Nibelungenmuseum Worms
Das Nibelungenmuseum Worms ist der Nibelungensage gewidmet. Das 2001 eröffnete Museum in der Stadt Worms integriert einen Abschnitt der historischen Stadtmauer sowie zwei Türme aus dem 12. Jahrhundert. Die audiovisuelle Dauerausstellung beleuchtet den mythischen Charakter der Nibelungensage. Daneben finden in den Räumlichkeiten kulturelle Veranstaltungen sowie Vorträge und Fachtagungen statt. Geschichte des MuseumsVorgeschichte und PlanungIn der Stadt Worms sowie deren Umgebung spielt ein Großteil der Szenen des Nibelungenliedes. Die Stadt spielt daher auch in der Rezeption des Nibelungenliedes seit Jahrhunderten eine besondere Rolle. Langjährige Überlegungen, die Bedeutung der Stadt Worms als wichtigsten Handlungsort der Sage durch einen Museumsneubau zu würdigen, führten im Juni 1996 zu einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Wettbewerbsgutachten. Dabei bot sich für das Projekt der gut erhaltene Abschnitt der mittelalterlichen Wehranlage aufgrund seiner Authentizität und der günstigen Lage zwischen dem Wormser Dom und der Rheinpromenade mit dem Hagendenkmal an. Die Entscheidung des Stadtrates fiel im Februar 1997 für das Konzept der Pariser Agentur Auber + Huge & associés (A+H), der Planungsauftrag wurde im Juli 1997 erteilt.[2] RealisierungEinem Baubeginn des mit 4,5 Millionen Euro Gesamtkosten bezifferten Museums stand nach archäologischen Ausgrabungen im Aushubbereich Anfang 1999 zunächst nichts mehr im Wege. Das Projekt sah sich jedoch zwischenzeitlich zunehmender Kritik von Teilen der Wormser Öffentlichkeit ausgesetzt, die sich in einer monatelangen polarisierenden Debatte in den Lokalmedien niederschlug. Eine Bürgerinitiative führte mittels eines erfolgreichen Bürgerbegehrens einen Baustopp herbei. Im anschließenden Bürgerentscheid am 12. September 1999 verneinte zwar eine Mehrheit der Abstimmenden die Frage „Wollen Sie, dass in Worms ein Nibelungenmuseum an der Stadtmauer gebaut wird, für das öffentliche Mittel in vielfacher Millionenhöhe eingesetzt werden, die damit für andere, sinnvolle Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen?“. Mit 22 % verfehlte die Beteiligung jedoch das in Rheinland-Pfalz erforderliche Quorum. Daher konnten die Arbeiten mit dem ersten Spatenstich am 18. November 1999 begonnen werden. Nach knapp zweijähriger Bauzeit fand die Eröffnung des Wormser Nibelungenmuseums am 18. August 2001 statt. Das GesamtkonzeptDa es sich bei der Nibelungensage um ein mythisches, nicht historisches Motiv handelt, sind Originalexponate äußerst rar, eine Handschrift des Nibelungenliedes hätte schwerlich ein Museum füllen können. Zudem hätte der streckenweise problematischen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte zwar durch eine distanzierte Kommentierung begegnet werden können, jedoch entsprach es nicht der Absicht der Initiatoren, die bestehende Distanz weiter zu vergrößern. Das Konzept des Medienkünstlers Olivier Auber und des Architekten Bernd Hoge bietet den Besuchern daher Einblicke in die mittelalterliche Sage mittels einer „phantastisch-fiktionalen“ Darstellung, die im Kontrast zu den alten Gemäuern der Wehranlage steht.
– Die Projektentwickler A+H: Die Bleibe des unbekannten Dichters[3] Durch weite Teile des Museums wird der Besucher von Tonaufnahmen auf einem tragbaren Audiosystem geführt. Als fiktiver Erzähler tritt der unbekannte Dichter des Nibelungenlieds auf.
