Samuel SteinherzSamuel Steinherz (geboren 16. Dezember 1857 in Güssing, Kaisertum Österreich; gestorben 16. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt) war ein österreichisch-tschechoslowakischer Historiker und Hochschullehrer in Prag. LebenSteinherz entstammte einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie und besuchte in Graz das Gymnasium.[1] Im Jahr 1896 heiratete Steinherz die acht Jahre jüngere Sophie Kestel, mit der er fünf Kinder hatte:[2]
Akademische LaufbahnNach der Matura im Jahr 1875 begann Steinherz, an der Universität Graz Germanistik, Geschichte und Klassische Philologie zu studieren.[2] 1882 in Graz zum Dr. phil. promoviert, belegte Steinherz bis 1885 einen Kurs zu Paläografie und Diplomatik am Wiener Institut für Österreichische Geschichtsforschung.[2][1] Sein Forschungsschwerpunkt in jenen Jahren waren die Beziehungen Ludwigs I. von Ungarn zu Karl IV., weshalb er zu Recherchezwecken auch Reisen nach Budapest und Venedig unternahm.[1] Bei seiner Rückkehr im Jahr 1887 erhoffe sich Steinherz eine baldige Habilitation, die jedoch aufgrund von Missverständnissen um acht Jahre verschoben werden musste.[1] Steinherz nützte die Zeit für ein Studium der Rechtswissenschaft, das er 1894 mit dem Dr. jur. abschloss.[1] Spezialisiert auf die Diplomatie des Heiligen Stuhls,[3] begann er parallel zu seinem Studium, im Auftrag von Theodor von Sickel in Rom und anderen europäischen Städten die Nuntiaturberichte für die Jahre 1560–65 zu bearbeiten.[2] Mit den Bearbeitungen und den urkundenkritischen Untersuchungen zur österreichischen Geschichte gewann er die Wertschätzung der altösterreichischen Historiker.[4] 1895 erhielt Steinherz schließlich die Lehrbefugnis für Österreichische Geschichte, die im Jahr 1898 auf Mediävistik erweitert wurde.[1] Tätigkeit an der Karls-Universität in Prag1901 wurde Steinherz als außerordentlicher Professor an die Karls-Universität in Prag berufen und erhielt dort eine ordentliche Professur für Historische Hilfswissenschaften (1908) und für Österreichische Geschichte (1915).[1] Er war Mitglied des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen und gehörte seit 1904 dessen Vorstand an.[2] 1922 wurde Steinherz zum Rektor der Universität gewählt und verzichtete nicht, wie bei jüdischen Professoren üblich, auf das Amt, da er sich als Deutscher fühlte.[2][3] Seine Antrittsrede erschien Ende des Jahres im vom Robert Mayr-Harting vorgelegten Bericht über das Studienjahr 1921-22.[5] Ungeachtet dessen, dass Steinherz sich selbst als Deutscher wahrnahm, kam es zu antisemitischen Studentenprotesten, Hausbesetzungen und immer lauter werdenden Forderungen nach einem Numerus clausus für jüdische Studenten.[3] Verantwortlich für die Proteste, die später unter dem Namen Steinherz-Affäre bekannt wurden,[2][3] war die Deutsch-arische Studentenschaft, ein Bündnis deutschnationaler und christlichsozialer Studenten.[1] Unter dem wachsenden Druck bot Steinherz im Februar 1923 seinen Rücktritt an, der vom damaligen Kultusminister Rudolf Bechyně[3] nie beantwortet und somit faktisch abgelehnt wurde.[1] Steinherz ließ sich beurlauben, bis die Proteste nachließen.[3] Da auch ein zweites Rücktrittsgesuch nicht bewilligt wurde, ließ Steinherz sein Amt schließlich ruhen.[2] Die Juden in Prag und Böhmen, die sich bis dahin als Teil der deutschen Kultur und Nation gefühlt hatten, fühlten sich vom Ausmaß der Proteste stark verunsichert.[3] Steinherz selbst wandte sich, unterstützt von der Loge Praga der jüdischen Gemeinschaft B’nai B’rith, der Geschichte der Juden im Mittelalter, besonders während der Kreuzzüge, zu.[2][3] Mit inzwischen 71 Jahren zog sich Steinherz 1928 aus dem Universitätsleben zurück.[1] Im selben Jahr zum Vorsitzenden der neuen Gesellschaft für Geschichte der Juden in der Čechoslovakischen Republik gewählt, gab er ihre neun Jahrbücher heraus, die von 1929 bis 1938 erschienen,[3] und hatte bis zur Auflösung der Gesellschaft im Jahr 1940 deren Leitung inne.[2] Deportation, Tod und FortlebenAls im Jahr 1939 das Protektorat Böhmen und Mähren von den Nationalsozialisten als neue Verwaltungseinheit eingesetzt wurde,[1] bedeutete dies Steinherz’ Ausschluss aus sämtlichen wissenschaftlichen Organisationen.[2] Anfang Juli 1942[1] wurde Steinherz mit seiner Frau und seinen Töchtern Antoine und Irene ins Ghetto Theresienstadt deportiert.[2] Dort hielt Steinherz trotz seiner zunehmenden Erblindung[1] noch Vorlesungen über die Geschichte der böhmischen Juden.[3] An seinem 85. Geburtstag starb Steinherz in Theresienstadt.[1] EhrungSeit 2008 besteht in Nürnberg die Samuel-Steinherz-Stiftung.[6] Ende November 2012 fand in Brünn zum Gedenken an Samuel Steinherz die Konferenz Avigdor, Beneš, Gitl – Juden im Böhmen und Mähren im Mittelalter statt. In Graz betreibt die FDS gemeinnützige Stiftung das Samuel Steinherz Haus mit Appartements für Studierende. Vor dem 2019/2020 errichtete und nach ihm benannte[7] Gebäude in der Finkengasse 4 informiert eine Leuchtstele der Moses Mendelssohn Stiftung über Steinherz’ Leben. Schriften (Auswahl)
Herausgeber
Literatur
WeblinksWikisource: Samuel Steinherz – Quellen und Volltexte
Einzelnachweise
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