Referendum über die Schaffung der Gebietskörperschaft Elsass 2013
Am 7. April 2013 fand in den beiden elsässischenDépartementsHaut-Rhin (Oberelsass) und Bas-Rhin (Unterelsass) ein Referendum über die Schaffung der Gebietskörperschaft Elsass (französischRéférendum sur la Collectivité territoriale d’Alsace) statt. Die Gebietskörperschaft sollte als Collectivité territoriale unique mit den Kompetenzen sowohl der departementalen Generalräte, als auch des bisherigen Elsässischen Regionalrats – gewissermaßen als Vereinigter Elsässischer Rat (conseil d’Alsace unique) – entstehen. Die Abstimmenden hatten über die Frage zu entscheiden, ob ein gemeinsames Verwaltungsorgan durch Zusammenlegung des Conseil général du Bas-Rhin (Generalrats des Unterelsass), des Conseil général du Haut-Rhin (Generalrats des Oberelsass) und des Conseil régional d’Alsace (Elsässischen Regionalrats) gebildet werden soll. Das Resultat war mangels Stimmbeteiligung (von weniger 25 %) nicht umsetzbar. Per 2021 wurden die beiden Generalräte der beiden Départements unter der Bezeichnung Europäische Gebietskörperschaft Elsass zusammengeschlossen.
Das proklamierte Ziel der Initiatoren des Referendums war in erster Linie eine Verschlankung der Verwaltung unter dem Motto Unité, Efficacité et Proximité pour l’Alsace („Einheit, Effizienz und Bürgernähe für das Elsass“)[1] durch Abbau von vermeintlichen bürokratischen Doppelstrukturen. Durch die Zusammenlegung der drei Versammlungen und ihrer Verwaltungen sollten pro Jahr mindestens 20 Millionen Euro eingespart werden.[2][3] Zu den Befürwortern der Vereinigung gehörte der Präsident des Regionalrats Philippe Richert (UMP) und die gemäßigten Konservativen. Gegen das Projekt sprachen sich der Front National, die Ultralinken und außerdem die Straßburger Sozialisten aus.[2] Viele Kritiker des Projektes bezweifelten, dass es wirklich zu einer nennenswerten Verschlankung der Verwaltung führen würde und argumentieren, dass man auch innerhalb der bestehenden Strukturen effizienter werden könne. Einige Regionalpolitiker fürchteten auch den Abbau oder Verlust von Verwaltungsstrukturen in ihren Städten.[4] In Meinungsumfragen vor der Abstimmung sprach sich eine Mehrheit der Befragten für die Fusion aus.[5]
Die Möglichkeit, Verwaltungsstrukturen zu fusionieren war durch ein Gesetz zur Verwaltungsreform vom 16. Dezember 2010 geschaffen worden.[3][6] Das Gesetz schrieb vor, dass die betroffene Bevölkerung vor einer solchen Verwaltungsumgliederung befragt werden und dass diese mit einer Mehrheit von mindestens 50 % der Abstimmenden und mindestens 25 % der Wahlberechtigten zustimmen musste. Außerdem mussten sämtliche davon betroffene gewählte Gebietskörperschaften zustimmen. Letzteres war im Elsass geschehen. Alle drei Räte, sowohl die der Region, als auch die der beiden Départements hatten am 1. Dezember 2011 in Colmar mehrheitlich in einem Projet de déclaration du Congrès d’Alsace das Projekt der Vereinigung befürwortet.[1][2]
Positionen der Parteien
Von den großen politischen Gruppierungen sprachen sich für die Annahme der Frage des Referendums aus:
« Approuvez-vous le projet de création, en Alsace, d’une collectivité territoriale d’Alsace, par la fusion du Conseil régional d’Alsace, du Conseil général du Bas-Rhin et du Conseil général du Haut-Rhin ? »
„Unterstützen Sie das Vorhaben, eine elsässische Gebietskörperschaft durch die Fusion des Elsässischen Regionalrats und der Generalräte des Unterelsass und des Oberelsass zu schaffen ?“
– Direction de l'information légale et administrative: Frage des elsässischen Referendums vom 7. April 2013[3]
Die Abstimmung am 7. April 2013 ergab das folgende Resultat:[14][15][16][17]
Insgesamt hatte eine Mehrheit der elsässischen Abstimmenden der Frage des Referendums zugestimmt, jedoch war es im Oberelsass mehrheitlich abgelehnt worden und aufgrund der geringen Wahlbeteiligung war mit 20,05 % der Wahlberechtigten das gesetzlich vorgeschriebene Quorum von mindestens 25 % nicht erreicht worden. Damit war das Projekt der Verwaltungsreform vorerst gescheitert.
Analyse des Abstimmungsergebnisses
Der überraschendste Aspekt des Ergebnisses war nicht die niedrige Wahlbeteiligung (die war schon vor dem Referendum als ein mögliches Problem gesehen worden), sondern der hohe Grad der Ablehnung im Oberelsass. In Meinungsumfragen vor der Abstimmung hatten sich auch dort eine Mehrheit der Befragten für die Annahme ausgesprochen. Der Straßburger Politologe Richard Kleinschmager vermutete verschiedene Gründe für das Scheitern des Referendums.[19] Zum einen seien viele politische Gruppierungen uneinheitlich aufgetreten, am deutlichsten die Sozialisten, die sich im Oberelsass für und im Unterelsass gegen die Annahme des Referendum ausgesprochen hatten. Im Oberelsass habe zudem die Sorge bestanden, durch den wirtschaftlich potenteren Norden dominiert zu werden. Außerdem bestehe in Frankreich seit langem eine Tendenz des konservativen Festhaltens an hergebrachten Verwaltungsstrukturen. So sei beispielsweise auch das Regionalisierungsreferendum unter Charles de Gaulle 1969 mehrheitlich abgelehnt worden, ebenso wie ein Regionalisierungsreferendum in Korsika 2003. Zudem sei die Tradition regionaler Selbstverwaltung in Frankreich noch relativ jung und ungewohnt. Obwohl die Regionen schon 1972 eingeführt wurden, gab es erst 1984 die ersten Wahlen zu den Regionalräten.
↑L'Alsace vers une collectivité unique. Französisches Innenministerium, abgerufen am 13. Dezember 2013 (französisch, Im Artikel 29 des Gesetzes zur Reform der Gebietskörperschaften hieß es: "une région et les départements qui la composent peuvent […] demander à fusionner en une unique collectivité territoriale exerçant leurs compétences respectives.").
↑Le PS divisé sur le référendum en Alsace. Agence Bretagne Presse, 31. März 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Oktober 2014; abgerufen am 13. Dezember 2013 (französisch).