In den Schriften J. R. R. Tolkiens über Mittelerde wird eine Vielzahl von fiktionalen Sprachen erwähnt. Die bekanntesten sind Quenya und Sindarin, die von den dort lebenden Elben gesprochen werden. Es ist nicht ganz nachweisbar, ob Tolkien zuerst die Sprache erfand und sie anschließend in seinen Geschichten verewigte, oder ob es seine ursprüngliche Intention war, die Erzählungen durch die Sprachen zu bereichern.
Das Quenya war zwar nicht die erste Sprache, die Tolkien erfand (er hatte etwa bereits vorher eine Weiterentwicklung des Gotischen versucht), sie war aber die erste von denjenigen Sprachen, die er später in seine Mythologie integrierte. Im Jahr 1912 entdeckte Tolkien die finnische Sprache für sich. Er war so beeindruckt von dem Erlebnis, das ihm das Lesen des finnischen Nationalepos Kalevala verschaffte, dass er beschloss, auf Grundlage der finnischen Phonetik, die er als besonders schön empfand, eine eigene Sprache zu erfinden. Tolkien schrieb: „Im Grunde könnte man sagen, dass es auf einer lateinischen Basis komponiert ist, mit noch zwei weiteren (Haupt-)Ingredienzien, die mir nun einmal ein ‚phonästhetisches‘ Vergnügen bereiten: Finnisch und Griechisch.“[2]
Sprachliche Weiterentwicklung
Die sprachliche Weiterentwicklung geschieht über einen sehr langen Zeitraum in Tolkiens erschaffener Welt. Zuerst gibt es das Ur-Elbisch, die erste von den Elben gesprochene Sprache, die auch Primitives Quendisch genannt wird. Als die Elben dem Aufruf der Valar folgen, zu ihnen in den Westen zu kommen, spaltete sich ihre Sprache jedoch in die Dialekte der drei Elbenvölker auf (Vanyarin, Noldorin, Telerin). Aus einem dieser Dialekte entwickelte sich dort im Westen das Quenya der Noldor-Elben, während sich in Mittelerde das Sindarin herausbildete. So wurde schon im Ersten Zeitalter in Mittelerde zumeist Sindarin gesprochen. Im Dritten Zeitalter wurde Quenya fast nur noch für rituelle Zwecke oder in schriftlicher Form verwendet, so wie in Europa das Latein im Mittelalter oder das Sanskrit in Indien. So wurde beispielsweise das Verzeichnis der Namen der Könige in Quenya verfasst. Sindarin war hingegen die gesprochene Elbensprache; daher sind viele geografische Bezeichnungen und Namen im Herrn der Ringe auch auf Sindarin. Die Namen vieler Elben oder der Könige der Menschen aus Númenor entstammen jedoch überwiegend dem Quenya. Daneben gibt es noch das Waldelbisch, das sich ebenfalls aus dem Ur-Elbischen entwickelte. Es wurde sowohl in Lothlórien als auch im Düsterwald und im Elbenreich König Thranduils gesprochen.[3]
Ein Satz aus dem Quenya lautet:
“Elen síla lúmenn’ omentiëlvo.”
„Ein Stern erstrahlt über der Stunde unserer Begegnung.“
– J. R. R. Tolkien: Frodos Gruß an den Elben Gildor.[4]
Die Sprache ähnelt in Klang und Grammatik in mancher Hinsicht dem Finnischen, im Vokabular jedoch nicht. Tolkien hat das Quenya von allen seinen erfundenen Sprachen weitaus am besten dokumentiert; es ist daher relativ gut rekonstruierbar.
Quenya wird von den Elben als die Alte Sprache, die Hochsprache des Westens oder Hochelbisch bezeichnet und bezieht sich auf dessen Status einer Gelehrtensprache.
Charakteristik
Im Gegensatz zu seinem Nachfolger Sindarin kann Quenya als eine flektierende Sprache bezeichnet werden, die vom Finnischen inspiriert ist. Es kennt neun bis zehn (der Respektiv wird meist nicht verwendet) Kasus und vier Numeri und hat damit ein ausgeprägteres Deklinationssystem als die indogermanische Ursprache. Mit fünf Tempora, ohne distinktes Passiv sowie mit nur syntaktisch oder durch Partikeln angezeigten Modi ist die Verbalmorphologie jedoch – verglichen mit dem Indogermanischen – stark eingeschränkt.