– Die Projektentwickler A+H: Die Bleibe des unbekannten Dichters[3] In deutscher Sprache verlieh ihm hierfür der Schauspieler Mario Adorf die Stimme, in französischer Sprache Marc-Henri Boisse, in englischer Sprache David Stanley. Die ThemenräumeDas ursprüngliche Raumkonzept umfasste drei Themenräume: Sehturm, Hörturm und Schatzraum[4]. Der unterirdische Schatzraum wurde im Sommer 2007 aus technischen Gründen geschlossen. In diesem Raum besteht seit Mitte 2008 ein „Mythenlabor“, in dem die Besucher noch einmal den Rundgang durch das Museum rekapitulieren können. Vor allem Besucher, denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, die Audioführung durch die hohen Türme mitzumachen, können hier – da das Mythenlabor barrierefrei erreichbar ist – die gesamte Führung von Monitoren aus miterleben und nachvollziehen. Mit crossmedialer Technik und einer Großleinwand bietet der Raum auch für Gruppen museumspädagogische Möglichkeiten. Der SehturmIm „Sehturm“ wird das literarische Werk in seinen Grundzügen und historischen Rahmenbedingungen nachgezeichnet. Zugleich wird die Mythifizierung des Werkes in der Rezeptionsgeschichte bis hin zur Verklärung zum „Nationalmythos“ aufgezeigt. Der Erzähler hilft dabei, „die unsichtbaren Fäden zu erfassen, die sich über die Jahrhunderte hinweg miteinander verknüpften“.[5] Der Sehturm befindet sich in einem der mittelalterlichen Wehrtürme. Es wird von einer 12 Meter hohen frei pendelnden Eisenspindel dominiert, um die eine Wendeltreppe führt. Die goldglänzende Spindel, auf deren Rippen 1200 leuchtende Bilder befestigt sind, symbolisiert das „Rütelin“, den Talisman aus dem Nibelungenschatz. Unter den Bildern befinden sich über tausend Darstellungen von Gemälden, Stichen, Propagandaplakaten und Operninszenierungen, die – von den Nibelungen inspiriert – einen Teil des Mythos transportieren. Der HörturmDer „Hörturm“ ist als „Schreibstube des Erzählers“ angelegt. Die Besucher können dort auf einer Reihe von „Hörsesseln“ Passagen des Originalliedes anhören, die auf mittelhochdeutsch gesprochen und simultan übersetzt werden. Zugleich erfährt der Besucher mehr über die zeitgenössische Alltags- und Hochkultur, die den Autor des Nibelungenlieds beeinflusst haben. Als Illustration der Textpassagen kehren hier auch einige der Bilder, denen der Besucher bereits im Sehturm begegnen konnte, wieder und werden nunmehr eingehender erläutert. Das MythenlaborDas in einem unterirdischen Raum untergebrachte „Mythenlabor“ gibt dem Besucher des Museums nach dem etwa zweistündigen Rundgang die Möglichkeit der Reflexion. Der gesamte Text des Sprechers, des anonymen Dichters, kann an dieser Stelle noch einmal abgerufen werden und der im Sehturm untergebrachte Rütelin, das 17,5 m hohe Bildzeptar, ist noch einmal graphisch dargestellt und lässt sich nun auch nach Belieben drehen und wenden. Für Schulklassen bietet eine Internetsuchfunktion die Möglichkeit gleich an Ort und Stelle Recherchen für Referate oder dergleichen anzustellen und unter dem Motto: „Es müssen ja nicht immer die Nibelungen sein“, lassen sich im Mythenlabor zahlreiche Flashfilme und Kurzdokumentationen abrufen. Diese befassen sich mit dem Themen Worms, Moderne Sagen, klassische Mythen (siehe Mythos) und das Nibelungenlied. Über den „Masterterminal“ und einem an der Decke angebrachten Beamer können Referenten, zusätzlich zu den oben genannten Funktionen, eigene Inhalte einfügen und präsentieren. Das „Mythenlabor“ wird auch für wechselnde Sonderpräsentationen genutzt. Internationales EchoBereits vor der Museumseröffnung wurde der „virtuelle Schatz“ auf Einladung des Goethe-Institutes auf zwei Symposien im Dezember 2000 in Paris sowie im April 2001 in Boston präsentiert und fand ein internationales Medienecho in Frankreich, Kanada, den Vereinigten Staaten und Japan:
– Boston Digital Industry: Treasure of the Nibelungs (May 2001)[6]
– Libération: Tragédies en sous-sol (8. Dezember 2000)[7]
– Le Devoir: Un trésor virtuel sous la ville (20. Januar 2001)[8] Auch die Eröffnung des Museums wurde von zahlreichen überregionalen Medien positiv aufgenommen:
– Frankfurter Rundschau: Siegfried, verzweifelt gesucht (11. August 2001)[9]
– Frankfurter Rundschau: Was sind und sagen uns die Nibelungen? (21. August 2001)[10]
– Süddeutsche Zeitung: Im Ozean der Bilder (20. August 2001)[11] Projektgruppe
Die Kontroverse über den SchatzBis 2007 befand sich im heutigen „Mythenlabor“ des Museums ein virtueller „Schatzraum“[12], eine in Echtzeit berechnete Bildprojektion des Nibelungenschatzes und der Stadt Worms mit ihren Gebäuden und Denkmälern. Im darunterliegenden „Weltengrund“ wurden laufend neue Bilder und Klänge freigesetzt. Die Bilder und Strukturen, aus denen sich der „Weltengrund“ zusammensetzt, gehen auf Olivier Aubers Idee des Poietic Generator[13] zurück. Die Installation wurde von der Museumsverwaltung entfernt, ohne den Künstler zu informieren.[14][15] Vorübergehende SchließungEnde März 2024 musste das Museum wegen baulicher Mängel im Zusammenhang mit dem Brandschutz bis auf Weiteres geschlossen werden. Da für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, ist es derzeit (Stand April 2024) unklar, wann und in welcher Form es mit dem Museumsbetrieb weitergeht.[16] Siehe auchLiteratur
Weblinks
Einzelnachweise
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