Schloßvippach
Schloßvippach ist eine Gemeinde im Landkreis Sömmerda in Thüringen und Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Vippach, der weitere elf Gemeinden zugegliedert sind. Der Name des Ortes geht auf ein Schloss Vippach zurück, das zur Zeit der SBZ 1948 abgerissen wurde. LageSchloßvippach befindet sich im fruchtbaren Thüringer Becken östlich der Bundesautobahn 71 und an den Landesstraßen 1054 und 1056. Ein östlich gelegener Ortsteil ist Dielsdorf. Die Vippach ist ein Bach, der südlich des Ortes verläuft. GeschichteFrühgeschichteIn der Nähe des Ortes und seiner Umgebung war schon in der Jungsteinzeit 2.000 Jahre vor Chr. durch Schnurkeramiker besiedelt. Im Jahr 1875 hat der Jenaer Archäologe Friedrich Klopfleisch ein Zentralgrab entdeckt. Neben menschlichen Gräbern und Gebrauchsgegenständen hat man bei der Ausgrabung auch Pferdegräber gefunden; dies ist ein Hinweis auf die Bedeutung der Pferdezucht in dieser Region. Seit 2008 wird die bereits bekannte bronzezeitliche Siedlung Schloßvippach von Archäologen für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena weiter ausgegraben, da sie ein einzigartiges Ensemble an Befunden mit unterschiedlichen Hausbauten, Brunnen, befestigtem Weg und einem dazugehörigen Gräberfeld bietet. Viele weitere Funde wurden aus der Eisenzeit, der Periode des Thüringer Reichs und der Franken gemacht. In deren Zeit gehörte die Region zum Ostergau. 8. bis 11. JahrhundertDas erste Mal wurde der Ort 793 urkundlich erwähnt. Das Kloster Fulda besaß als Bildungsmittelpunkt sehr großen Einfluss in Thüringen. In den Besitzverzeichnissen des 8. Jahrhunderts vom Kloster im Erfurter Land wird das Dorf zweimal erwähnt. Diese Schriften sind nicht wirklich datiert, gehören aber genau in den Zeitraum 780 – 802. Schloßvippach ist aus zwei Siedlungen entstanden, aus dem Unterdorf und aus dem Oberdorf. Das Gräberfeld Obermarbach weist eine germanisch-slawische Mischbevölkerung auf. 11. bis 19. JahrhundertIm 11. Jahrhundert wurde Schloßvippach von Herrn von Vippach erstmals erwähnt. Die Burganlage ist wohl auf die Zeit um 1050 zurückführen. Im Oberdorf wurde die St.-Petri-Kirche ungefähr um das Jahr 1100 gebaut, vielleicht eine Gründung vom Peterskloster in Erfurt. Der Turm der Kirche stammt aus dem Jahr 1261. Möglicherweise wurde die Kirche auch in diesem Jahr erbaut. Mitte des 12. Jahrhunderts kam es zu einer Befestigung des Dorfes mit Mauern, Gräben und dichtem Buschwerk. Landgraf Friedrich I. der Gebissene zerstörte das Dorf und die Burg etwa um das Jahr 1309, aber beides wurde wiederaufgebaut. Die Burg und die Petrikirche wurden dann im Thüringer Grafenkrieg um 1343 erneut vernichtet. Wegen finanzieller Schwierigkeiten verkaufte Otto von Vippach die wiederaufgebaute Burg und ein Drittel des Dorfes Vippach an den Rat zu Erfurt. Dies geschah circa 1387. Seit 1387 sicherte die mehrfach umgebaute Burg über 400 Jahre lang den Schutz für die Erfurter Gebiete gegen Nordosten. Der Schlosshauptmann war gleichzeitig Gutsherr, Gerichtsherr, Kirchen- und Schulpatron für das Dorf. 1483 bekam Erfurt noch die Dörfer Berlstedt und Kleinbrembach. Gemeinsam mit diesen Dörfern wurde das Amt Vippach mit einem auf der Burg waltenden Amtsmann gebildet. Zu dessen Aufgaben zählte unter anderem die Schlichtung von territorialen Streitigkeiten zwischen den Nachbarorten Schloßvippach, Dielsdorf und Sprötau. In der Nähe von Schloßvippach wurden neben den üblichen Feldfrüchten auch Wein und Hopfen angebaut. Die Region wurde später auch als „Thüringer Kräutergarten“ bezeichnet. Außer den vielen Landwirten gab es um das Jahr 1500 eigene Handwerker (64). Die Lehren von Martin Luther wurde in der Bevölkerung gut aufgenommen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Schloßvippach