Phonologie
Das Quenya kennt 32 Buchstaben, 20 Konsonanten und zehn Vokale.
Am Ende des Wortes wird stattdessen „-ë“ geschrieben, damit die Aussprache nicht mit dem stummen E in englischen Wörtern (z. B. made) bzw. dem Schwa in deutschen Wörtern (z. B. Tanne) verwechselt wird.
unbehaucht gesprochen, In der Romanisierung des Herrn der Ringe steht immer c. In anderen Werken und seinen privaten Notizen verwendet Tolkien zum Teil auch die an das Finnische angelehnte Schreibung k.
Tolkien hat in seiner eigenen Aussprache zwei allophone Varianten: [ɾ] zwischen Vokalen, [r] in den meisten anderen Fällen (sowie [ɹ] als Schwachstufe).[18]
wurde am Wortanfang zu v, in Zusammensetzungen steht aber noch immer das w wie bei Eärwen aus eär (Ozean) und -wen (Frau).
1
Es handelt sich um diakritische Zeichen, die hier auf einem (unausgesprochenen) Trägerzeichen platziert sind, aber in einem Wort in der Regel mit dem vorhergehenden Tengwa verbunden sind. Für Details zur Schreibweise siehe Hauptartikel Tengwar.
Grammatik
Nomen
Quenya kennt vier Numeri, welche alle durch das Anhängen von Suffixen gebildet werden: den Singular, den „normalen“ Plural, den Partitiv-Plural, welcher vermutlich sowohl einige als auch viele bedeuten kann, und den Dual, der für zwei Dinge von etwas steht.
Instrumentalis (bezeichnet das für die Handlung verwendete Mittel)
Respektiv (vermutlich ein zweiter Lokativ im Quenya)
Die Kasus werden durch das Anhängen von Suffixen gebildet. Hierbei werden die Substantive in verschiedene Klassen eingeteilt, die sich vorwiegend in die vokalische und die konsonantische Klasse aufteilen. Die Substantive der einen Gruppe enden auf Vokalen (-a, -ë, -ië, -i, -o oder -u) und die der anderen auf Konsonanten. Zusätzlich gibt es Nomina, die im Nominativ Singular eine spezielle Form besitzen, die nicht – wie normalerweise – gleich dem Stamm ist. Ein Beispiel hierfür ist das Wort „olos“. Es bedeutet auf Deutsch Traum. Wenn es nun beispielsweise in den Nominativ Plural gesetzt wird, wechselt das „s“ zu einem „r“ (Rhotazismus): „olori“, die Träume. Auch für alle anderen Formen wird der Stamm „olor-“ gebraucht.
Die reinsten vokalischen Deklinationen sind die -u- und die -ië-Deklination. Sie besitzen exakt die gleichen Formen, abgesehen vom Stammvokal. Alle anderen vokalischen Deklinationen weichen mehr oder weniger stark von diesen „Musterdeklinationen“ ab.
Ein konsonantenstämmiges Wort, das keine Abweichungen von der normalen konsonantischen Deklination zeigt, ist beispielsweise „coron“, Ball.
Die konsonantische Deklination: „coron“ (Ball)
Kasus
Singular
Dual
Plural
Partitiver Plural
Nominativ
coron
coront
coroni
coroneli
Genitiv partitiv
corono
coronto
coronion
coronion
Genitiv possessiv
coronwa
corontwa
coroniva
coronelí
Dativ
coronen
coronten
coronin
coronin
Akkusativ
corón
corónt
coroni
coróneli
Allativ
coronenna (coronna)
coronenta
coroninnar
coroninnar
Ablativ
coronello
coronelto
coronillor
coronillor
Lokativ
coronessë
coronetsë
coronissen
coronissen
Instrumental
coronenen
corontenen
coroninen
coroninen
Im Unterschied zur -u-Deklination, deren Stamm-u sich durch die ganze Deklination hält, ändern sich die Vokale, die nur Bindevokale sind, in der konsonantischen Deklination. Häufig wird im Singular und Dual das „e“ verwendet und im Plural „i“, falls ein Vokal nötig ist. Nicht ganz geklärt ist der Allativ Singular. Es könnte sein, dass sich die Endung mit dem Stamm zusammengezogen hat, was zur Folge hätte, dass die -n-Deklination eine eigene Deklination wäre.
