Schwerpunkte sind neben der Funktion als Wohnort die Bereiche Weinbau und Tourismus. Der deutsch-französische Dichter René Schickele aus dem Elsass, teilweise als der „erste europäische Dichter“ bezeichnet, nannte die Gegend um das ehemalige Dorf auch „Pforte zur himmlischen Landschaft“.
Niederweiler liegt am Westausgang des Klemmbachtals aus dem Schwarzwald in die Vorbergzone des Markgräflerlandes zwischen dem nördlich gelegenen, weinbaulich genutzten Innerberg sowie dem südlich gelegenen, waldbedeckten Ölberg; etwa zwischen dem Zufluss des Seltenbaches (am Ostende, von Badenweiler her) und dem des Rammisbaches (am Westende, von Lipburg-Sehringen [zu Badenweiler] kommend) in den Klemmbach, knapp einen Kilometer oberhalb des durch eine Grünzäsur getrennten Stadtrandes von Müllheim.
Das im Klemmbachtal oberhalb Niederweiler gelegene Dorf Oberweiler wurde im Zuge der Gemeindereform der Gemeinde Badenweiler zugeschlagen.[2]
Geschichte
Als früheste Siedlungsspuren wurden 1952 im Rahmen einer Rebumlegung im GewannRust zwei alemannischeGrablegungen zu Tage gefördert.[3]
Schriftlich zum ersten Mal erwähnt wurde der Begriff Niederweiler im Jahr 774 im Rahmen einer Stiftungsurkunde eines Reginberts zugunsten des heiligen MärtyrersN(azarius) im Lorscher Güterverzeichnis des Klosters Lorsch, und zwar als Teil einer villaner marka (lat., dt. etwa GemarkungWeiler) mit den Bereichen Nieder-, und Ober-, östlich von Müllheim.[4]
Eigenständig als Ortsname taucht Niederweiler als Niderwilare erstmals in der Mitte des 12. Jahrhunderts auf: als Teil einer Schenkung in einem Zinsrodel des Klosters St. Peter im Schwarzwald.[5]
Die Lage am Klemmbach machte im Laufe der Zeit neben der üblichen handwerklichen, land- und weinwirtschaftlichen Tätigkeiten den Betrieb mehrerer wassergetriebener Mühlen und Sägewerke möglich, darunter auch eine Gipsmühle; davon zeugen heute verschiedene Flurnamen.[6]
Im November 1942 wurde der polnische ZwangsarbeiterJulian Garlewicz nach einer so genannten „Sonderbehandlung“ durch die Gestapo im Rahmen der Polenerlasse bzw. der Polenstrafrechtsverordnung ohne Gerichtsverhandlung zum Tode durch den Strang „verurteilt“- wie Hunderte Andere in seiner Lage unter der „Anklage“, einen intimen Kontakt zu einer deutschen Frau eingegangen zu haben. Er wurde im Alter von 27 Jahren in einem Steinbruch im Gewann Stellerain im Tal Richtung Lipburg südlich von Niederweiler erhängt. Laut Angabe des Niederweiler Bürgermeisters Bertold Meyer vom 8. Januar 1946 wurde der Leichnam des Gehenkten von der damaligen Geheimen Staatspolizei („Gestapo“) in die Anatomie der Universität in Freiburg verbracht.[7] 1990 wurde auf dem heutigen Zentralfriedhof der Stadt im Teilort Niederweiler an der Nordostmauer des alten Dorffriedhofes oberhalb einiger Kindergräber eine entsprechende Gedenktafel angebracht.[8][9]
Am 1. Mai 1972 wurde Niederweiler im Zuge der Gemeindereform Baden-Württemberg vom selbstständigen Dorf mit einem Bürgermeister zu einem Teilort mit einer Ortsverwaltung, einem Ortsvorstand und einem Ortschaftsrat.[10]
2024: 1.250-Jahr-Feier
2024 konnte Niederweiler 1.250 Jahre seiner ersten belegten schriftlichen Erwähnung feiern;[4][11]
