Die Strafvollzugsanstalten Silivri (türkischSilivri Ceza İnfaz Kurumları) sind ein Gefängniskomplex im europäischen Teil der Türkei, 70 Kilometer westlich von Istanbul im Distrikt Silivri. Mit über 10.000 Plätzen gilt die Anlage seit ihrer Eröffnung 2008 als größtes Gefängnis in Europa. Sie wurde auch wegen vieler prominenter Insassen bekannt.
Der Gefängniskomplex Silivri 70 Kilometer westlich des Zentrums von Istanbul
Das zuvor größte Gefängnis Istanbuls im Stadtteil Bayrampaşa wurde in einem zunächst nur dünn besiedelten Gebiet errichtet und nahm 1969 seinen Betrieb auf.[1] Weil die schnell wachsende Stadt die Anlage umschloss, wurde ein neuer Standort gesucht. Die Umgebung musste leicht kontrollierbar sein, zudem sollte die neue Haftanstalt veraltete und beengte Einrichtungen wie die in Bayrampaşa ersetzen.[2]
Der Komplex wurde von 2005 bis 2008 auf einer ursprünglich etwa 96 Hektar großen Fläche im Bezirk Silivri am westlichen Rand der Provinz Istanbul errichtet.[3] Das Kampüs („Campus“) genannte Gelände liegt an der Europastraße 84 etwa einen Kilometer vom Marmarameer entfernt. Die Baukosten beliefen sich nach Presseberichten auf etwa 100 Millionen Lira[4], damals rund 50 Millionen Euro. Die Anlage aus acht geschlossenen und einer offenen Vollzugsanstalt wurde 2014/15 um eine weitere geschlossene Anstalt auf 104 Hektar[5] erweitert.
Beschreibung
Der Gefängniskomplex besteht aus acht geschlossenen Typ-L-Strafvollzugsanstalten, einer nicht typisierten geschlossenen und einer offenen Strafvollzugsanstalt. Die Geschlossenen Typ-L-Strafvollzugsanstalten Silivri № 7 und 8 haben jeweils einen Hochsicherheitsbereich mit 38 Einzelhafträumen. Auf dem Gelände befinden sich außer den Vollzugsanstalten unter anderem mehrere Gerichtssäle und ein Krankenhaus. Für Mitarbeiter und deren Familien stehen auf dem nördlichen Geländeteil unter anderem 500 Dienstwohnungen, ein Gesundheitszentrum, eine Grund- und Mittelschule[6] sowie eine Moschee zur Verfügung. Auf dem östlichen Teil ist auf einer Fläche von 7.000 m² eine Photovoltaikanlage mit 1.340 Solarmodulen installiert.
Zum 13. Februar 2014 befanden sich 10.452 Gefangene, darunter 2.367 Untersuchungshäftlinge und 1.541 Personen in Rechtsmittelhaft, im geschlossenen und weitere 512 Gefangene im offenen Vollzug; die Personalstärke betrug 2.488 Mitarbeiter.[7]
Can Dündar beschreibt den Komplex als „ein Internierungslager, um Erdoğan-Gegner zusammenzufassen“.[8] Für die Gefangenen ist der Kontakt zu Angehörigen und Anwälten nur sehr eingeschränkt möglich.[9]
Während seiner Haftzeit zeichnete Deniz Yücel einen detailgenauen Plan seiner Einzelzelle, den die Welt in ihrer Ausgabe vom 9. Dezember 2017 im Maßstab 1:1 auf der Rückseite der kompletten Zeitungsausgabe veröffentlichte.[10][11]
Bekannte Häftlinge
Unter den Gefangenen befinden sich auch viele Regierungskritiker und über hundert[12][13] Journalisten, darunter:
Ahmet Altan (* 1950), Schriftsteller und Chefredakteur der Zeitung Taraf[12][14], inhaftiert seit September 2016[15]
Eren Erdem, Journalist und vormaliger Abgeordneter der CHP, inhaftiert seit Juni 2018[16][17]
Osman Kavala (* 1957), Unternehmer, Mäzen und Menschenrechtsaktivist, inhaftiert seit Oktober 2017[18]
Mümtazer Türköne, Politikwissenschaftler und Kolumnist der Zeitung Zaman, inhaftiert seit August 2016[19]
Ehemalige Gefangene:
Şahin Alpay (* 1944), Politikwissenschaftler und Publizist, inhaftiert von Juli 2017 bis Juni 2018[20]
Mehmet Altan (* 1953), Dozent für Volkswirtschaft und Kolumnist[12][14], inhaftiert von September 2016 – Juni 2018[21]
Akın Atalay, Rechtsanwalt und Herausgeber der Tageszeitung Cumhuriyet, inhaftiert von November 2016 bis April 2018[22]
↑Türkiye Büyük Millet Meclisi İnsan Haklarını İnceleme Komisyonu: Silivri Ceza İnfaz Kurumları Kampüsü İnceleme Raporu 2. (2. Untersuchungsbericht der parlamentarischen Menschenrechtskommission) 17. April 2014, S. 3 (PDF-Datei; 460 KB).