Es ist schwierig, die konsonantischen Wörter in typische Klassen zu unterteilen, wie es bei den vokalischen gemacht wird, da es nicht nur auf den Endkonsonanten des Wortes ankommt, sondern auch andere Unregelmäßigkeiten auftreten können, wie z. B. der schon oben genannte „Zweistamm“. Außerdem kann in vielen Fällen eine Endung durch Assimilation des Endkonsonanten mit dem Stamm verwachsen, so dass es für jeden Konsonanten eigene Ausnahmen gäbe.
Eine besondere Dualform besitzen sicher jene Substantive der vokalischen Deklination, die vor dem Endvokal ein „d“ oder „t“ besitzen und ebenfalls solche Substantive, deren Stamm auf ein „d“ oder „t“ auslautet. Durch die ganze Dualdeklination setzt sich dies fort. Dies hat zur Folge, dass vokalische und konsonantische Wörter die gleichen Endungen tragen. Ein Beispiel ist das Wort „haryat“, Schuh. Hier dessen Dual-Konjugation (die anderen Formen folgen demselben Muster wie „coron“):
Der d-/t-Stamm: „haryat“ (Schuh)
Kasus
Dual
Nominativ
haryatu
Genitiv partitiv
haryatuo
Genitiv possessiv
haryatuva
Dativ
haryatuen
Akkusativ
haryátu
Allativ
haryatunna
Ablativ
haryatullo
Lokativ
haryatetsë
Instrumental
haryatuenen
Artikel
Es existiert nur ein Artikel „i“, der bestimmte Artikel. Er ist in Singular und Plural gleichlautend und wird nicht flektiert.
Verben
Konjugationsklassen
A-Konjugation (auch A-Verben): Verben der A-Konjugation sind die Verben, die auf „-a“ enden. So genannt, weil der Stamm auf -a endet, z. B. lanta- fallen oder ranya- wandern.
Konsonantische Konjugation (auch Stamm-Verben; einfache Verben): Verben der Konsonatischen-Konjugation sind die Verben, die auf einen Konsonanten enden. So genannt, weil der Stamm auf einen Konsonanten endet, z. B. quet- sagen, tul- kommen oder tir- sehen.
Zeiten
Verben werden mittels Suffixen in die fünf verschiedenen Tempora des Quenya konjugiert.
Aorist: (vergleichbar mit dem englischen Simple Present, nicht dem griechischen Aorist) A-Verben hängen einfach die Endungen an (lantanye ich falle, ranyalye ihr wandert). Stamm-Verben fügen ein -i- als Fugenvokal ein: quetinye ich spreche, tulitye du kommst, tirimme wir sehen.
Präsens: (vergleichbar mit dem englischen Present Progressive) A-Verben ersetzen ihr finales -a durch -ea und fügen die Endungen an: lanteanye ich falle, ranyeatye du wanderst. Stamm-Verben längen ihren Vokal und fügen die Personalendungen nach dem Fugenvokal -a- ein: quétanye ich sage, túlamme wir kommen, tíralve ihr seht.
Präteritum: A-Verben fügen -ne und danach die Personalendungen an: lantanenye ich fiel, ranyanemme wir wanderten. Stammverben auf -r, -m oder -n fügen ebenfalls -ne an: tirnetye du sahst. Stammverben auf -l fügen -le an: tullenye ich kam. Stammverben auf -p, -t oder -c ersetzen diesen letzten Konsonanten durch -mpe, -nte oder -nce: quentelve ihr spracht.
Perfekt: Bei allen Perfektformen wird der Stammvokal als Augment vor den Stamm gestellt. A-Verben ersetzten das finale -a durch -ie, A-Verben auf -ya ersetzen die ganze Endung: alantienye ich bin gefallen, araniemme wir sind gewandert. Stammverben fügen ebenfalls -ie an und längen ihren Stammvokal: equétietye du hast gesagt, utúlienye ich bin gekommen und itírielve ihr habt gesehen.
Futur: Das Futur wird durch Anhängen von -uva gebildet (wieder wird bei A-Verben das finale -a verloren): lantuvatye du wirst fallen, quetuvanye ich werde sagen, tiruvamme wir werden sehen.
Die Verneinung wird entweder durch das negative Verb umë oder durch das Partikel lá erreicht.
Numeri; Personen
Wenn das Subjekt des Satzes ein Nomen ist, so wird nur der Numerus unterschieden.
