Das Personal im KZ Auschwitz, meist Lager-SS oder Totenkopf-SS genannt, wurde zwischen Mai 1940 und Januar 1945 in den verschiedenen nationalsozialistischen Auschwitz-Konzentrationslagern zur Bewachung und Organisation des Lagerbetriebs von der Inspektion der Konzentrationslager (IKL) eingesetzt. Das Lagerpersonal beging dort Morde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zum Teil Kriegsverbrechen und andere kriminelle Handlungen. Dazu gehörten in kleiner Zahl auch Personen, die nicht den SS-Totenkopfverbänden angehörten. Die personellen Strukturen waren einheitlich für alle Konzentrationslager durch die IKL vorgegeben.
Insgesamt waren im Zeitraum der Einrichtung des KZ Auschwitz im Mai 1940 bis zu dessen Auflösung im Januar 1945 fast 10.000 Angehörige der Lager-SS bei den Wachmannschaften außerhalb des Lagers oder als Aufseher direkt im Lagerbereich eingesetzt. Das Instytut Pamięci Narodowej (IPN), das staatliche polnische Institut für Nationales Gedenken, erarbeitete aus den erhaltenen schriftlichen Quellen eine Datenbank, die 9686 SS-Männer im KZ Auschwitz verzeichnet.[1] Im Januar 2017 wurde der Zugang zur Datenbank im Internet freigeschaltet.[2] Die Einträge lassen sich u. a. nach Namen durchsuchen.[3]
Aufgrund stetiger Versetzungen kam es zu einer hohen Personalfluktuation, durchschnittlich verrichteten 3000 bis 4000 SS-Angehörige im Lagerkomplex Auschwitz ihren „Dienst“. Die höchste Anzahl von Angehörigen der Lager-SS wurde im Zuge der Evakuierung des Lagers im Januar 1945 mit 4481 Personen erreicht, als die Todesmärsche von KZ-Häftlingen begannen.[4]
Angehörige der Lager-SS erhielten u. a. durch Umzugsbeihilfen erhebliche Vergünstigungen. Das Lagerpersonal war u. a. mit Familien teils in Unterkünften im Stammlager des KZ Auschwitz untergebracht, aber auch in Wohnhäusern nahe dem Lagerareal, die zuvor von der örtlichen polnischen Bevölkerung konfisziert worden waren. Im Zuge des Ausbaus des Lagerkomplexes war 1941 auch eine eigene SS-Siedlung geplant. Zur „Ablenkung“ vom Lageralltag wurden den Angehörigen der Lager-SS u. a. kulturelle Veranstaltungen, wie z. B. Kameradschaftsabende angeboten.[4]
Organisatorische Gliederung des KZ-Komplexes Auschwitz
Der KZ-Komplex Auschwitz umfasste zeitweise drei eigenständige Konzentrationslager und 39 oder mehr Außenlager. Die unterschiedlich benannten Neben- oder Außenlager waren dabei entweder dem KZ Auschwitz I oder dem KZ Monowitz (Auschwitz III) zugeordnet.
Das KZ Auschwitz I (Stammlager) war ab Mai 1940 das erste Konzentrationslager am Ort und diente dann als Verwaltungszentrum für den gesamten Lagerkomplex.
Das KZ Auschwitz II (Birkenau) wurde im Jahr 1941 errichtet und war von November 1943 bis November 1944 eine relativ eigenständige Einheit, wurde aber danach wieder mit dem Stammlager in einer Verwaltungseinheit zusammengefasst.
Richard Baer, Kommandant des KZ Auschwitz I (Stammlager), zusätzlich ab Ende November 1944 des KZ Auschwitz II (Birkenau)
Juli 1944 bis Januar 1945
Die beiden ersten Standortältesten bekleideten diese Funktion jeweils zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Kommandanten des Stammlagers. Im Mai 1944 ordnete Oswald Pohl als Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes (WVHA) einen Wechsel der im KZ-Komplex Auschwitz eingesetzten Lagerkommandanten an und ernannte gleichzeitig den inzwischen zum Abteilungsleiter im WVHA aufgestiegenen Rudolf Höß zum Standortältesten. In dieser Funktion organisierte er die sogenannte "Ungarn-Aktion", den Massenmord an den ungarischen Juden,[5] daneben war er mit der Einarbeitung der damals gerade neu eingesetzten Lagerkommandanten Richard Baer (für das Stammlager) und Josef Kramer (für das KZ Auschwitz-Birkenau) befasst.[6] Nachdem Höß den KZ-Komplex Auschwitz im Juli 1944 verlassen hatte, übernahm Baer auch die Funktion des Standortältesten.
