Tanja Stadler

Tanja Stadler

Tanja Stadler (* 1981 in Stuttgart) ist eine deutsch-schweizerische Mathematikerin und Biostatistikerin.[1][2] Sie ist ordentliche Professorin für computergestützte Evolution am Departement Biosysteme der ETH Zürich, das in Basel angesiedelt ist. Sie ist Vize-Präsidentin dieses Departments und leitet das wissenschaftliche Beratungsgremium COVID-19[3] des Schweizer Bunds und der Kantone.

Tanja Stadler ist bekannt für ihre wissenschaftliche Arbeit im Gebiet der Phylogenetik, einem Teilgebiet der Biostatistik. Sie entwickelt statistische Verfahren, um genomische Daten von Krankheitserregern, Zellen aber auch Spezien zu entschlüsseln[4]. In den letzten Jahren hat sie diese Methoden erweitert, um genomische Information auch im Abwasser zu identifizieren und auszuwerten.[5] Die Resultate erlauben es, die Ausbreitung von Krankheitserregern zu verstehen, die Vermehrung von Zellen zu charakterisieren und Speziationsprozesse zu quantifizieren.

Einem weiten Publikum wurde sie bekannt als Expertin[6][7][8] im Schweizer Fernsehen in der COVID-19-Pandemie. Sie war Mitglied der Swiss National COVID-19 Science Task Force und von August 2021 bis zur Auflösung Ende März 2022 war sie Präsidentin in Nachfolge von Martin Ackermann. Zuvor war sie Leiterin der Gruppe Data and Modelling.[9]

Ausbildung und Karriere

Tanja Stadler studierte angewandte Mathematik an der Technischen Universität München, der Cardiff University und der University of Canterbury.[10] Sie erhielt den Diplomabschluss im Jahr 2006 und einen Doktorgrad im Jahr 2008 von der Technischen Universität München mit einer Dissertation über „Evolving Trees – Models for Speciation and Extinction in Phylogenetics“ (Begutachter Anusch Taraz und Mike Steel).[11] Von 2008 bis 2011 war Stadler eine Postdoktorandin bei Sebastian Bonhoeffer im Departement für Environmental Systems Sciences an der ETH Zürich. Sie wurde 2011 zur Gruppenleiterin befördert.[10] Im Jahr 2014 wurde sie Assistenzprofessorin an der Abteilung für Biosystems Science and Engineering (BSSE) der ETH Zürich in Basel, wo sie im Jahr 2017 zur Außerordentlichen Professorin befördert wurde.[12] Im September 2021 wurde sie dort zur ordentlichen Professorin für Computergestützte Evolution ernannt.[13]

Arbeit

Stadler ist weltweit führend in der Entwicklung von phylogenetischen Modellen und Werkzeugen zum Verständnis evolutionärer und populationsdynamischer Prozesse auf verschiedenen Zeitskalen. Sie spielte eine Schlüsselrolle in der Einführung von Geburts- und Todesprozess-Modellen in der Phylodynamik.[14] Mit diesen Methoden geht Stadler Fragestellungen aus den verschiedensten Bereichen an, darunter der Epidemiologie[15], der Medizin, der Paläontologie[16], der Artenevolution[17] und der Sprachevolution.

Tanja Stadler hat mit ihrer Arbeitsgruppe „Taming the Beast“[18] in 2016 gegründet. Taming the Beast ist eine Plattform zum Erlernen des Gebrauchs des bayesianischen phylogenetischen Softwarepakets BEAST 2. Es werden seit 2016 regelmäßig internationale Workshops durchgeführt und die Website zum selbstständigen Vertiefen der Lerninhalte wird stets ausgebaut.

Während der Pandemie hat Stadler maßgebend an der wissenschaftlichen Beratung der Schweizer Regierung mitgewirkt. Sie war von August 2021 bis zur Auflösung Ende März 2022 Präsidentin der Swiss National COVID-19 Science Task Force. Neben der Beratung der Entscheidungsträger hat sie die Bevölkerung regelmäßig über die Medien informiert. Parallel hat sie ein SARS-CoV-2 Sequenzier-Konsortium[19] gegründet, welches ab 2020 in der Schweiz entscheidend über die Zirkulation von Varianten Aufschluss gab; im ersten Jahr der Pandemie war dies das einzige Gremium, welches regelmäßig Schweizer SARS-CoV-2-Sequenzen generiert hat. Weiter wurden in ihrer Arbeitsgruppe tagesaktuelle Schätzungen der Reproduktionszahl von SARS-CoV-2 veröffentlicht, welche die Entscheidungsträger zum Stand der Pandemie informierten[20].