zum Abschluss hatte der Künstler Florian Mehnert unter dem Titel fragments elements details („Fragmente, Elemente, Details“) im Auftrag des Ortschaftsrats und der lokalen Vereinsgemeinschaft für den Abend des 18. Oktober 2024 an 16 Stationen im Dorf verteilt Videoinstallationen vorbereitet, in und mit denen er Eindrücke, Motive, Fotos und Dokumente aus dem Dorf und seiner Geschichte auf künstlerische Weise abstrahierte und verarbeitete; u. a. projizierte er eine Impression an den Turm der örtlichen kleinen Martinskirche.[12][13][14]
Bevölkerung
Laut der ChronikNiederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft[15] von Walter Küchlin aus dem Jahr 2000[16] hatte der Ort im Jahr 1754 385, zum Zeitpunkt der Verselbstständigung 1809 (davor war es ein Teil der „Landvogtei Badenweiler“) dann über 450 Einwohner. Zum Zeitpunkt der Eingemeindung nach Müllheim 1972 waren es ca. 850.[17]
Ende 2010 hatte die Gemeinde lt. Homepage Müllheim 1.331 Einwohner,[1] Ende 2015 1.391,[18] Ende 2016 1.424; [19] Ende September 2020 1.397.[20]
Wappen
Das Wappen Niederweilers zeigt stilisiert zwei Traubenrispen sowie ein Getreidebündel. Die Blasonierung lautet: „In Gold ein erniedrigter schwarzer Sparren, begleitet oben von zwei blauen Trauben an grünen Stielen, unten von einer grünen Garbe.“[21]
Infrastruktur
Niederweiler ist Sitz eines Rathauses mit einer eigenen Ortsverwaltung; direkt benachbart liegt der Gemeindesaal Römerberghalle, welcher 2010 im Rahmen des Konjunkturpakets II einer grundlegenden Sanierung unterzogen wurde. Das örtliche Kirchlein konnte 2011 eine grundlegende Renovierung unter großem ehrenamtlichen Engagement erfahren.
Der Zentralfriedhof der Kernstadt befindet sich um den alten Dorffriedhof herum am westlichen Ortsrand; das ehemalige Alte Schulhaus wird als Veranstaltungs- und Kursraum sowie als Proberaum des örtlichen Gesangsvereins benutzt.
(Politische) Vereinigungen
Alternative Liste (Müllheim-)Niederweiler (ALN)[22]
Frauenverein Niederweiler e. V.;[25] betreibt den örtlichen Kindergarten Regenbogen, eine Bücherstube im Obergeschoss sowie einen ständigen Flohmarkt im Keller des „alten Schulhauses“
Sportverein Weitertal 1926 e. V.: Eigener Sportplatz (Fußball) mit vereinseigener Gaststätte[29]
Wirtschaft
Ortsansässig sind mehrere Handwerksbetriebe verschiedener Gewerke sowie ein selbständiges Weingut,[30] darüber hinaus ein Café sowie ein Hotel/Gasthof.[31]
Persönlichkeiten
Julius Kaltenbach (1858–1931), Maschinenbauer und Unternehmensgründer
Wilhelm Pferdekamp (1901–1966), Schriftsteller und Übersetzer, verbrachte seine letzten Jahre in Niederweiler[32]
↑Walter Küchlin: Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 31. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0.
↑ abLorscher Codex Nr. 2707, deutsch von Karl Josef Minst, Urkundenband der ehemaligen Fürstabtei Lorsch, Band IV, 1970. In: Walter Küchlin: Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 33. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0.
↑Atlas der Gemeinde Niederweiler, 1875/77. In: Walter Küchlin: Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 43, Abb. 17. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0.
↑Walter Küchlin: Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 53. Hrsg.: Stadt Müllheim, Verlag Uehlin Druck und Papierhaus GmbH, Schopfheim, 2000. ISBN 3-932738-16-0.
↑Walter Küchlin: Niederweiler – Pforte zur himmlischen Landschaft, S. 157; Hrsg.: Stadt Müllheim/Baden, Uehlin Druck- und Papierhaus GmbH Schopfheim, 2000; im Anhang Flurnamensammlung, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Bildnachweis.