haut oder den Schleimhäuten statt.[12]
Darüber hinaus wird Tyrothricin zur lindernden Behandlung von kleinflächigen, oberflächlichen, wenig nässenden Wunden der Haut mit bakterieller Superinfektion mit Tyrothricin-empfindlichen Erregern, wie z. B. Riss-, Kratz-, Schürfwunden, eingesetzt.[13]
Nebenwirkungen
Bei lokalem Einsatz sind im Allgemeinen Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber dem Wirkstoff wie Brennen oder Jucken der Haut oder Schleimhaut beobachtet worden. Es liegen bislang keine Langzeitstudien über die Wirkung bei Schwangerschaft und Stillzeit vor.
Tyrothricin wurde 1939 von dem Franzosen René Jules Dubos bei Brutversuchen mit Bodenproben und Pneumokokken entdeckt[14] und aus Kulturfiltraten von Bacillus brevis isoliert. Die ersten Markennamen waren Tyrosolvin (von Byk-Gulden, Konstanz) und Tyrocid (von Grünenthal).[15] Das unter anderem Tyrothricin als Tyrosolvin-Byk enthaltende Präparat Inspirol wurde von dem Wiesbadener Unternehmen Lyssia-Werke als bakteriostatisches Heilmittel bei allen Erkrankungen von Mund, Hals, Nase und Luftwegen[16] vertrieben.
↑H. Sous, H. Keller, H. E. Kleine-Natrop, W. Krupe, W. Rothe, H. Muckter: [Experimental basis of the use of a tyrothricin-xanthocillin combination in local therapy of bacterial infections]. In: Arzneimittel-Forschung. Band 7, Nummer 2, Februar 1957, S. 98–103, PMID 13412586.
↑European Pharmacopoeia. Edition 8.0, 2015, S. 3502.
↑Theodor Dingermann u. a.: Pharmazeutische Biologie – Molekulare Grundlagen und klinische Anwendung. Springer Verlag, Frankfurt/ München 2002, ISBN 3-540-42844-5.
↑M. Kretschmar, W. Witte, H. Hof: Bactericidal activity of tyrothricin against methicillin-resistant Staphylococcus aureus with reduced susceptibility to mupirocin. In: European journal of clinical microbiology & infectious diseases : official publication of the European Society of Clinical Microbiology. Band 15, Nummer 3, März 1996, S. 261–263. PMID 8740868.
↑M. Stauss-Grabo, S. Atiye, T. Le, M. Kretschmar: Decade-long use of the antimicrobial peptide combination tyrothricin does not pose a major risk of acquired resistance with gram-positive bacteria and Candida spp. In: Pharmazie. 69(11), Nov 2014, S. 838–841. PMID 25985581.
↑Vgl. auch Tyrosolvin – das typische Lokal-Antibioticum (Tyrothricin). In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. LX.
↑Karl Wurm, A. M. Walter: Infektionskrankheiten. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 9–223, hier: S. 54.
↑Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. CXXIX.
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