Sie ist Teil des 2022 gegründeten Centre of Origin and Prevalence of Life (COPL) an der ETH Zürich[21] und wurde im selben Jahr mit dem Rössler-Preis[22] ausgezeichnet. 2024 wurde sie zum Mitglied der European Molecular Biology Organisation (EMBO) gewählt.[23]

Auszeichnungen

Commons: Tanja Stadler – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Die Datenjägerin, Interview mit der Forscherin Tanja Stadler.
  2. Ihre Zahlen entscheiden, ob die Schweiz in den Lockdown muss. In: Tages-Anzeiger, 16. Dezember 2020.
  3. Tanja Stadler kehrt als Covid-Beraterin des Bundes zurück. In: SRF.ch, 22. November 2022.
  4. Tanja Stadler. Abgerufen am 13. Februar 2024.
  5. Jana S. Huisman, Jérémie Scire, Lea Caduff, Xavier Fernandez-Cassi, Pravin Ganesanandamoorthy, Anina Kull, Andreas Scheidegger, Elyse Stachler, Alexandria B. Boehm, Bridgette Hughes, Alisha Knudson, Aaron Topol, Krista R. Wigginton, Marlene K. Wolfe, Tamar Kohn, Christoph Ort, Tanja Stadler, Timothy R. Julian: Wastewater-Based Estimation of the Effective Reproductive Number of SARS-CoV-2. In: Environmental Health Perspectives. Band 130, Nr. 5, Mai 2022, ISSN 0091-6765, doi:10.1289/EHP10050, PMID 35617001, PMC 9135136 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  6. Fernseh-Interview „10 vor 10“ vom 22. Dezember 2020.
  7. SRF Puls. 18. Januar 2021;.
  8. Fernseh-Interview 10 vor 10 vom 8. Mai 2020.
  9. Neue Präsidentin: Tanja Stadler übernimmt die Leitung der Swiss National COVID-19 Science Task Force. In: Sciencetaskforce.ch, 11. August 2021.
  10. a b c CV Tanja Stadler. ETH Zürich, abgerufen am 29. März 2022 (englisch).
  11. PhD thesis Tanja Stadler. (PDF; 1,1 MB) In: ethz.ch. Abgerufen am 1. Januar 2019.
  12. a b c ETH Latsis Prize 2013. Abgerufen am 30. Dezember 2018.
  13. Sechs Professorinnen und Professoren ernannt. 23. September 2021, abgerufen am 30. September 2021.
  14. Tanja Stadler: Sampling-through-time in birth–death trees. In: Journal of Theoretical Biology. Band 267, Nr. 3, Dezember 2010, doi:10.1016/j.jtbi.2010.09.010, PMID 20851708 (396–404 S.).
  15. Tanja Stadler et al.: Estimating the Basic Reproductive Number from Viral Sequence Data. In: Molecular Biology and Evolution. Band 29, Januar 2012, S. 347–357, doi:10.1093/molbev/msr217, PMID 21890480.
  16. Alexandra Gavryushkina et al.: Bayesian total-evidence dating reveals the recent crown radiation of penguins. In: Systematic Biology. Band 66, Nr. 1, Januar 2017, S. 57–73, doi:10.1093/sysbio/syw060, PMID 28173531, PMC 5410945 (freier Volltext).
  17. Tanja Stadler: Mammalian phylogeny reveals recent diversification rate shifts. In: PNAS. Band 108, Nr. 15, April 2011, S. 6187–6192, doi:10.1073/pnas.1016876108, PMID 21444816, bibcode:2011PNAS..108.6187S.
  18. Joëlle Barrido-Sottani et al.: Taming the BEAST—A Community Teaching Material Resource for BEAST 2. In: Systematic Biology. Nr. 67, Januar 2018, S. 170–174, doi:10.1093/sysbio/syx060, PMID 28673048.
  19. Swiss Viollier Sequencing Consortium bei der ETH Zürich. Abgerufen am 28. Januar 2021.
  20. COVID-19 Pandemic. Abgerufen am 13. Februar 2024 (englisch).
  21. Dem Leben auf der Spur • ETH Zürich Foundation. In: ETH Zürich Foundation. Abgerufen am 17. Oktober 2024 (deutsch).
  22. Tanja Stadler erhält Rössler-Preis 2022 • ETH Zürich Foundation. In: ETH Zürich Foundation. Abgerufen am 17. Oktober 2024 (deutsch).
  23. Outstanding scientists elected to EMBO Membership – Press releases – EMBO. 9. Juli 2024, abgerufen am 17. Oktober 2024 (britisches Englisch).
  24. John Maynard Smith Prize. Abgerufen am 1. Januar 2019.
  25. Prix Zonta. Abgerufen am 1. Januar 2019.
  26. Goldene Eule VSETH. Abgerufen am 21. Januar 2021.
  27. Tanja Stadler erhält Rössler-Preis. ETH News, ethz.ch. Abgerufen am 23. Juni 2022.