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Als planetare Verteidigung (englisch planetary defense) werden Pläne bezeichnet, die Menschheit durch technische Methoden und Maßnahmen vor extraterrestrischen Bedrohungen des Planeten Erde zu schützen. Dabei handelt es sich entweder um den Einschlag eines sehr großen Meteoriten (auch Impakt genannt) oder den möglichen Einfall von intelligenten außerirdischen Lebensformen (Invasion). Im Gegensatz dazu geht es beim planetaren Schutz (Planetary Protection) um die Verhinderung eines unabsichtlichen Eindringens von Lebensformen in eine andere Biosphäre (Kontamination).
Eine potentielle Gefahr wäre ein astronomisches Ereignis, wie der Einschlag eines erdnahen Objektes auf der Erde oder eine Detonation eines derartigen Objektes in der Erdatmosphäre.[1][2] Abhängig von Beschaffenheit, Masse, Dichte, Druckfestigkeit, Aufprallwinkel bzw. der lokalen geologischen Beschaffenheit des Einschlaggebietes könnte schon ein Objekt mit 10 Metern Durchmesser aufgrund seiner Orbitalgeschwindigkeit und der zusätzlichen Beschleunigung, die es durch die Erdanziehung erhält, beträchtlichen Schaden verursachen.[3][4] Aus astrodynamischen Gründen können Objekte Kollisionsgeschwindigkeiten von mehr als 72 km/s erreichen und verfügen dadurch über eine erhebliche kinetische Energie und im ungünstigsten anzunehmenden Fall über ein enormes Zerstörungspotential.[5][6][7][8] Beim Eintritt in die Atmosphäre entstehen ballistischeSchockwellen.[9]
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Kollisionen verschieden großer Objekte mit der Erde, wie z. B. dem KT-Impakt vor 66 Mio. Jahren.[13] Sichtbare Spuren und fossile Überreste von Einschlagkratern finden sich an vielen Orten auf der Erde.
Auch in jüngster Zeit kam es zu extremen Annäherungen und Beinahe-Kollisionen, sog. Near-Miss-Szenarien, wie z. B. bei (4581) Asclepius oder (612901) 2004 XP14, (308635) 2005 YU55, 2009 DD45 und 2019 OK.[14][15][16] Die Vorwarnzeiten im Falle einer Kollision wären in manchen Fällen sehr kurz gewesen, wie bei 2014 AA, oder die Objekte wurden sogar erst nach ihrem Vorbeiflug entdeckt, wie bei 2018 AH, 2002 MN und (4581) Asclepius.[17]
1908 kam es zu einer Detonation in der Atmosphäre (englisch air burst) über Tunguska in Sibirien. Forscher gehen davon aus, dass ein Objekt mit einem Durchmesser von vermutlich 50 m in einer Höhe von etwa 8 bis 12 km explodierte und dabei Energien von 15 bis 20 Megatonnen TNT freisetzte.[18] Explosionen und Fragmentierungen von Boliden werden jedes Jahr detektiert.[19] Bis 2009 stellte die US Air Force Wissenschaftlern Infrarot-Beobachtungsdaten aus dem Defense Support Program zur Verfügung.[20]Infraschall-Messstellen der CTBTO registrierten im Zeitraum 2000 bis 2013 insgesamt 26 Ereignisse zwischen 1 und 600 kT.[21] Von 1994 bis 2013 wurden weltweit 556 Bolidenereignisse detektiert.[22] Der Meteor von Tscheljabinsk trat mit einer Geschwindigkeit von etwa 19 km/s in die Erdatmosphäre ein, fragmentierte in einer Höhe von etwa 45 km und setzte bei dem folgenden Airburst in einer Höhe von 30 bis 27 km ein TNT-Äquivalent von mehr als 500 kT frei.[23] Auch auf dem Erdmond kommt es jedes Jahr zu Einschlägen.[24][25]
Invasion durch außerirdische Lebensformen
Ein weiteres Bedrohungsszenario wäre eine Invasion durch möglicherweise existierende, aggressive, feindliche außerirdische Lebensformen.[26][27] Dieses Szenario findet sich in vielen Variationen in der Science-Fiction-Literatur und entsprechenden Filmen. Bislang ist nicht bekannt, ob extraterrestrisches Leben in irgendeiner Form existiert, Forschungsbemühungen der Astrobiologie und die Suche nach außerirdischer Intelligenz blieben bisher erfolglos. Dennoch sehen manche Forscher ein Risiko in der Bedrohung durch aggressive außerirdische Zivilisationen.[28][29] Der Astronom Alexander Saizew prägte den Begriff Darth-Vader-Szenario – benannt nach einer Szene bzw. den Figuren aus Star Wars – für eine kriegerische Auseinandersetzung, bei der die Menschheit von einer außerirdischen Zivilisation angegriffen wird.[30][31][32]
Beim Jahrestreffen der AAAS 2015 forderten Forscher, vermehrt Projekte mit Botschaften an Außerirdische (aktives SETI) zu betreiben und systematisch Signale in den Weltraum zu senden.[37] Gegner dieser Methode wiesen erneut auf enorme potentielle Konsequenzen und Implikationen hin.[38][39]