Ursprünglich wurde der Plural im Elbischen durch das Anhängen eines »-i« gebildet. Für Substantive, die im Stamm auf einem Vokal (a, o, u) enden, änderte sich im Quenya die Pluralendung zu »-r«. Nur jene Substantive, die auf einem »-e« oder einem Konsonanten enden, bilden daher noch die Pluralform »-i«.
Singular
Plural
Wortbedeutung
Pluralbildung
alda
aldar
Baum / Bäume
+r
Rína, Rianna
Rínar, Riannar
gekrönte Königin(nen)
+r
noldo
noldor
Weiser, Weise
+r
quendu
quendur
Sprecher
+r
Aran
Arani
König(e), Adlige(r)
+i
Tur
Túri
König(e)
+i
Tar, Tár, Táro
Tári
König(e), Zar(en)
+i
Rince
Rinci
gekrönte Königin(nen)
Umwandlung e zu i
los, losse
lossi
Schnee, weiße Blütenblätter
Umwandlung e zu i, oder +si
coron, corone, coronde
coroni, corondi
runde(r) Hügel, Kugelform(en)
Umwandlung e zu i, oder +i
Táre, Tári
Tári, Tárië
Königin(nen), Zarin(nen)
Umwandlung e zu i, oder +ë
tál, tale, tále
táli, talli
Fuß / Füße
Umwandlung e zu i, oder +i, +li
Manchmal werden männliche Substantive durch anhängen von »-e« oder »-i« zu weiblichen Formen, beispielsweise bei Tár = König, Táre, Tári = Königin. Bei der Form auf »-i« kann nicht mehr zwischen Tári = Könige und Tári = Königin(nen) unterschieden werden, so dass dieses Wort eher als Königliche übersetzt werden müsste.
Neben Singular und Plural gibt es im Quenya eine Dualform. Dabei wird zwischen zahlenmäßigen Dualen (Verdoppelung) »-t« oder »-at« und natürlichen Paaren (gleicher oder ähnlicher Art) »-u« unterschieden. Oftmals wird jedoch die Endung verwendet, die im Satz besser klingt. Natürliche Paare sind beispielsweise hendu ‚Augen‘, quanu ‚Ohren‘, tálu ‚Füße‘, aber ebenso napat, tolpat ‚zwei Finger‘ oder ‚Daumen‘ und mapat ‚zwei Hände‘.
Eine Verdopplung wird ebenfalls mit einem Präfix yú- erreicht, yúyo ist ‚zweifach‘, wie im Wort yucale, was ‚Zwielicht‘ bedeutet. Es wird oft in der Form atyucale genutzt, wobei zusätzlich noch das Präfix at- vorangestellt wird, also ‚zweites Zwielicht‘. Hiermit ist der Abend gemeint. Ursprünglich bezog sich diese Bezeichnung auf das Licht der Zwei Bäume in Valinor, die abwechselnd jeweils zwölf Stunden leuchteten. Wenn der eine Baum dunkler wurde und der Andere heller, bildete sich zweimal am Tag diese Mischung aus goldenem und silbernem Licht. Weitere Präfixe sind »yo-«, »yó-« oder »o-«, beispielsweise im Wort yomenna- ‚zusammenkommen‘ oder omentië ‚Zusammenkunft‘, das können jedoch mehr als zwei Parteien oder Leute sein. Diese Präfixe stehen also mehr für ein miteinander oder gemeinsam mit mehreren, wie in diesem Beispielsatz.
Ist das Subjekt des Satzes ein Pronomen wird eine Pronominalendung an das Verb gehängt. Diese werden im folgenden Abschnitt erklärt.
Pronomen
Personalpronomen:
Singular
Plural
1. Person
-nyë (ich)
-lvë / -lmë / -mmë (wir)
2. Person informell
-tyë (du)
-ccë (ihr)
2. Person formell
-lyë (Sie)
-llë (Sie)
3. Person
-ro (er) / -rë (sie) / -ryë (er, sie, es)
-ntë (sie)
Dabei gilt -nye für ‘ich’, -tye für ‘du’, -mme für ‘wir’ und -lye für ‘ihr’. Es existieren verschiedene Pronomen, die von Tolkien häufig geändert wurden, und daher teilweise rekonstruiert werden müssen. Diese werden im Allgemeinen, wie z. B. im Ungarischen, als Suffixe angehängt. Bemerkenswert ist, dass das Quenya sowohl zwischen inklusivem und exklusivem „wir“ unterscheidet (-lmë/-lvë) (wie z. B. die dravidischen und austronesischen Sprachen), als auch ein duales „wir“ (= „[nur] du und ich“) kennt (-mmë) (wie die philippinischen Sprachen).