mehrmals verwüstet: 1622/23 durch Herzog Friedrich von Altenburg und 1628 durch kroatische Truppen. Erfurt und Schloßvippach hatten von Mitte der 1630er Jahre bis 1650 eine ziemlich ruhige Phase, weil die Schweden den Norden Deutschlands erobert hatten. Zwischen 1660 und 1670 lebten im Dorf 477 Einwohner. Diese verteilten sich auf 97 bewohnte und 131 verwüstete Wohnhäuser. Daneben gab es noch sieben öffentliche Gebäude sowie die Ställe und Scheunen. Das Erfurter Gebiet wurde mit Schloßvippach 1664 kurmainzisch und gehörte somit zum Bistum Mainz. Die Einwohner mussten sich dem neuen Herrn 1667 auf dem Schlosshof unterwerfen. Das Jahr 1683 brachte die Pestseuche, welche Hunderte von Opfern forderte. Das Jahrmarktrecht erhielt man 1699. Ein Teil des Gutes wurde 1701 unter 30 Untertanen erbrechtlich aufgeteilt. Diese Gemeinschaft hielt sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Ort schrieb eine Einwohnerzahl von 782 in 194 Wohnhäusern. Ab 1802 wurde Schloßvippach preußisch. Nach dem Ende der Schlacht von Jena und Auerstedt kam es 1806 durch französische Soldaten zu Plünderungen im Dorf und im Schloss. Von 1806 bis 1813 war Schloßvippach wie Erfurt Teil von Napoleons (Fürstentum Erfurt) eroberten Gebieten. In einen Überraschungsangriff am 17. Oktober 1813 nahm der preußische Major Friedrich Hellwig mit 55 Husaren 70 polnische Ulanen gefangen, die zu Napoleons Verbündeten gehörten. Schloßvippach hatte 28 Männer die danach bei den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 geholfen haben. 19. Jahrhundert bis zur GegenwartMit dem Ende der französischen Fremdherrschaft kamen die Orte des Amts Vippach im Jahr 1815 zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Diese Orte wurden dem Amt Großrudestedt eingegliedert, und damit endete der Exklavenstatus des Orts. 1843 hatte Schloßvippach 1143 Einwohner zu verbuchen. Bis zum Ersten Weltkrieg kam es zu fortdauerndem Aufschwung, begleitet von reger Bautätigkeit und vielen Vereinsgründungen. 1871 machte die Gemeinde ein Friedensfest, es wurden 42 Teilnehmer des Deutsch-Französischen Krieges aus Weimar wieder nach Schloßvippach geholt. Nur ein Vippacher Soldat ist verstorben. Ein Kindergarten wurde 1897 eingerichtet. Die Elektrifizierung begann 1906 mit einer Licht- und Kraftleitung von dem Kraftwerk aus Gispersleben. 1909 Gründung der Poststelle mit Telegraphendienst. Zwei der drei Glocken der Veitskirche wurden eingeschmolzen wegen des Ersten Weltkriegs. 1920 wurde Schloßvippach zum damaligen Freistaat Thüringen hinzugefügt. 1921 wurden eigene Notgeldscheine herausgegeben. 1931 lebten 1230 Menschen im Ort. Während des Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieges kam es am 8. März 1945 zu einem Lynchmord. Ein 25-jähriger Flying Officer (Oberleutnant) der Royal Canadian Air Force, der Bombenschütze Thomas M. Draper, war mit Fallschirm aus seinem bei Großneuhausen abstürzenden viermotorigen Bomber abgesprungen. Die Avro Lancaster war auf dem Rückflug von dem schweren britischen Luftangriff auf Dessau am 7./8. März von Nachtjägern der Luftwaffe abgeschossen worden. Draper wurde bei Schloßvippach aufgegriffen und bei seinem Abtransport vom damaligen Landrat und Kreisleiter von Weimar, Franz Hofmann, in der Nähe des Sportplatzes erschossen. Seine Leiche wurde in der nordwestlichen Ecke des Friedhofs Schlossvippach bestattet und am 1. September 1947 auf den Britischen Militärfriedhof Berlin (Heerstraße) umgebettet.