Rüdiger Lainer wurde in Kaprun geboren, wo sein Vater Josef Lainer aufgrund seiner Vergangenheit in der Waffen-SS beim Bau der Kraftwerksgruppe Kaprun Zuflucht gefunden hatte.[1] Er studierte zwischen 1968 und 1971 Physik, Soziologie und Malerei in Wien und Paris, von 1970 bis 1978 Architektur an der Technischen Universität Wien und ist ab 1985 freischaffender Architekt in Wien. Seit 2005 betreibt er mit Oliver Sterl die Büropartnerschaft RLPRüdiger Lainer + Partner. Von 1995 bis 2006 lehrte er als Professor und Leiter der Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Mit seinem Büro hat Rüdiger Lainer Projekte unterschiedlicher Größenordnung und Thematik realisiert: Wohnbauten, Schulen, Kinos, Bürogebäude, Ausstellungen und städtebauliche Planungen, wie das Flugfeld Aspern (1995), das Strukturkonzept Nördliches Umfeld Gasometer in Wien-Simmering (1999) oder das Seeparkquartier in Wien-Aspern (ab 2011).
Rüdiger Lainer war Mitglied des Grundstückbeirats in Wien (1999–2002), des Gestaltungsbeirats von Krems (1996–99) und von Salzburg (2003–2007, Vorsitz seit 2004). Von 2006 bis 2017 war er Vorsitzender des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung in Wien. Diese Funktion übte er in Graz von 2012 bis 2016 aus. Von 1991 bis 2009 Vizepräsident der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und seit 2001 Vorstandsmitglied von Europan Österreich.
Werk
Nutzungsspielräume, Aneignungsflächen, Offenheit der Raumorganisation sind Begriffe, die in den Projekten und Texten von Lainer stetig präsent sind. „Die Beschäftigung mit der Stadt hat Rüdiger Lainer früh dahin geführt, Lebensprozesse nicht abschließend definieren zu wollen, sondern Entwicklungsfreiräume vorzusehen oder zumindest mitzudenken. Seine Architektur ist geprägt vom Wissen um die Stadt, um ihre Lebendigkeit, Vielschichtigkeit und Zufallsabhängigkeit“ und führt zu einer „gegenklassischen Haltung“ (Walter Zschokke, Architekt und Architekturkritiker, 1948–2009).
Das Interesse für soziokulturelle Prozesse und die Infragestellung festgefahrener Konzepte von Funktionen führt zu einem urbanen Paradigma von Architektur: „Ein gut organisiertes Haus ist wie eine Stadt anzulegen mit Straßen und Wegen, die zwangsläufig zu Plätzen führen, welche vom Verkehr ausgeschaltet sind, so dass man auf ihnen ausruhen kann.“ (Josef Frank: Das Haus als Weg und Platz, Wien 1931)
In den jüngeren Büro- und Wohnbauten kommen zunehmend freie Grundrisse und Raumbildungen zum Einsatz, in denen die Erschließungsflächen in Abstufungen unterschiedlicher Öffentlichkeit und Raumqualitäten ausgebildet sind. Die Neutralität von Nutzungsmöglichkeiten und die Anpassungsfähigkeit von Strukturen führt gleichzeitig zu einer Spezifität der Gebäudeformen und zu unerwarteten Raumbildern.
In einer zunehmend intensiven Ausprägung der Gebäudehüllen werden das „Ornament und die Tiefen der Oberfläche“ (so der Titel einer Ausstellung von Rüdiger Lainer in Berlin 2004) zu einem eigenständigen Bestandteil der Architektur: „Atmosphärisch aufgeladene Schichten unterschiedlicher Tiefe bilden die Hülle der Gebäude und schließen Raum, Programm und Strukturierungsprinzip zur architektonischen Form zusammen. […] Diese als Ornament lesbaren Systeme artikulieren als sinnliche Elemente Sprache, Form und Bedeutung…“ (Rüdiger Lainer). Neben einer betonten Artikulation der Materialien und Farben werden zunehmend auch pflanzliche Elemente (hängende Gärten, grüne Inseln im Inneren der Gebäude) einbezogen. Raumzonen, Schichten oder Screens verändern die Vorstellungen von „Fassade“ und führen zu neuartigen Elementen zwischen Stadtraum und Gebäude, in einer Bandbreite von Lösungen zwischen farbig verglasten Zwischenräumen und als Gebäudehülle vorgelagerten Texturen.
