Tschetschenisch (Eigenbezeichnung: Noxçiyŋ mott/Нохчийн мотт) gehört zur Gruppe der nachischen Sprachen innerhalb der nordostkaukasischen Sprachen. Es ist gegenseitig verständlich mit dem Inguschischen und dazwischenliegenden Dialekten und ist eine agglutinativ-flektierende Sprache. Beide Sprachen bilden zusammen die Gruppe der vainachischen Sprachen.
Die tschetschenische Schriftsprache wurde nach der Oktoberrevolution geschaffen, und in den 1920ern begann man das lateinische anstatt des arabischen Alphabets zu verwenden. 1938 wurde das kyrillische Alphabet mit Anpassungen (Digraphen) für die tschetschenischen Phoneme, für die es im kyrillischen Alphabet keine Entsprechungen gibt (zum Beispiel аь [æ], оь [ø], уь [y], хӀ [h]), übernommen. In den letzten Jahren wird auch wieder eine Variante des lateinischen Alphabets benutzt, die unter Einfluss des Türkischen entstanden ist (zum Beispiel /ş/ für [ʃ]).
Die in Jordanien, in der Türkei und in Syrien lebenden Tschetschenen können diese Sprache im Allgemeinen zwar fließend sprechen, aber nicht schreiben. Weiterhin haben die Varianten des Tschetschenischen in Jordanien, Syrien und der Türkei Lehnwörter aus den entsprechenden Verkehrssprachen aufgenommen, die im Kaukasustschetschenischen unbekannt sind, und daher zu (geringen) Verständnisschwierigkeiten führen können. Zum Beispiel das Wort für „Bus“ ist im Kaukasustschetschenischen aus dem Russischen entlehnt (автобус/ in lateinischer Schrift awtobus, Plural автобусаш/awtobusasch), Tschetschenen in der Türkei haben das türkische Wort otobüs entlehnt (отобуьс/ otobüs, Plural отобуьсаш/ otobüsasch).
Phonologie
Ein Charakteristikum der tschetschenischen Sprache ist ihr reiches Konsonanten- und Vokalsystem.
Die tschetschenische Sprache verwendet ungefähr 31 Konsonanten (abhängig vom Dialekt und der Analyse). Im Gegensatz zu den meisten anderen kaukasischen Sprachen gibt es auch viele Vokale und Diphthonge, ungefähr 27 (abhängig vom Dialekt und der Analyse). Kein Schriftsystem, das bis jetzt für diese Sprache verwendet wurde, konnte die Vokale genau wiedergeben.
Substantive flektieren nach Kasus und Numerus, in der Regel durch Kasussuffixe. Die Lokalkasus kommen hauptsächlich in Verbindung mit Ortsbezeichnungen (im Singular) vor:
Kasus
Singular
IPA
Plural
IPA
Nominativ
бедар
/bʲɛdər/
бедарш
/bʲɛdərʃ/
Genitiv
бедаран
/bʲɛdarən/
бедарийн
/bʲɛdariːn/
Ergativ
бедаро
/bʲɛdaruo/
бедарша
/bʲɛdarʃə/
Dativ
бедарна
/bʲɛdarnə/
бедаршна
/bʲɛdarʃnə/
Instrumental
бедарца
/bʲɛdərtsʰ/
бедаршца
/bʲɛdarʃtsʰə/
Materialis
бедарах
/bʲɛdarəx/
бедаршех
/bʲɛdarʃɛx/
Komparativ
бедарал
/bʲɛdarəl/
бедарел
/bʲɛdarɛl/
Allativ
бедаре
/bʲɛdarie/
бедаршка
/bʲɛdarʃkʰə/
Ablativ II
бедарехьара
/bʲɛdarieʜarə/
бедаршкара
/bʲɛdarʃkʰarə/
Allativ II
бедарехьа
/bʲɛdarieʜə/
бедаршкахьа
/bʲɛdarʃkʰaʜə/
Essiv
бедарехь
/bʲɛdarieʜ/
бедаршкахь
/bʲɛdarʃkʰəʜ/
Komparativ II
бедаралла
/bʲɛdaralːə/
Prolativ
бедарехула
/bʲɛdariexulə/
бедаршкахула
/bʲɛdarʃkʰaxulə/
Pronomina
Bei den Personalpronomina unterscheidet man in der 1. Person Plural einen „Inklusiv“ und einen „Exklusiv“.
Im ersten Fall bedeutet das, dass der Sprecher die Hörer mit einbezieht. Zum Beispiel „wir (inkl.) essen“ muss als
„ich esse und ihr esst auch“ verstanden werden. Im Fall des Exklusiv sind die Hörer von der Handlung ausgeschlossen.
