Dieser Artikel behandelt die Straße in den Berliner Ortsteilen Tiergarten und Schöneberg. Zur Potsdamer Straße in Berlin-Zehlendorf siehe Berlin-Potsdamer Chaussee.
Die Potsdamer Straße ist ein Teil der ehemaligen Reichsstraße 1 von Aachen nach Königsberg. Sie wurde 1790–1792 als eine der ersten KunststraßenPreußens befestigt. Entgegen der Kriegsweisheit von Friedrich II. „Je schlechter die Straße, desto schwieriger kommt der Feind auf ihnen voran“, beauftragte erst dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. den Architekten Carl Gotthard Langhans, der auch das heutige Brandenburger Tor entworfen hat, die Straße zwischen Berlin und Potsdam zu befestigen, zu schottern und mit Alleebäumen zu säumen.
Seit 1830 hatte der Banko-Assistent Samuel Ewald Leddihn Äcker zwischen dem Botanischen Garten (dem heutigen Kleistpark) und dem Lützower Weg (der heutigen Lützowstraße) aufgekauft und erreichte erfolgreich die Umwandlung in Bauland.
Die Gemeinde Alt-Schöneberg stimmte dem Verkauf ihres vorfeudalen „Vieh-Gemenge-Rechts“ – der sogenannten Huthbefreiung – zu: Von nun an konnte sie kein Vieh mehr auf den neuen Baugrundstücken weiden lassen. Mitstimmungsberechtigt war auch der preußische Militärfiskus, der parallel zur Potsdamer Straße im Jahr 1837 die erste preußische Eisenbahnlinie (die Stammbahn) zwischen Potsdam und Berlin mit seinem Potsdamer Bahnhof eröffnet hatte.
Am 3. Mai 1841 wurde ein Teil der Potsdamer Chaussee zwischen dem Landwehrgraben und dem Botanischen Garten in Potsdamer Straße umbenannt.[3]
In der Potsdamer Straße 131 gab es bis zum Jahr 1855 das VergnügungsetablissementMöwes Blumengarten, zu dem neben den Blumenbeeten auch kleine Sommerferienhäuschen gehörten. Das Gelände wurde danach parzelliert und über die Fläche ließ der Berliner Magistrat die Eichhornstraße und die Schellingstraße anlegen.[4]
Mit dem Verkehrsturm am Potsdamer Platz wurde am 15. Dezember 1924 die erste Ampel im Deutschen Reich in Betrieb genommen. Sie war damals umstritten, weil es zunächst niemand einsah, von einem Lichtsignal Anweisungen entgegennehmen zu müssen. Eine Rekonstruktion des Verkehrsturms steht seit 1997 wieder an der historischen Stelle.
Die Hausnummern wurden 1937 von der Hufeisen- auf die heutige Orientierungsnummerierung umgestellt. Bis dahin wurden die Häuser, beginnend mit der Nummer 1 auf der Nordwestseite, fortlaufend gezählt. Seit der Umstellung sind die ungeraden Nummern auf der südöstlichen Straßenseite und enden mit 203 (früher: 205) an der Einmündung Großgörschenstraße.
Mit der Teilung der Stadt durch den Mauerbau im Jahr 1961 endete das nördliche Ende der Potsdamer Straße unmittelbar an der Berliner Mauer. Konsequent setzte der West-BerlinerSenat den von Hans Scharoun entworfene Neubau der Staatsbibliothek quer über den historischen Straßenverlauf und verschwenkte die Potsdamer Straße nach Nordwesten auf die Viktoriastraße. Nach der Wiedervereinigung Berlins ist das abgeschnittene Teilstück zum Potsdamer Platz als Alte Potsdamer Straße reaktiviert worden und heute eine durch viele Fußgänger belebte Nebenstraße zum Marlene-Dietrich-Platz.
In den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Potsdamer Straße zwischen der Lützow- und der Pallas- Ecke Goebenstraße zum Rotlichtviertel, in dem die Prostitution in entsprechenden Nachtclubs blühte. Erst Ende der 1980er Jahre begann sich dieses Image für das genannte Teilstück der Straße zu verlieren.
Am 22. September 1981 wurde der Demonstrant Klaus-Jürgen Rattay auf der Potsdamer Straße unterhalb der Hochbahntrasse von einem Linienbus erfasst und verstarb.[5] Eine Gedenktafel im Bürgersteig an der Potsdamer /Ecke Bülowstraße erinnert daran.
