Die Riemenblumengewächse (Loranthaceae) sind eine Pflanzenfamilie innerhalb der Ordnung der Sandelholzartigen (Santalales). Die etwa 73 Gattungen mit etwa 950 Arten gedeihen von den gemäßigten Klimazonen über die Subtropen bis in die Tropen, hauptsächlich auf der Südhalbkugel („gondwanische“ Verbreitung). Diese mistelartigen Pflanzen sind Halbparasiten (Halbschmarotzer) und in mindestens einem Fall (Tristerix aphyllus) Vollschmarotzer auf ausdauernden Gewächsen: Gehölzen oder Sukkulenten. – Man beachte, dass die deutsche Bezeichnung Riemenblume nicht nur für die namensgebende Gattung Loranthus gebraucht wird, sondern auch für die Gattung Loropetalum der Zaubernussgewächse (Hamamelidaceae).
Sie wachsen immergrün meist strauchartig, oder als selbständig aufrechte Sträucher, selten als Bäume (gut entwickelte Exemplare von Nuytsia floribunda) oder seltener als Lianen (beispielsweise Tristerix). Das Sekundäre Dickenwachstum erfolgt über einen konventionellen Kambiumring oder anomal über ein konzentrisches Kambium (Nuytsia floribunda).
Bei manchen Arten sind die Blätter reduziert und die Photosynthese erfolgt über grüne, dann oft geflügelte Zweige. Bei den meisten Arten sind aber gut entwickelte Laubblätter vorhanden. Die meist gegenständigen Laubblätter besitzen eine einfache, ganzrandige, oft ledrige oder fleischige, seltener häutige Blattspreite. Es sind keine Nebenblätter vorhanden.
Die Blüten sind meist zwittrig, es gibt aber selten Arten mit eingeschlechtigen Blüten (Nuytsia floribunda, Loranthus europaeus). Die Individuen dieser Arten sind entweder einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch) oder zweihäusig wie die namensgebende Riemenblume selbst. Die Blüten sind mehr oder weniger radiärsymmetrisch und meist fünf- oder sechszählig (drei- bis neunzählig). Der Blütenboden (Rezeptakel) ist deutlich hohl. Es ist kein Blütenbecher (Hypanthium) vorhanden. Es können drei bis neun freie oder verwachsene deutliche Kelchblätter vorhanden sein, aber sie können auch mehr oder weniger stark reduziert sein bis nur noch ein gelappter bis gezähnter Becher oder Ring erkennbar ist. Die Kelchblätter sind schon in der Blütenknospe geöffnet und haltbar. Die drei bis neun Kronblätter können frei sein; aber bei sehr vielen Gattungen sind sie zu einer Röhre verwachsen. Die oft gebogene Kronröhre kann auf einer Seite gespalten sein und die Blütenkrone kann zweilippig sein. Die Farbe der Kronblätter reicht von gelb über orangefarben bis rot. Es ist nur der innere Kreis mit meist fünf oder sechs (drei bis neun) fertilen Staubblättern vorhanden. Die Staubfäden sind untereinander frei, aber mit den Kronblättern verwachsen. Die Staubbeutel öffnen sich oft explosionsartig mit einem longitudinalen Schlitz. Die zweizelligen Pollenkörner besitzen meist drei oder seltener vier Aperturen und sind colpat; bei Atkinsonia sind keine Aperturen vorhanden. Drei oder vier Fruchtblätter sind zu einem unterständigen, einkammerigen Fruchtknoten verwachsen. In basaler Plazentation befinden sich vier bis zwölf sitzende, undifferenzierte Samenanlagen.
Früchte und Samen
Die Schließfrüchte sind meist fleischig, selten nichtfleischig (beispielsweise bei Nuytsia floribunda). Fast alle Arten bilden Beeren, wenige Arten Steinfrüchte, nur bei Nuytsia floribunda sind es geflügelte Nüsse.