Abteilungsstruktur
Wie in den übrigen deutschen Konzentrationslagern gab es auch in den Lagern von Auschwitz im Wesentlichen fünf Abteilungen, die unterschiedliche lagerbezogene Aufgaben wahrnahmen. Die strikte Hierarchie ermöglichte Ausbildung, Aufstieg der Tätergruppe innerhalb des Systems und teilweise in Konkurrenz zueinander. Die Einteilung der jeweiligen Abteilungen richtete sich nach der Größe der KZ.
Abteilung I: Kommandanturen
Der jeweilige Leiter der Abteilung I war innerhalb des Konzentrationslagers die oberste Instanz. Als jeweiliger Lagerkommandant war er Befehlshaber der Wachmannschaften und des anderen von der SS eingesetzten Personals.
Neben seiner Befehlsgewalt gab es aber immer auch Befehlsstrukturen der Inspektion der Konzentrationslager, die für eine Einbindung des Lagerbetriebs und -personals in das Gesamtsystem der Ausbeutung der KZ-Häftlinge und deren Ermordung sorgten. Der Kommandantur war u. a. auch die Postzensurstelle zugeordnet. In den KZ-Außenlagern gab es keinen Kommandanten, sondern einen dem Kommandanten des Stammlagers (also KZ Auschwitz I bzw. KZ Auschwitz III) untergeordneten „Lagerführer“.
Im November 1943 teilte das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) die zentrale Kommandantur der Konzentrationslager von Auschwitz auf. In diesem Zuge wurde Höß im November 1943 ins WVHA nach Berlin versetzt.
November 1943 bis Januar 1945 – KZ Auschwitz I (Stammlager)
Abteilung II: Politische Abteilung (Lager-Gestapo)
Diese berüchtigte Abteilung II (Politische Abteilung) konnte ziemlich eigenständig arbeiten. Sie entschied über Einweisung, Verlegung, Entlassung, Bestrafungen und Exekutionen der Gefangenen. Leiter war immer ein Angehöriger des SS-Sicherheitsdienstes oder ein Beamter der Gestapo oder Kriminalpolizei. Seine Stellung in der Lagerhierarchie war ambivalent, da er einerseits den disziplinarischen und administrativen Anordnungen des Lagerkommandanten Folge zu leisten hatte, andererseits aber in der Ausübung seiner Dienstpflichten nur seinen übergeordneten Dienststellen der Gestapo unterstellt war. Seine wesentlichen Aufgaben umfassten die Bekämpfung der Lagerwiderstandsbewegung, die Verhinderung von Fluchten und Kontakten zur Außenwelt, das Anfertigen und Verwalten von Häftlingskarteien sowie die Korrespondenz mit der Gestapo, Kriminalpolizei und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA).
Der Leiter der Schutzhaftlagerführung war gleichzeitig Stellvertreter des Kommandanten. Er führte in der Regel den amtlichen Schriftverkehr mit über- und untergeordneten Dienststellen. Ihm unterstanden Rapportführer, Blockführer und Kommandoführer. Sie bewachten innerhalb des Lagers und in den Außenkommandos und Nebenlager die Zwangsarbeiten. Sie hatten Befehlsgewalt über Funktionshäftlinge und Häftlinge. Bei den Funktionshäftlingen wurde das System von Aufstieg, gestaffelter Macht und Konkurrenz konsequent weitergeführt.
Diese Abteilung war zunächst der Abteilung III Schutzhaftlager zugeteilt. Erst ab Mitte April 1942 wurde diese Abteilung eigenständig durch einen Schutzhaftlagerführer E, den Arbeitseinsatzführer, geleitet. In dieser Abteilung wurden der Häftlingsarbeitseinsatz koordiniert und verwaltet. Dem Arbeitseinsatzführer waren die Arbeitsdienstführer unterstellt. Im KZ Auschwitz-Birkenau und dem KZ Auschwitz-Monowitz gab es keine eigenständige Abteilung IIIa. Die dortigen Arbeitsdienstführer waren dem Schutzhaftlagerführer E im Stammlager unterstellt.
An der Spitze stand der SS-Verwaltungsführer. Abteilung IV regelte die Versorgung mit Kleidung und Lebensmitteln. Das beschlagnahmte Eigentum der Häftlinge wurde hier verwaltet.