Possessivpronomen (als Endungen an Nomen):
Emphatisch
Endung
Beispiel
Kurz
1. Person sg.
ninya
-(i)nya
atarinya = mein Vater
-n
Dual
venyat
-(i)nqua
atarinqua = unser (beider) Vater (inkl.)
–
menyat
-(e)mma
ataremma = unser (beider) Vater (exkl.)
2. Person sg.
tenya (†)
-(e)tya
ataretya = dein/Euer Vater
-t
lenya
-(e)lya
atarelya = Dein/Euer Vater (formell)
-l
Dual
lanyat (Dual)
-(e)sta
ataresta = euer beider Vater
–
3. Person sg.
senya
-(e)rya
ararerya = sein/ihr Vater
-s
Dual
tenyat (Dual)
-(e)tta
ataretta = beider Vater
–
1. Person pl.
venya, menya
-(e)lva
atarelva = unser Vater
2. Person pl.
lenya
-(e)lda
atarelda = ihr Vater
3. Person pl.
tenya
-(e)nta
atarenta = euer Vater
Adjektive
Adjektive werden im Quenya meist vor das Substantiv gestellt. Sie werden nur gegebenenfalls in den Plural gesetzt (auch das nicht in jedem Fall), weisen also keine KNG-Kongruenz auf. Wie im Deutschen werden viele Adjektive auch aus zusammengesetzten Worten beispielsweise ‚reinblütig‘ oder ‚hochadlig‘ gebildet.
Beispiele für eine Adjektivbildung:
Wurzel AYA/AYAN/AYAR/AIN
heilig
genauere Bedeutung
englisches Adjektiv
aina, ayan, ainima
heilig, -ima sehr heilig
es kann von sich aus heilig sein oder wurde für heilig erklärt
holy, prayed, awful, revered
aira, airea
geheiligt, angebetet, verehrt, ehrfürchtig
es ist unzweifelhaft heilig, man verehrt es
prayerful, airing, prious, devout
aista, aistana
geheiligt, anbetungswürdig, gepriesen sein
man hat Ehrfurcht vor diesen heiligen Dingen oder Wesen
holy, saintly, sacred, prayfully
aistalea
ehrerbietig, ehrfürchtig, respektvoll
so, wie man sich dem Heiligen gegenüber benimmt
prayerful, airing, worshipful, respectful
Ein aina Faire ist entsprechend ein ‚heiliger Geist‘, wobei das Wort Faire von einer Wurzel PHAY/SPHAN/FAYA abgeleitet ist, die sterben, trennen beinhaltet, also die Seele eines Verstorbenen oder nicht körpergebundenen Geistes meint. Es gibt eine Vielzahl von Adjektiven, die oft auf -a enden.
Adjektiv
Wurzel
Bedeutung
wo findet sich die Eigenschaft
istya
IS/ITH
wissend
man hat das Wissen selbst, ist weise
inwisti
INK/INIK/WIS/GWIS
wissend
im Wissen, in Kenntnis von, man weiß es oder hat davon gehört
laica
LAIK/LAK/LAIKA
durchdringend, scharf
im Bezug auf das Hör- oder Sehvermögen oder Klingen
laica
LÂYAK/LAS/LAWA/LAYA
ergrünend, gedeihend
es ist sichtbar, die Bäume entfalten ihr Laub
Obwohl das Adjektiv laica eine identische Schreibweise hat, entstammt es zwei unterschiedlichen Wurzeln und hat daher mehrere Bedeutungen.
laicahenya bedeutet ‚scharfäugig‘, ‚scharfsichtig‘ oder ‚mit stechendem Blick‘, hendu sind ‚zwei Augen‘.
laicalassea oder lasselaica ist ‚grünbelaubt‘, ‚grünblättrig‘ oder ‚blattgrün‘, ‚laubgrün‘. Es kann aber ebenfalls ‚scharfsichtig‘ sein, weil das Wort lasse/laste auch ‚Sicht‘ bedeutet.
laicahlastea kann hingegen auch ‚scharfohrig‘ oder ‚spitzohrig‘ heißen, da die Wurzel LAS sowohl zu Blatt als auch zu Ohr gehört.