Die Samen enthalten viel ölhaltiges Endosperm. Die Samen besitzen keine Samenschale (Testa); sie sind vielmehr von einer klebrigen Pulpa umhüllt. Der gut differenzierte, chlorophyllhaltigeEmbryo besitzt ein oder zwei Keimblätter (Kotyledonen), die oft untereinander verbunden sind.
Sie leben als verholzte Halbparasiten (Halbschmarotzer) auf den oberirdischen Teilen von Bäumen und Sträuchern oder (selten) an Wurzeln der Wirtspflanzen. Bei vielen Arten sind keine Wurzeln im eigentlichen Sinne vorhanden, sondern ihre Kontaktorgane gleichen mehr Haustorien.
Bestäubung
Viele Arten besitzen relativ große, auffällige rot oder gelb gefärbte langröhrige Blüten, die von Vögeln (Ornithophilie) bestäubt werden. Bei den anderen Arten mit kleineren und unauffälligeren Blüten erfolgt die Bestäubung durch Insekten (Entomophilie). Die einzige in Europa heimische Art, die laubabwerfende Eichenmistel (Loranthus europaeus), besitzt unauffällige, zweihäusig verteilte gelbliche Blüten.
Systematik und Verbreitung
Die Familie Loranthaceae wurde 1808 durch Antoine Laurent de Jussieu in Annales du Museum National d'Histoire Naturelle, Band 12, S. 292[1] aufgestellt.[2]Typusgattung ist LoranthusJacq.[2] Synonyme für Loranthaceae Juss. sind: Elytranthaceae Tiegh., Gaiadendraceae Tiegh. ex Nakai, Nuytsiaceae Tiegh., Treubellaceae Tiegh. nom. illeg., Psittacanthaceae Nakai.
Die meisten Arten der Riemenblumengewächse kommen von den gemäßigten Klimazonen über die Subtropen bis in die Tropen vor, hauptsächlich auf der Südhalbkugel. Im südöstlichen Mitteleuropa gehört nur die Eichenmistel (Loranthus europaeus) zu dieser Familie.
Die früher ebenfalls hierher gestellten, in Mitteleuropa heimischen Misteln der Gattung Viscum und weitere mit diesen verwandte Gattungen, die lange Zeit auch in eine eigene Familie Viscaceae gestellt worden sind, werden nach umstrittenen neueren Erkenntnissen in die Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae) gruppiert.
In die Familie Loranthaceae werden 65 bis 73 Gattungen gestellt:[3]
ActinanthellaBalle: Es gibt nur eine Art (oder mit einer zweiten Art; beide kommen in Afrika vor):
AmyemaTiegh. (Syn.: CandollinaTiegh., CleistoloranthusMerr., DicymanthesDanser, NeophylumTiegh., PilostigmaTiegh., RhizanthemumTiegh., RhizomonanthesDanser, StemmatophyllumTiegh., UngulaBarlow, XylochlamysDomin): Die 95 bis 100 Arten sind von Südostasien über die Philippinen bis Neuguinea sowie Australien (etwa 36 Arten), und den Samoa-Inseln verbreitet.[5]
AmylothecaTiegh.: Die etwa fünf Arten kommen von Melanesien bis Neuguinea, Neukaledonien und östlichen Australien (zwei Arten) vor.[5]
CyneDanser (Syn.: TetradyasDanser): Die etwa sechs Arten kommen von den Philippinen bis Neuguinea vor.
DactyliophoraTiegh.: Die nur zwei oder drei Arten kommen auf Seram, in Papuasien und eine Art kommt auch auf der Cape York Halbinsel im nördlichen Queensland vor.[5]
DecaisninaTiegh.: Die 25 bis 30 Arten kommen von Java und den Philippinen bis nördlichen Australien, Tahiti und den Marquesas vor.[5]
Dendropemon(Blume) Rchb.: Die etwa 20 Arten kommen auf karibischen Inseln vor.
DendrophthoeMart.: Die 30 bis 38 Arten sind in den Tropen Afrikas, Asiens und Australiens verbreitet. Ein Schwerpunkt der Artenvielfalt liegt im westlichen Malesien.[5]
LepeostegeresBlume (Syn.: ChoristegeresTiegh., ChoristegiaTiegh., StegastrumTiegh.): Die neun Arten kommen von Malesien bis Neuguinea vor.