Sinnhaftigkeit und Grenzen städtebaulicher Regeln erfordern eine dauerhafte Beschäftigung mit Forschung, Planungstheorie und der Reorganisation von Planungsprozessen auf der Basis von „konkreter Utopie“ (Millenniumsworkshop 1996) und „instrumenteller Phantasie“ (Lainer 1999). Das Engagement für ein neues planerisches und städtebauliches Denken über den konkreten eigenen Entwurf hinaus realisiert sich seit zehn Jahren auch in einer intensiven Tätigkeit in Planungs- und Gestaltungsbeiräten.
Auswahl von Projekten
2024 Wohnhausanlage Waldrebengasse, Wien 22 (Baubeginn)
2023 Tirol Kliniken, Studie für eine städtebauliche Gesamtkonzeption, Innsbruck
2023 Nachhaltige Sanierung von Bestandsgebäuden, Wien
2021 Mehrparteienhaus Wilhelminenstraße, Wien 16
2020 Mehrparteienhaus Wieselburg, Wieselburg 3250
2019 Wohnhäuser Nordbahnhof (BF 5), Wien 02
2019 Wohn- und Bürogebäude Reininghaus, Graz 8020
2018 Wohnhausanlage und Hotel Biotope City, Wien 10
2017 Hochhaus Q-Tower im Quartier The Marks, Wien 3
2017 Wohnhausanlage Sonnwendviertel 2, Bauteil Ost, Wien 10
1994 Hauptschule der Stadt Wien, Absberggasse 50, Wien 10
1990 Umbau Hermanngasse 29, Wien 7
Forschung
2007–2008 Masterpläne für städtebauliche Entwicklungsvorhaben / Evaluierung – Vergleich. Strukturanalysen zur methodischen Weiterentwicklung des Instruments Masterplan. Im Auftrag der Magistrats-Abteilung 21 B, Wien.
2024 Architekturpreis der Stadt Wien „Gebaut 2023“ für „The Marks“
2022 competitionline 24. Platz im Wettbewerbsranking im deutschsprachigen Raum
2021 IBA-Projekt Biotope City und „the Brick“ sowie The Wild (NBH 5)
2021 NÖ Holzbaupreis 2021 in der Kategorie Außerhalb von Niederösterreich für HoHo Wien
2021 Winner Iconic Awards 2021 des Rates für Formgebung für „The Brick“
2021 Holzbaupreis Wien pro:Holz Austria „Wienwood 2021“ für HoHo Wien
2021 Architekturpreis der Stadt Wien „Gebaut 2020“ für „The Brick“
2020 Architekturpreis der Stadt Wien „Gebaut 2019“ für HoHo Wien
2019 Build Magazine für Most Innovative Architecture Studio – Austria und BUILD Excellence Award for High-Rise Building Renovations – Central Europe für HoHo Wien
1996 Biennale di Venezia - 6th International Exhibition of Architecture, Venedig, Sensing The Future - The Architect as Seismograph/Emerging Voices
1996 Innovative Austrian Architecture, Akademie der bildenden Künste Wien, Internationale Wanderausstellung, Thailand, Hongkong, Indien, Japan, Australien u. a.
1991 Biennale di Venezia - 5th International Exhibition of Architecture, Venedig. 13 Austrian Positions
Bibliographie
Sabine Gotthardt, Grohe Deutschland (Hg.) Wohnungsbau neu denken, Zwischen Existenzminimum und Luxus! Eigenverlag Porta Westfalica 2017
Liane Lefaivre, Rebel Modernist, Viennese Architecture since Otto Wagner, Lund Humphries, London 2017
Architekturzentrum Wien (Hg.), Ein Raum für Fünf. 20 Architektenjahre, Wien 2015
Architekturzentrum Wien (Hg.), Best of Austria - Austrias Beste Bauten, Architektur 2008_9, Wien 2010
↑ Dies ist in einem Nachruf auf Josef Lainer dokumentiert, der 2002 in der Zeitschrift "Der Freiwillige" veröffentlicht wurde und auf Metapedia abrufbar ist.