Daher ergeben sich manche Wortbedeutungen oftmals erst aus dem Satzzusammenhang oder sie umschreiben ganze Gruppen von Eigenschaften. Wenn von dem Elben Laicolas, Laicalasse (Quenyaschreibweise des Namens Legolas) gesprochen wird, so kann er beispielsweise durch dieses Wort vielfältig charakterisiert werden. Er ist scharfsinnig, was seine Augen, Ohren und seinen Verstand angeht, aber auch ein Freund des grünen Laubes (Waldelb) und möglicherweise noch etwas grün hinter den Ohren, also ein noch relativ junger Elb. Und all das in einem Wort zusammengefasst.
Eine Steigerungsform des Adjektivs wird oftmals durch das Anhängen des Suffixes ‚-ima‘ oder das Voranstellen des Präfixes ‚an-, am-‘ erreicht.
Adjektiv
Präfix an-
Suffix -ima
Präfix + Suffix
calya
ancalya
calima
ancalima
leuchtend
leuchtender, sehr hell leuchtend
leuchtender, heller leuchtend
am hellsten leuchtend, am leuchtendsten
Das ist bei dem Ausruf Frodos „Aiya Earendil Elenion Ancalima!“ – „Siehe, Earendil, der Sterne Allerhellster!“ zu erkennen.
Elbische Namen
Es gibt mehrere Arten von Elbischen Namen.
Ataresse – Vaternamen, den der Vater für das Kind auswählt und der meist auch als Rufname benutzt wird.
Amilesse, Mamilesse, Emilesse – Mutternamen, die auch Name der Voraussicht oder der Erkenntnis heißen, weil sie etwas über den späteren Charakter oder Eigenschaften aussagen.
Epesse, Anesse – Ehrennamen, Eigenschaftsnamen, Nachname oder Beiname beispielsweise die Anmutige oder der Große.
Yalme, Yame – Rufnamen, Kosenamen.
Cilmesse – Wahlnamen, die man selbst auswählt.
Dazu noch ein System der Namensgebung das sich folgendermaßen gliedert:
Essecarme – die Namensschöpfung oder Namenskreation, beispielsweise eine Wortzusammensetzung.
Essecilme – die Namensgebung oder Namenswahl.
Essecenta – Namenserkennung oder Namenserkenntnis, die besonders auf Mutternamen zutrifft.
Wird für ein Kind ein Name wie Ambarto ‚Rotschopf‘ gewählt, wie der sechste Sohn Feanáros (Sindarin Feanor) mit Mutternamen hieß, so weissagt man ihm eine wechselvolle Zukunft, denn dieses Wort bedeutet auch ‚der Schicksalhafte‘ weshalb er auch Umbarto ‚Ungewisses Schicksal‘ genannt wurde. Daher wurde er meist mit seinem Vaternamen Pityafinwe ‚Kleinster Finwe‘ oder auf Sindarin Amrod ‚der Rotschopf‘ gerufen, um das Schicksal nicht herauszufordern. Zwillinge tragen meist Namen mit einer identischen Bedeutung, so hieß sein Bruder Ambarussa oder Ambartan (Sindarin Amras), was ebenfalls ‚Rotschopf‘ bedeutet. Sein Vatername war Telufinwe ‚Letzter Finwe‘. Natürlich hatten beide rote Haare.
Helmut W. Pesch: Elbisch. Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache von J. R. R. Tolkien. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2003, ISBN 3-404-20476-X.
Helmut W. Pesch: Elbisch Lern- und Übungsbuch der Elben-Sprachen von J. R. R. Tolkien. Bastei Lübbe, 2004, ISBN 3-404-20498-0.
J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Klett-Cotta, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-608-93830-2.
Helmut W. Pesch: Das große Elbischbuch – Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens mit Anhängen zu den Sprachen der Zwerge und Orks. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2009, ISBN 978-3-404-28524-2.
↑Ein Text auf Quenya, geschrieben in Tengwar. J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-93222-4, Abschied von Lórien, S.406 (Originaltitel: The Lord of the Rings. Übersetzt von Wolfgang Krege).
↑Laurence J. Krieg: Tolkien’s Pronunciation: Some Observations. In: Jim Allen (Hrsg.): An Introduction to Elvish. Bran’s Head Books, 4/1995, S. 158.
↑Helmut W. Pesch: Elbisch für Anfänger – Lern- und Übungsbuch (= Bastei-Lübbe-Taschenbuch. Band17336). Bastei Lübbe, Köln 2015, ISBN 978-3-404-17336-5, S.364.