Kasus
1SG
IPA
2SG
IPA
3SG
IPA
1PL Inklusiv
IPA
1PL Exklusiv
IPA
2PL
IPA
3PL
IPA
Nominativ
со
/sʷɔ/
хьо
/ʜʷɔ/
и, иза
/ɪ/, /ɪzə/
вай
/vəɪ/
тхо
/txʷʰo/
шу
/ʃu/
уьш, уьзаш
/yʃ/, /yzəʃ/
Genitiv
сан
/sən/
хьан
/ʜən/
цуьнан
/tsʰynən/
вайн
/vəɪn/
тхан
/txʰən/
шун
/ʃun/
церан
/tsʰierən/
Ergativ
ас
/ʔəs/
ахь
/əʜ/
цо
/tsʰuo/
вай
/vəɪ/
оха
/ʔɔxə/
аша
/ʔaʃə/
цара
/tsʰarə/
Dativ
суна
/suːnə/
хьуна
/ʜuːnə/
цунна
/tsʰunːə/
вайна
/vaɪnə/
тхуна
/txʰunə/
шуна
/ʃunə/
царна
/tsʰarnə/
Instrumental
соьца
/sɥœtsʰə/
хьоьца
/ʜɥœtsʰə/
цуьнца
/tsʰyntsʰə/
вайца
/vaɪtsʰə/
тхоьца
/txʰɥœtsʰə/
шуьца
/ʃytsʰə/
цаьрца
/tsʰærtsʰə
Materialis
сох
/sʷɔx/
хьох
/ʜʷɔx/
цунах
/tsʰunəx/
вайх
/vəɪx/
тхох
/txʰʷɔx/
шух
/ʃux/
царах
/tsʰarəx/
Komparativ
сол
/sʷɔl/
хьол
/ʜʷɔl/
цул
/tsʰul/
вайл
/vəɪl/
тхол
/txʰʷɔl/
шул
/ʃul/
царел
/tsʰarɛl/
Allativ
соьга
/sɥœgə/
хьоьга
/ʜɥœgə/
цуьнга
/tsʰyngə/
вайга
/vaɪgə/
тхоьга
/txʰɥœgə/
шуьга
/ʃygə/
цаьрга
/tsʰærgə/
Possessivpronomina
1SG
2SG
3SG
1PL Inklusiv
1PL Exklusiv
2PL
3PL
attributiv (mein, dein)
сайн
хьайн
шен
вешан
тхайн
шайн
шайн
substantivisch (das Meine, das Deine)
сайниг
хьайниг
шениг
вешаниг
тхайниг
шайниг
шайниг
Verbalmorphologie
Verben kongruieren (wenn überhaupt) nur mit der Klasse des Aktanten im Nominativ. In diesem Fall ändert sich der Klassenbuchstabe (unten mit д* gekennzeichnet).
Со цхьан сахьтехь вогІур ву Ich (Mann) werde in einer Stunde kommen
Со цхьан сахьтехь йогІур ю Ich (Frau) werde in einer Stunde kommen
Tempora werden durch Ablaut oder Suffixe oder beides gebildet (es gibt insgesamt fünf Konjugationen, wir führen hier nur eine an). Viele Verben können mittels Suffixen abgeleitet werden (Kausativ etc.):
Tempus
Beispiel
Imperativ (=Infinitiv)
д*ига
Einfaches Präsens
д*уьгу
Zusammengesetztes Präsens
д*уьгуш д*у
Nahes Präteritum
д*игу
Bezeugtes Präteritum
д*игира
Perfekt
д*игна
Plusquamperfekt
д*игнера
Wiederholtes Präteritum
д*уьгура
Mögliches Futur
д*уьгур
Reales Futur
д*уьгур д*у
Tempus
Grundform („trinken“)
Kausativ („tränken“)
Permitiv („trinken gestatten“)
Permitiver Kausativ („tränken gestatten“)
Potential („fähig sein zu trinken“)
Inzeptiv („zu trinken beginnen“)
Imperativ (=Infinitiv)
мала
мало
малийта
малад*айта
малад*ала
малад*āла
Einfaches Präsens
молу
малад*о
молуьйто
малад*ойту
малало
малад*олу
Nahes Präteritum
малу
малий
малийти
малад*айти
малад*ели
малад*ēли
Bezeugtes Präteritum
мелира
малийра
малийтира
малад*айтира
малад*елира
малад*ēлира
Perfekt
мелла
малийна
малийтина
малад*айтина
малад*елла
малад*аьлла
Plusquamperfekt
меллера
малийнер
малийтинера
малад*айтинера
малад*елера
малад*аьллера
Wiederholtes Präteritum
молура
малад*ора
молуьйтура
малад*ойтура
малалора
Mögliches Futur
молур
малад*ер
молуьйтур
малад*ойтур
малалур
малад*олур
Reales Futur
молур д*у
малад*ийр д*у
молуьйтур д*у
малад*ойтур д*у
малалур д*у
малад*олур д*у
Dialekte
Äkkisch, auch Akkinisch oder Auchowisch (meist von der tschetschenischen Minderheit im Westen Dagestans gesprochen),
Klimov, Georgij A. 1994 [1986]. Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft, aus dem Russischen übersetzt und bearbeitet von Jost Gippert. Hamburg: Buske.
Nichols, Johanna. 1994. "Chechen". In: The Indigenous Languages of the Caucasus, Bd. 4, hrsg. von Rieks Smeets. Delmar/New York: Caravan Books S. 1–77.