Personen
Fleischermeister Johann Cassel räucherte um 1880 in seinem Geschäft im Haus Potsdamer Straße 15 gepökeltes Schweinefleisch, das er „Geräucherter Schweinerücken à la Berlinoise“ nannte, und das später unter der Bezeichnung Kasseler bekannt wurde.[6][7]
In dem unter Denkmalschutz stehenden, 1905–1906 vom Architekten Rudolf Zahn erbauten Haus Nr. 45 (seit 1937: Nr. 116)[8] wohnte Marlene Dietrich als Kind (Gedenktafel von Rolf Hemmerich, 2005).
Am 3. Oktober 1872 bezog Theodor Fontane mit seiner Frau Emilie und seiner Tochter Martha seine letzte Wohnung im sogenannten „Johanniter-Haus“, Potsdamer Straße 134c. Das graue Haus mit Vorgarten lag auf der Ostseite der Straße, zwischen Eichhornstraße und Potsdamer Platz, auf dem Grundstück der heutigen Staatsbibliothek und trug seit 1899 eine Gedenktafel. Es musste 1906 einem Geschäftshaus weichen, das im Jahr 1937 die Hausnummer 15 erhielt und im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer fiel. Seine „mehr als einfachen Wohnräume“ lagen im obersten dritten Geschoss rechts. Fontane wohnte dort bis zu seinem Tode am 20. September 1898.
Joseph Goebbels übernahm 1926 die Leitung des NSDAP-Gaus Berlin-Brandenburg im Haus Nr. 35 (seit 1937: Nr. 97).
Von 1897 bis 1903 betrieb der Verleger Axel Juncker im Haus Nr. 11 (alte Zählung) seine auf skandinavische Literatur spezialisierte Buchhandlung.
Erik Spiekermann betreibt im Haus Potsdamer Straße 98 eine kleine Druckerei, in der er eine Sammlung von Andruckpressen und Satzschriften verwahrt.[9][10] Die Büros seiner Agentur edenspiekermann_ befinden sich im Haus Nr. 83.[11]
Gebäude und Denkmäler
Überblick
Die Hausnummernzählung beginnt und endet am Potsdamer Platz. Sie erfolgt im Zickzack, auf der Nordwestseite alle ungeraden, auf der Südostseite alle geraden Nummern. Die Nummerierung lief bis Nummer 142 im (heutigen) Ortsteil Mitte, die weiterführenden Hausnummern gehör(t)en zum damaligen Bezirk Schöneberg. In den 1930er Jahren gab es eine größere Umnummerierung.
Folgende geschichtsträchtige Bauwerke standen entlang dieser Straße oder wurden nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet:
Nr. 188–192: Die Gebäude, die bis August 2008 die BVG als Hauptverwaltung nutzte, wurden 1938/1939 nach Entwürfen des Architekten Artur Vogdt errichtet. Nach den Planungen der Nationalsozialisten hätten diese Gebäude am Ende einer Sichtachse von der Nord-Süd-Trasse durch die zu verbreiternde Großgörschenstraße gestanden. Die Entwürfe mussten deshalb dem Generalbauinspektor für die ReichshauptstadtAlbert Speer vorgelegt und von ihm genehmigt werden. Der Gebäudeblock Potsdamer Straße 188–190 diente anfangs als Verwaltungsgebäude für die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen, das Haus Potsdamer Straße 192 als Verwaltungsbau für die Deutsche Milchwirtschaft. Luftangriffe der Alliierten auf Berlin im November 1943 im Zweiten Weltkrieg führten zur vollkommenen Zerstörung der alten BVG-Hauptverwaltung in der Köthener Straße Ecke Potsdamer Straße 11.[12] Nach dem Krieg, im Juni 1945 zog die BVG in das Gebäude Potsdamer Straße 188–190. Die Übernahme des Nachbargebäudes Nr. 192 erfolgte erst später.
Erwähnenswert ist das Kammergericht in der Elßholzstraße, an die Potsdamer Straße grenzend, in dessen Räumen der Volksgerichtshof getagt hatte wo und unter anderem die Attentäter um Claus Schenk von Stauffenberg 1944 zum Tode verurteilt wurden. Im selben Gebäude saß bis 1949 der Alliierte Kontrollrat, der teilweise Regierungsfunktion ausübte. 1972 wurde dort das Vier-Mächte-Abkommen unterzeichnet und bis in die 1980er Jahre wurden einige Amtsstuben für die Flugsicherung der Alliierten benutzt. Nach seiner Restaurierung in den 1990er Jahren wird das Gebäude wieder als Kammergericht genutzt.
