Die Tongji-Universität (chinesisch同濟大學 / 同济大学, PinyinTóngjì Dàxué) ist eine Universität in der Volksrepublik China. Die Tongji gehört zu den ältesten, renommiertesten und selektivsten Universitäten Chinas.[2] Sie gehört zu den Class A Double First Class Universitäten des Chinesischen Bildungsministeriums.[3] Als Schwerpunktuniversität untersteht sie dem chinesischen Bildungsministerium direkt und gehört zu den 33 Universitäten, die nach dem Staatsbildungsprogramm „Projekt 985“ zu weltbekannten Universitäten aufgebaut werden sollen. Die Universität ist insbesondere für Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Architektur bekannt. Die School of Economics and Management (Tongji SEM) ist dreifach akkreditiert (AMBA, AACSB und EQUIS) und besitzt somit die sogenannte „Triple Crown“.[4] Die Tongji-Universität wurde 1907 von der deutschen Regierung zusammen mit deutschen Ärzten in Shanghai gegründet. Im April 2007 wurde der Rektor der Tongji-Universität Wan Gang zum Minister für Wissenschaft und Technologie der Volksrepublik China ernannt.
Die Vorläuferin der Tongji-Universität war die „Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“. Sie wurde 1907 von der deutschen Regierung als erstes großes Projekt auswärtiger Kulturpolitik gegründet. Dafür engagierten sich insbesondere der deutsche Generalkonsul in Shanghai, Wilhelm Knappe, und der Ministerialdirektor im preußischen Kultusministerium, Friedrich Althoff. Sie arbeiteten dabei mit den deutschen Ärzten Erich Paulun, Oscar von Schab und Paul Krieg zusammen, die in Shanghai ein auf Initiative Pauluns errichtetes Krankenhaus für Chinesen, das Tung-Chee Hospital (Tongji-Hospital), betrieben.[5] Dieses diente ab Oktober 1909 als Lehrkrankenhaus, wurde jedoch unabhängig von der Medizinschule geführt.
1912 schloss die deutsche Regierung der Medizinschule die „Deutsche Ingenieurschule für Chinesen in Shanghai“ mit Lehrwerkstatt an. Unterstützt wurde sie dabei in noch viel größerem Maße als bei der Medizinschule von deutschen Firmen, die am chinesischen Markt interessiert waren, darunter Krupp, Thyssen, Siemens, Bayer, BASF und Deutsche Bank. Eine Sprachschule bereitete die chinesischen Schüler auf das deutschsprachige Fachstudium vor.
1917 wurde die „Deutsche Medizin- und Ingenieurschule für Chinesen in Shanghai“ von der französischen Kolonialmacht geschlossen. Sie wurde jedoch mit chinesischer Hilfe in anderen Gebäuden provisorisch weitergeführt und, nachdem die chinesische Regierung sie 1923 als Universität anerkannt hatte, 1924 als chinesische Tongji-Universität wieder eröffnet. Deren technische Ausrüstung stiftete abermals die deutsche Industrie, und deutsche Dozenten erteilten weiterhin den Fachunterricht auf Deutsch. Damit wurden damals Grundlagen für eine deutsch-chinesische Zusammenarbeit geschaffen, die auch heute an der Tongji-Universität gepflegt wird.[6] Dazu wurde 1998 ein Chinesisch-Deutsches Hochschulkolleg gegründet, um ein Paradebeispiel des Wissensaustausches zwischen China und Deutschland zu setzen.
Hochschule
Die Zahl aller Aus- und Fortzubildenden beträgt ca. 54.000. Daraus sollen 22.000 Bachelor, 11.000 Master und 3.000 Doktoren werden. An der Universität sind zurzeit über 4.800 Dozenten und Forschungskräfte tätig, darunter 2.400 ordentliche bzw. außerordentliche Professoren. Von ihnen gehen 300 Doktorväter und 13 Mitglieder jeweils von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Ingenieurwissenschaften hervor.
Die Universität verfügt über 15 staatliche Forschungseinrichtungen mit Schwerpunktlaboren auf National-, Provinz- und Ministeriumsebene sowie Forschungseinrichtungen für Ingenieurwesen. Darüber hinaus sind an die Universität vier Kliniken und drei Mittelschulen angegliedert.
Der ehemalige Rektor der Tongji-Universität Wan Gang wurde am 27. April 2007 zum Wissenschaftsminister der Volksrepublik China ernannt.
Die Campus
Die Unterrichts- und Forschungseinrichtungen verteilen sich auf zwei Campus. Zwischen ihnen besteht stündlich ein Shuttleverkehr mit Bussen zwischen den Campus. Die Fahrtzeit beträgt, je nach Verkehrslage, zwischen einer und zwei Stunden.