2011 veröffentlichten die Planetary Science Division der NASA und die Pennsylvania State University eine Studie, die auch verschiedene Invasions- und destruktive Erstkontakt-Szenarien thematisierte.[40]
Forscher bezeichnen diese theoretisch möglichen Ereignisse mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit, aber gegebenenfalls weitreichenden Konsequenzen, auch als High-Impact/Low-Probability (HILP) events, black swan events[41] oder als Wild Card.[42][43]
Abwehrstrategien und Projekte gegen Asteroiden
Zukünftige Abwehrstrategien umfassen land-, see- und luftgestützte Waffensysteme, Weltraumwaffen, Energiewaffen und Railguns, aber auch bemannte und unbemannte Raumfahrtmissionen.[45][46][47][48] 2007 wurde eine mögliche Asteroidenabwehr bzw. eine Bahnablenkung mit Kernwaffen diskutiert und untersucht.[49][50] Für den eventuellen Fall einer Asteroidenabwehr setzte die US-Regierung die für 2015 geplante Demontage von einigen nuklearen Gefechtsköpfen aus.[51] 2015 vereinbarten NASA und National Nuclear Security Administration eine Kooperation.[52] Die Nasa und die Iowa State University entwickelten ein Konzept für ein Hypervelocity Asteroid Intercept Vehicle (HAIV).[53][54] Auch der Einsatz von UAVs wird erforscht.[55] Im Oktober 2010 empfahl eine NASA-Arbeitsgruppe, der auch Rusty Schweickart, ein ehemaliger Astronaut angehörte, die Gründung einer Behörde für Planetare Verteidigung, das Planetary Defense Office.[56][57][58][59]
Projekte zur Himmelsüberwachung wie beispielsweise NEAT, LINEAR, LONEOS, CSS, CINEOS, Spacewatch versuchen, erdnahe Asteroiden und ähnliche Objekte zu entdecken. Für das Suchprojekt NEOWISE wurde das WISE-Weltraumteleskop genutzt.[64] Um etwaige Risiken besser bewerten und einstufen zu können, wurden die Turiner Skala, die Palermo-Skala und Impakt- und Kollisions-Monitoring-Systeme wie NEODyS und Sentry konzipiert.[65][66] NASA und die University of Hawaii betreiben das Frühwarnsystem ATLAS (Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System),[67][68] mit dem Asteroiden ab 100 Meter Durchmesser drei Wochen vor dem Aufschlag auf die Erde erkannt werden können.[69]
Seit einigen Jahren gibt es Bestrebungen auf internationaler Ebene, die Risiken und Gefahren, die von erdnahen Objekten und einem Einschlag ausgehen, zu evaluieren. Das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen und der Weltraumausschuss der Vereinten Nationen gründeten u. a. Arbeitsgruppen, wie das UN Action Team 14, die sich mit der Thematik befassten.[70][71] Mit der Einrichtung der Space Mission Planning Advisory Group (SMPAG) 2013 stellte das Action Team seine Arbeit ein und wurde 2015 aufgelöst.[72]
Die International Academy of Astronautics hielt 2009 die erste Konferenz (Protecting Earth from Asteroids) in Spanien ab, weitere 2011 in Bukarest (From Threat to Action),[73] 2013 in Flagstaff,[74][75][76] 2015 am ESRIN in Frascati, Italien[77] und 2017 in Tokyo, Japan.[78] 2019 simulierten interdisziplinäre Organisationen, verschiedene Szenarien in Washington, D.C.[79][80][81]
Auf einer Konferenz über die Möglichkeit und Erfordernisse für Asteroidenbergbau am California Institute of Technology im September 2011 sah Rusty Schweickart als größte Herausforderung für eine Asteroidenabwehr nicht erforderliche Technologie und Technik, sondern das gegenwärtige menschliche Unvermögen zu internationaler Zusammenarbeit und Kooperation.[86][87][88] Auch andere Forscher, wie z. B. Claudio Maccone, sehen im Aufbau einer globalen Asteroidenabwehr eine internationale Notwendigkeit und Herausforderung.[89]
Von Januar 2012 bis September 2017 suchte das internationale Forschungsprojekt NEOShield/NEOShield 2 unter Leitung der DLR nach Möglichkeiten zur Abwehr von Asteroiden.[90][91]
Im Juni 2012 wurde im UN-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums über die Gestaltung eines Informations-, Analyse- und Warnnetzwerkes beraten.[92][93]
Februar 2013 fand eine weitere Beratung des Scientific and Technical Subcommittees statt, dessen Empfehlungen 2014 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgestellt werden.[94] Die Forscher der Vereinten Nationen konkretisierten den Aufbau eines internationalen Frühwarnnetzwerkes (International Asteroid Warning Network – IAWN) und schlugen vor, die Bevölkerung besser über etwaige Bedrohungen und Konsequenzen eines Impaktes zu informieren.[95][96] Eine RAND-Studie aus dem Jahr 2005 hält eine Geheimhaltung eines möglichen bevorstehenden Impaktereignisses bis zum letztmöglichen Zeitpunkt vor der allgemeinen Bevölkerung für unumgänglich, um etwaige Maßnahmen und Vorbereitungen durchführen zu können.[97]