[2] Ermittlungen gegen den Täter erübrigten sich, da Hofmann noch vor Kriegsende ums Leben gekommen war. In Schloßvippach waren während der Kriegszeit 73 polnische, 23 russische und ein jugoslawischer Zwangsarbeiter gemeldet. In Dielsdorf (Schloßvippach) waren es 21 Personen aus Polen. Sie waren überwiegend in Höfen untergebracht, wo sie arbeiten mussten. Außerdem waren Kriegsgefangene im Einsatz, welche sich in der damaligen Gaststätte „Zum Löwen“, Karl-Buchholz-Str. 213 (heute Nr. 20a) befanden. Das erste Kommando bestand aus 28 französischen Kriegsgefangenen, welche abends eingeschlossen und von einem Soldaten bewacht wurden. Später wurden sie in den Gemeindesaal in Dielsdorf (Schloßvippach) verlegt. Ab Herbst 1943 wurden noch 35 italienische Militärinternierte registriert. Bei einem Todesmarsch des KZ-Außenlagers Niederorschel zum KZ Buchenwald wurde ein unbekannter KZ-Häftling von der SS ermordet. Die Häftlinge machten zwischen dem 6. und 8. April 1945 in Schloßvippach Halt und wurden in einer Feldscheune untergebracht. Seit dem 2. Oktober 1984 erinnert eine Gedenkstele an diesen Todesmarsch.[3] Im Zweiten Weltkrieg sind 67 Soldaten aus Schloßvippach gefallen oder wurden vermisst. Die Einwohnerzahl stieg auf 1900 an, weil man 1946 600 Heimatvertriebene dazu bekam. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ort zur sowjetischen Besatzungszone hinzugefügt und machte dabei die entsprechende gesellschaftliche Veränderung durch, zusätzlich wurde eine Bodenreform durchgeführt. Die Burg Schloss Vippach, in bestem Bauzustand, war bis 1945 im Besitz der Familie Collenbusch. Sie wurde auf Grundlage des Befehls 209 der Sowjetischen Militäradministration im Jahre 1948 zerstört. Jede Familie im Dorf wurde bei Strafandrohung verpflichtet, ein Mitglied zu den Abrissarbeiten zu schicken. Von 1945 bis 1949 wechselten sich sechs Bürgermeister ab. 1953 wurde die erste LPG gegründet, 1960 erreichte man unter erheblichem Druck die „Vollgenossenschaftlichkeit“. 1989 bildeten sich auch in Schloßvippach eine SPD und der Demokratische Aufbruch. Bei den Kommunalwahlen im Mai 1990 gewannen die CDU 6, die SPD 3, die FDP 1, die PDS 1 und andere Gruppierungen zusammen 7 Mandate. Am 3. Oktober 1990, dem offiziellen Tag der Wiedervereinigung, pflanzte der Bürgermeister auf dem Kirchvorplatz eine Eiche. Einwohnerentwicklung (zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres)
Datenquelle: Thüringer Landesamt für Statistik PolitikGemeinderatDer Gemeinderat aus Schloßvippach setzt sich aus 12 Ratsfrauen und Ratsherren zusammen:
(Stand: Kommunalwahl am 26. Mai 2024) BürgermeisterDer ehrenamtliche Bürgermeister Uwe Köhler wurde am 5. Juni 2016 gewählt und am 12. Juni 2022 wiedergewählt. WappenBlasonierung: „Gespalten und zweimal geteilt von Rot und Silber.“ Gemeindepartnerschaft
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Geschichtsdenkmale
SonstigesAm 8. März 1945 kam es in der Nähe des Sportplatzes zu einem der sogenannten Fliegermorde an dem kanadischen Piloten Thomas Maynard Draper, der den Abschuss seines Lancaster-Bombers auf dem Rückflug von einem schweren Luftangriff auf Dessau überlebt hatte. Der Kriegsgefangene sollte nach Weimar überstellt werden, wurde aber während des Abtransports vom hinzugeeilten Landrat des Landkreises Weimar, Franz Hofmann, erschossen.[5] Während des Zweiten Weltkrieges mussten 28 Kriegsgefangene aus Frankreich, 35 Militärinternierte aus Italien sowie 97 Frauen und Männer aus Polen, Russland und Jugoslawien in der Landwirtschaft von Schloßvippach Zwangsarbeit verrichten. Nach Dielsdorf kamen 21 Polen.[6] Persönlichkeiten
VerkehrDer Bahnhof Schloßvippach lag an der Schmalspurbahn Weimar–Rastenberg/Großrudestedt. Diese ist stillgelegt. Der nächste Haltepunkt ist Großrudestedt an der Bahnstrecke Sangerhausen–Erfurt. Einzelnachweise
Literatur
WeblinksCommons: Schloßvippach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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