Preußen – Versuch einer BilanzDie Ausstellung Preußen – Versuch einer Bilanz wurde vom 15. August bis zum 15. November 1981 von den Berliner Festspielen im Martin-Gropius-Bau präsentiert. Sie war der Höhepunkt der sogenannten Preußen-Ausstellung 1981, die ohne den Anlass eines Jubiläums einen großen Erfolg hatte und damit einen Paradigmenwechsel in der historischen Betrachtung Preußens einleitete. VorgeschichteNachdem im Juni 1977 der Regierende Bürgermeister von Berlin, Dietrich Stobbe, eine Preußen-Ausstellung für 1981 in Berlin angeregt hatte, wurde über das Konzept und die Ausrichtung der Ausstellung jahrelang heftig gestritten. Im Herbst 1977 griff der Verleger Wolf Jobst Siedler die Idee in einem Gespräch mit einem skeptischen Helmut Schmidt auf. Auch wurde über eine preußisch-polnische Ausstellung debattiert. Doch in Polen, das ungefähr die Hälfte des ehemaligen preußischen Staatsgebietes innehat, wollte man von einem preußischen Erbe nichts wissen. Franz Josef Strauß fürchtete ein „ideologisch gestimmtes Zerrbild“ der Ausstellung.[1] Doch die Zeichen für eine geschichtliche Renaissance Preußens waren überdeutlich sichtbar: 1978 wurden z. B. die Statuen der Siegesallee ausgegraben und zunächst nur gesichert. 1979 stellte Sebastian Haffner ein beidseitiges historisches Defizit im Nachkriegsdeutschland fest, als er in seinem Buch Preußen ohne Legende zu dem Schluss gelangte, dass es „gewiss in den heutigen deutschen Staaten noch viele Ex-Preußen gebe, die manches an ihrem einstigen Staat Charakteristische schmerzlich vermissen: in der Bundesrepublik die strenge preußische Ordnung und Redlichkeit, in der DDR die trockene preußische Liberalität und Gedankenfreiheit.“ 1980 wies der englische Historiker Hannsjoachim W. Koch[2] in seiner Monographie Geschichte Preußens darauf hin, dass zwar Einigkeit darüber bestehe, dass der preußische Staat untergegangen sei, aber keineswegs darüber, welche zeitliche Dimension er einnehme. Wann entstand Preußen? Wann ging Preußen unter? Von welchem Preußen ist dann die Rede und was ist sein Erbe? Da über diese Fragen keine Einigung erzielt werden konnte, erlangte die Formel von Werner Knopp mit Blick auf die im Mai 1981 gelaufene Fernsehsendung: Preußen – Ein Prozeß in fünf Verhandlungen äußerte, Konsens darüber, was man nicht sein sollte: Die Ausstellung dürfe kein „Preußentempel“, aber auch kein „Gerichtssaal“ werden. Stobbe war dagegen um die gemeinsame geschichtliche Identitätsstiftung der Geschichte in Berlin bemüht:
Simultan zu der Entwicklung in West-Berlin und Westdeutschland begann auch das Preußenbild der DDR sich zu wandeln. Im November 1980 kam es zur Wiederaufstellung des Reiterstandbildes von Friedrich dem Großen in der Straße Unter den Linden. Die Anordnung ging von Erich Honecker aus, der bereits in einem zuvor gegebenen Interview mit Robert Maxwell Friedrich II als den „Großen“ bezeichnet. Dies war ein Novum in der DDR und ließ aufhorchen. Im selben Jahr erschien die Biographie „Friedrich II. von Preußen“ von Ingrid Mittenzwei.
AusstellungZunächst sollte die Ausstellung im vakanten Reichstagsgebäude stattfinden, wo bereits die Ausstellung Fragen an die deutsche Geschichte gezeigt wurde. Doch schien den Verantwortlichen die Nähe zu einem staatlichen Dienstgebäude – 1971 wurde das Viermächteabkommen über Berlin geschlossen, das den Reichstag für Sitzungen des Bundestages ausschloss – zu konfliktgeladen. Daher entschied man sich für den noch nicht gänzlich fertiggestellten Martin-Gropius-Bau, direkt hinter der Mauer nach Ostberlin, in dem vom 13. März bis 17. Mai 1981 die Ausstellung „Karl Friedrich Schinkel – Werke und Wirkungen“ zu sehen war. Der Generalsekretär und eigentliche Macher der Ausstellung war Gottfried Korff, dem der Mannheimer Professor für Neue Geschichte Manfred Schlenke in wissenschaftlichen Fragen konsultierend zur Seite stand. Der spätere Bundespräsident und seit dem 11. Juni 1981 amtierende Regierende Bürgermeister von West-Berlin Richard von Weizsäcker eröffnete am 15. August die Ausstellung „Preußen – Versuch einer Bilanz“. Mehr als 2000 Artefakte wurden in den dreißig Räumen, die noch immer den Charme eines Rohbaus hatten, gezeigt. Leihgaben kamen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und England. Vierzig Prozent der Ausstellungsstücke wurden aus West-Berliner Archiven und Museen oder aus Privatbesitz zusammengetragen, wie etwa die Preußischen Kronjuwelen aus dem Schloss Charlottenburg. Die Preußen-Ausstellung, die besonders viele Besucher von außerhalb der Inselstadt anlockte, entwickelte sich mit etwa 450.000 Besuchern zu einem unerwarteten riesigen Erfolg, der praktisch in seiner gesamten Dauer Berlin vereinnahmte und davor, währenddessen und danach zahlreiche begleitende und ergänzende Veranstaltungen initiierte. Das Kaiserpanorama, der Moses-Mendelssohn-Pfad und das Kaiserdenkmal mit Sockel zählten zu den Publikumsmagneten. Dabei sollte gezeigt werden, dass Preußen „an vielen Entwicklungen in der Geschichte der Deutschen seinen fördernden und hemmenden Anteil“ hatte. Vor allem wurden die geschichtlichen Stereotype der Nachkriegszeit vom militaristischen Untertanengeist kritisch hinterfragt und es begann eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Rolle Preußens in der deutschen Geschichte. FolgenIm Rückblick ist man darüber einig, dass diese Ausstellung einen Wendepunkt in der historischen Rezeption des preußischen Staates in beiden deutschen Staaten als Fixpunkt einer deutschen Identitätsbildung einleitete und damit die Wiedervereinigung beflügelte. In der Folge erschienen in beiden Staaten zahlreiche Publikationen, Filme und Ausstellungen, die die Bewertung des Staates Preußen – nach eigenem Standpunkt – neu zu bestimmen versuchten, z. B.: West
Ost
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Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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