LepidariaTiegh.(ChorilepidellaTiegh., ChorilepisTiegh., LepidellaTiegh.); mit etwa acht Arten, sie kommen von Thailand bis Malesien vor
LigariaTiegh.: Die etwa zwei Arten kommen in Südamerika vor.
LoranthusJacq.: Es gibt ein bis acht Arten, darunter:
Eichenmistel (Loranthus europaeusJacq.): Es ist die einzige europäische Art dieser Familie.
Loxanthera(Blume) Blume: Es gibt nur eine Art:
Loxanthera speciosa Blume: Sie kommt auf der malaiischen Halbinsel, in Sumatra, Borneo und Java vor.[4][7]
LysianaTiegh.: Die etwa acht Arten kommen nur in Australien vor,[5] darunter:
Lysiana casuarinae(Miq.) Tiegh.: Dieser Endemit gedeiht in semiariden Waldländern von der Hamersley Range bis Norseman in Western Australia. Sie parasitiert auf mehreren Baumarten, hauptsächlich aus der Familie Casuarinaceae, auf Acacia sowie Exocarpos-Arten.[5]
Macrosolen(Blume) Rchb.: Die etwa 30 Arten kommen von Südasien bis Neuguinea vor.
StruthanthusMart. (Syn.: EichlerinaTiegh., PeristethiumTiegh., PtychostylusTiegh., SpirostylisC.Presl ex Schult. & Schult. f., SteirotisRaf.): Die etwa 50 Arten sind in der Neotropis verbreitet.
Tapinanthus(Blume) Rchb. (Syn.: AcrostephanusTiegh., LichtensteiniaJ.C.Wendl. nom. inval.): Die etwa 33 Arten kommen im südlichen und im tropischen Afrika vor und eine Art erreicht auch den Jemen.
TaxillusTiegh. (Syn.: LocellaTiegh., PhyllodesmisTiegh.): Die etwa 35 Arten kommen vom tropischen Asien bis Malesien und an die Küste Kenias vor.
Daniel L. Nickrent, Lytton J. Musselman: Introduction to Parasitic Flowering Plants. In: The Plant Health Instructor, St. Paul, 2004: online.doi:10.1094/PHI-I-2004-0330-01 (Abschnitt Ökologie)
↑ abLoranthaceae bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 23. Januar 2013.
↑Loranthaceae im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 23. Januar 2013.
↑ ab
David John Mabberley: Mabberley’s Plant-Book. A portable dictionary of plants, their classification and uses. 3. Auflage, Cambridge University Press 2008, ISBN 978-0-521-82071-4.
↑
Bryan A. Barlow: Conspectus of the Genera Amylotheca, Cyne, Decaisnina, Lampas, Lepeostegeres, and Loxanthera (Loranthaceae). In: Blumea, Band 38, 1993, Seite 115.
B. A. Barlow. Loranthaceae. S. 209–401, In: C. Kalkman et al. (Hrsg.): Flora Malesiana. Series 1, Volume 13, Rijksherbarium, Hortus Botanicus Leiden, 1997. PDF.
Romina Vidal-Russell, Daniel L. Nickrent: A molecular phylogeny of the mistletoe family Loranthaceae., In: Botany Conference 2005 – Learning From Plants, Austin Texas, S. 131–132.
R. Vidal-Russell, Daniel L. Nickrent: Evolutionary relationships in the showy mistletoe family (Loranthaceae). In: American Journal of Botany, Volume 95, 2008, S. 1015–1029. doi:10.3732/ajb.0800085
G. V. Pope, R. M. Polhill, E. S. Martins: Flora Zambesiaca, Volume 9, Part 3 – Polygonaceae-Myriaceae., 2006.
Joshua P. Der, Daniel L. Nickrent: A molecular phylogeny of Santalaceae (Santalales). In: Systematic Botany, Volume 33, Issue 1, 2008, S. 107–116. doi:10.1600/036364408783887438