2011 begannen die Planungen von ESA, NASA, und andere Organisationen an der gemeinsamen Asteroiden-Abwehrmission, AIDA – Asteroid Impact & Deflection Assessment, bei der verschiedene Abwehrkonzepte, wie z. B. ein Impaktor, konzipiert wurden.[98] Das Ziel des Projektes war der erdnahe Doppelasteroid (65803) Didymos[99][100]. Am 26. September 2022 schlug die am 24. November 2021 gestartete NASA-Sonde DART (Double Asteroid Redirection Test, englisch für „Doppelasteroiden-Ablenkungstest“)[101] auf Dimorphos, dem kleineren Begeiter von Didymos, ein. Anschließend wurde überprüft, wie stark sich die Umlaufbahn von Dimorphos um seinen Mutterasteroiden dadurch verändert hatte. Am 11. Oktober 2022 gab die NASA bekannt, dass man mit dem Manöver die Umlaufzeit von Dimorphos von 11 Stunden 55 Minuten um 32 Minuten auf 11 Stunden 23 Minuten verkürzt, also den kleineren Asteroiden näher an Didymos herangebracht hatte. Außerdem war bei dem Einschlag eine große Menge Geröll ausgeworfen worden, das einen kometenartigen, etwa 10.000 km langen Schweif bildete.[102][103]
Die Hera-Mission der ESA soll 2027 beim Asteroiden eintreffen und das System genauer nach Aufbau, Massen und Zusammensetzung, sowie auf die Auswirkungen des Einschlags von DART untersuchen.
Die NASA begann auf dem Areal des Kennedy Space Centers mit dem experimentellen Projekt ‘KaBOOM’ (Ka-Band Objects Observation and Monitoring). Dabei werden vorerst drei 12-Meter-Radioteleskope verwendet. Ziel dieses Proof of Concept ist es, mit radarastronomischen Methoden, Objekte in Entfernungen zwischen 0.5 und 1 AU zu detektieren.[108]
Im April 2013 kündigte die US-Raumfahrtbehörde NASA die New Asteroid Initiative an, bei der die Erforschung eines kleinen Asteroiden in situ geplant ist. Als ideales Zielobjekt bezeichnete Charles Bolden einen etwa 500 Tonnen schweren und sieben bis zehn Meter großen Himmelskörper.[109][110] Die Mission soll auch Erkenntnisse über zukünftige Ablenkungs- und Abwehrmaßnahmen von Objekten bringen.[111][112][113] Juni 2013 begann die „Asteroid Grand Challenge“, in der die NASA andere Raumfahrtorganisationen, wissenschaftliche und private Institutionen und die interessierte Öffentlichkeit einlud, Vorschläge einzubringen, wie potentiell gefährliche Asteroiden detektiert, klassifiziert und abgelenkt werden könnten.[114][115][116] Im Januar 2014 wurden erste Vorschläge und Empfehlungen veröffentlicht.[117][118] Im März startete das Crowdsourcing-Projekt Asteroid Data Hunter, ein mit einem Preisgeld dotierter Programmierwettbewerb, bei dem NASA und Planetary Resources interessierte Softwareentwickler einlud, bei der Entwicklung eines Algorithmus zu helfen, um damit zukünftig Asteroiden in Beobachtungsdaten erdgebundener Teleskope schneller finden zu können.[119][120]
Anfang des Jahres 2016 richtete die NASA eine Koordinationsstelle für planetare Verteidigung und Katastrophenhilfe nach einem Asteroiden- oder Meteoriteneinschlag ein, das PDCO (Planetary Defense Coordination Office).[124][125]
Stand der Wissenschaft ist, dass von größeren Asteroiden derzeit keine Gefahr ausgeht, da sie fast alle bekannt und ihre Bahnen genau vermessen sind. Mittelgroße Erdbahnkreuzer werden sehr wahrscheinlich viele Male so nah vorbeikommen, dass sie entdeckt und über Jahrzehnte beobachtet und ggf. mit sehr sanften Methoden abgelenkt werden können,[132] wenn die Beobachtungsprogramme großzügig ausgebaut werden.[133] Für Kometen trifft das nicht zu. Die Vorwarnzeit bleibt absehbar sehr gering, sodass heutige Technik wirkungslos wäre. Gleichzeitig sei die Trefferrate so gering, dass die Entwicklung einer geeigneten Abwehr kommenden Generationen überlassen werden kann.[132]
Im Juni 2018 veröffentlichte die Regierung der Vereinigten Staaten den Near-Earth Object Preparedness Strategy and Action Plan.[134]
Im September 2020 vereinbarten NASA und die United States Space Force eine engere Kooperation im Bereich Planetary Defense.[135]
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