Siping Campus
In der Innenstadt Shanghais im Bezirk Yangpu befindet sich der Siping Campus. Die Anbindung erfolgt über die MetrostationTongji University der Linie 10.
Jiading Campus
Außerhalb des Stadtzentrums Shanghais im Bezirk Jiading liegt der Jiading Campus. Auf dem großzügig angelegten Gelände konzentrieren sich hauptsächlich ingenieurswissenschaftliche Studiengänge und Forschungseinrichtungen. Unter anderem befindet sich auf dem Gelände eine 1,5 Kilometer lange Teststrecke für Magnetschwebebahnen, auf der die Typen CRRC CF200 und CRRC CF600, zuvor auch der CM1 Dolphin, allesamt Kopien der Transrapid-Technologie erprobt werden. In Kooperation mit dem Transrapid-Hersteller Thyssenkrupp, dem chinesischen Eisenbahnunternehmen CRRC und der Universität Stuttgart existiert zudem ein Forschungslabor zu Magnetschwebebahntechnologie.[7] Die Anbindung erfolgt über die Metrostation Shanghai Automobile City der Linie 11.
Akademische Lehrkrankenhäuser
Zur medizinischen Fakultät der Universität gehören mehrere Lehrkrankenhäuser (englischaffiliated hospitals)[8]
Die Universität bietet (teilweise gemeinsam mit Partneruniversitäten) verschiedene Sommerakademien an:
Unter dem Titel Shanghai-Hessen International Summer Courses stellten vom 3. bis 28. September 2007 Professoren hessischer Hochschulen und der Tongji-Universität gemeinsam ein Kompaktprogramm zu den Themen Stadtentwicklung & Architektur und Wirtschaft vor.
Seit 1979 besteht eine Partnerschaft zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Tongji-Universität, im Rahmen derer 2002 eine Vereinbarung für ein Summer-School-Programm geschlossen wurde. Hier wird den Studierenden ermöglicht im Anschluss an das 2. Semester an einem intensiven achtwöchigen Sprachkurs teilzunehmen.[9]
Weitere Sommerakademien werden z. B. in Zusammenarbeit mit den Technischen Universitäten Darmstadt[10] und Berlin[11] angeboten.
Die medizinische Fakultät der Tongji-Universität bietet eines der größten internationalen Austauschprogramme der VR China für Medizinstudenten an ihrem Lehrkrankenhaus Shanghai East Hospital an.[12]
Qiu Fazu (裘法祖) (1914–2008), chinesischer Chirurg und Retter jüdischer Häftlinge
Wan Gang (万钢) (* 1952), Minister für Wissenschaft und Technologie der Volksrepublik China, Automobil-Ingenieur, ehemaliger Präsident der Tongji-Universität
Wu Qidi (吴启迪) (* 1947), chinesische Wissenschaftlerin, stellvertretende Bildungsministerin der Volksrepublik China, ehemalige Präsidentin der Tongji-Universität
Wu Xiangming (* 1938), Verantwortlicher für die weltweit erste kommerzielle Umsetzung der Transrapid-Technologie
Wang Xiaohui (王小慧) (* 1957), chinesische Fotografin und Buchautorin
Ehrentitel
Die Tongji-Universität hat von 1984 bis 2010 mindestens sechs Ehrendoktoren und 87 Ehrenprofessuren verliehen, davon die Hälfte der Ehrungen an deutsche Staatsbürger.[13][14]
Ehrendoktoren
Tung-Yen Lin (1912–2003), US-amerikanischer Architekt
Ieoh Ming Pei (1917–2019), US-amerikanischer Architekt
30. Dezember 2002: Gerhard Schröder (* 1944), deutscher Politiker und Bundeskanzler a. D.
Rotraut Bieg-Brentzel: Die Tongji-Universität. Zur Geschichte deutscher Kulturarbeit in Shanghai, Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1984, Heidelberger Schriften zur Ostasienkunde 6, ISBN 3-88129-859-2.
Roswitha Reinbothe (Hg.): Tongji-Universität in Shanghai. Dokumente zur Gründungsgeschichte, Harrassowitz Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-447-06063-9.
Noyan Dinçkal / Detlev Mares: „Deutsche Wissenschaft und chinesische Geisteskultur“. Die Tongji-Universität in Shanghai und die deutsche auswärtige Kulturpolitik 1907–1937. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 60. Jahrgang (2012), S. 697–714.
↑Erich von Salzmann: Dr. Paul Krieg. Das Lebensbild eines deutschen Kulturpioniers in Ostasien. In: Der Auslandsdeutsche. 10. Jahrgang, Nr.7. Karl Weinbrenner & Söhne, Stuttgart 1927, S.214.