Von 1972 bis 2019 befand sich in der zweiten Etage das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Berlins, das Drugstore.[16][17]
Ab den 1980er Jahren befand sich zusätzlich der Jugendclub Potse im selben Stockwerk. Von 2019 bis 2021 besetzte der Jugendclub Teile des zweiten Geschosses.[18]
Nr. 96: war zuerst ein Kino, zwischen 1972 und 1989 als Konzertraum Quartier Latin genutzt. Seit 1992 befindet sich das Varieté Wintergarten hier, das seinen Anfang in der Friedrichstraße genommen hatte.
Unweit der Potsdamer Brücke über den Landwehrkanal befindet sich auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße seit dem Jahr 2000 ein Denkmal von Gerhard Rommel für den Droschkenkutscher Gustav Hartmann, der als „Eiserner Gustav“ in die Berliner Geschichte eingegangen ist.
Die im Rahmen des Kulturforums, eines Konzepts aus dem Wettbewerb Hauptstadt Berlin von 1958, errichteten Gebäude:
Das Sony Center mit seinem großen futuristischen Dach.
Das Vox-Haus (ehemals: Potsdamer Straße 10), von dem aus 1923 die erste deutsche Rundfunksendung produziert wurde. Das Gebäude wurde – nach starker Beschädigung im Zweiten Weltkrieg – schließlich im Jahr 1971 abgerissen.
Potsdamer Straße 5 (seit den 1990er Jahren Alte Potsdamer Straße 5): Weinhaus Huth[12]
Ehemalige Institutionen
Ernst Rowohlt hatte seinen Verlag direkt am Landwehrkanal.
Der Verleger Samuel Fischer empfing seine Autoren an der Ecke Bülowstraße.
Das traditionsreiche Lebensmittel- und Delikatessengeschäft Scheurich und Patzke an der Ecke Alvenslebenstraße, das in den 1980er Jahren schloss.
Die traditionsreiche – seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestehende – juristische Fachbuchhandlung Struppe und Winckler, deren Besitzer Bernhard Hildebrand in den 1920er Jahren Lesungen mit Thomas Mann und Hanns Heinz Ewers organisierte. Nach dem Mauerfall ist die Buchhandlung an den Gendarmenmarkt gezogen.
Potsdamer Straße 138: das Antiquariat Wolfgang Staschen.[19][20]
Potsdamer Straße 157: Das ehemalige K.O.B., ein vormals besetztes Haus, war beliebter Treffpunkt und Partylocation der Schöneberger Hausbesetzerszene in den 1980er Jahren sowie ehemaliger Wohnsitz des Schriftstellers Klaus Schlesinger und des Journalisten Frank Nordhausen.
Der Türkische Basar, ein Flohmarkt, der auf dem zu Zeiten der Berliner Mauer stillgelegten Hochbahnhof Bülowstraße eingerichtet worden war, nach dem Mauerfall aber der nunmehr wieder fahrenden U-Bahn-Linie U2 weichen musste.
Bis zum 2. Oktober 2009 wurden in der Potsdamer Straße die Zeitung Der Tagesspiegel, das 14-täglich erscheinende Stadtmagazin zitty sowie die wöchentlich dreimal erscheinende Anzeigenzeitung Zweite Hand herausgegeben. Der Verlag ist nach Kreuzberg zum Askanischen Platz 3 umgezogen. Das Gelände der ehemaligen Tagesspiegel-Druckerei wurde anschließend von dem Architektenduo Pierre Jorge Gonzalez und Judith Haase umgebaut und wird heute unter anderem von der Londoner Galerie Blain Southern genutzt sowie von Andreas Murkudis, dem Bruder von Kostas Murkudis, als Concept Store.[21][22][23]
Seit 2003 findet jährlich Anfang September die magistrale – Kulturnacht in der Potsdamer Straße als Präsentation künstlerischer Aktivitäten im gesamten Bereich der Potsdamer Straße statt.
Potsdamer Straße 131: Das Sendezentrum von Power Radio. Von hier aus sendeten auch schon Radio 100,[24]Energy Berlin, Radyo Metropol FM und Hundert,6. Vor dem Sendezentrum, nahe der Potsdamer Straße Ecke Bülowstraße, steht ein (sprechendes) Denkmal, aufgestellt auf Veranlassung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, das an den Start des ersten Privatsenders Radio 100 in Berlin im Jahr 1987 erinnert.
Im ehemals besetzten Haus Potsdamer Straße 157 befand sich an der Stelle des ehemaligen K.O.B. das Ex’n’Pop.[25]