Zur Abteilung V (Sanitätswesen) gehörten die KZ-Ärzte und Pfleger des Krankenreviers. Ihre frühe Aufgabe war die Überwachung des Gesundheitszustandes der Häftlinge. In späteren Jahren entwickelte sich zunehmend die Einlieferung ins Krankenrevier als Todesurteil. Tötungen mittels Phenolinjektionen, teils tödliche medizinische Versuchsreihen, unnötige Operationen zu Übungszwecken wurden in den Baracken des Krankenreviers durchgeführt. Der Lager- und SS-Standortarzt stellte nach der Ermordung von Häftlingen nachträglich Totenscheine mit natürlicher Todesursache aus. Er veranlasste die unmittelbare Einäscherung der Toten, die anfangs in einem Krematorium außerhalb des Lagers durchgeführt wurde, erst in späteren Jahren im lagereigenen Krematorium. Für SS-Personal war der Lagerarzt auch gleichzeitig der örtliche Standortarzt.
Die Truppe bildete die eigentliche Wachmannschaft des KZ. Die Wachkompanie war für die Außensicherung des KZ verantwortlich, wurde teils auch im inneren KZ-Bereich eingesetzt. Im Stammlager des KZ Auschwitz I. waren die 1. – 4. SS-Totenkopfwachkompanie und 2 Stabseinheiten, in Auschwitz II (Birkenau) waren die 6. – 8. SS-Totenkopfwachkompanie und eine Stabseinheit sowie die Hundestaffel, in Auschwitz III (Monowitz) waren die 5. und die Buna SS-Totenkopfwachkompanie stationiert.
Der größte Teil der Wachmannschaft waren Angehörige der SS-Totenkopfverbände. Gegen sie, sowie gegen die SS-Führer und gegen sonstiges Lagerpersonal, insbesondere die Lagerärzte aber auch einige Funktionshäftlinge, gab es in der Nachkriegszeit eine Reihe von Gerichtsverfahren in der Tschechoslowakei, in Österreich und Polen, in den Niederlanden, in Israel, in der DDR und in Deutschland. In Deutschland fanden folgende Prozesse statt, die anfangs noch von den Militärgerichten der Alliierten geführt wurden:
Der erste Bergen-Belsen-Prozess vor einem britischen Militärgericht in Lüneburg gegen die SS-Führer des KZ Bergen-Belsen vom 17. September bis 17. November 1945 betraf auch im KZ Auschwitz begangene Verbrechen. Da ein Teil der Angeklagten zuvor im KZ Auschwitz tätig gewesen war, wurde bei diesen die Anklage neben der Verhandlung der Verbrechen in Bergen-Belsen auch auf die Verbrechen im KZ Auschwitz ausgedehnt. Daher kann dieser Prozess auch als ein erster Auschwitz-Prozess bezeichnet werden.
1961: Eichmann-Prozess, Jerusalem (Eichmann war jedoch kein Mitglied des SS-Lagerpersonals von Auschwitz)
1963–1968: Sechs deutsche Verfahren, die Frankfurter Auschwitzprozesse (1963/1965 der 1. und 1965/1966 der 2. Auschwitzprozess sowie 4 Nachfolgeprozesse in den 1970er-Jahren)
2015: Prozess in Lüneburg gegen Oskar Gröning, dem sogenannten „Buchhalter von Auschwitz“. (Seit dem Prozess gegen John Demjanjuk im Jahr 2011 war es zu einer juristischen Neubewertung von Beihilfe zum Massenmord gekommen.)
2016: Prozess vor dem Landgericht Detmold gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning (da von Hannings Verteidiger Revision gegen das gefällte Urteil eingelegt worden war, zog Hannings Tod 2017 die Einstellung des Strafverfahrens nach sich, sodass das Urteil nicht rechtskräftig wurde)
Wacław Długoborski, Franciszek Piper (Hrsg.): Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Verlag Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oswiecim 1999, 5 Bände: I. Aufbau und Struktur des Lagers. II. Die Häftlinge – Existentzbedingungen, Arbeit und Tod. III. Vernichtung. IV. Widerstand. V. Epilog.ISBN 83-85047-76-X.
Karin Orth: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Pendo Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-85842-450-1.
Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3.
Thomas Grotum: Das digitale Archiv – Aufbau und Auswertung einer Datenbank zur Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz. Campus, ISBN 3-593-37481-1.
Norbert Frei u. a.: Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz. Band 1: Standort- und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz 1940–1945. Saur Verlag, München 2000, ISBN 3-598-24030-9.
↑ abNorbert Frei u. a.: Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, Band 1: Standort- und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz 1940–1945, München 2000, Einleitung
↑Karin Orth: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Hamburg 2002, S. 256f.
↑Karin Orth: Die Konzentrationslager-SS, München 2004, S. 247.
↑Martin Broszat (Hrsg.): Kommandant in Auschwitz, München 1963, S. 91. Fußnote: Eintrag in Personalakte von Rudolf Höß.
↑Reinhard Tenhumberg: Fries Jakob. In: Internetseite der Familie Tenhumberg. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. November 2017; abgerufen am 12. April 2018.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tenhumbergreinhard.de